Nationalpark Böhmerwald: Kernzone soll erweitert werden

Langjährige Streitigkeiten begleiten die Debatten zum künftigen Gesetz über den Nationalpark Šumava / Böhmerwald. Am Mittwochabend wurde eine Übereinkunft erreicht, der zufolge auf einem Gebiet, das 22 Prozent des Nationalparks ausmacht, die so genannte Kernzone entsteht, in der jeder Eingriff des Menschen in den Naturprozess ausgeschlossen ist. Zurzeit umfasst diese Schutzzone 13 Prozent des Nationalpark-Territoriums. Das Umweltministerium bezeichnet die Variante als einen Kompromiss, die Umweltbewegung Duha indes spricht von einem Ultimatum des Ministeriums.

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Politiker, Regionalpolitiker, Vertreter der Kommunen im Böhmerwald, Wissenschaftler und Repräsentanten der Umweltorganisationen haben am Mittwochabend einen Entwurf verabschiedet, der nun in der Regierung und anschließend im Parlament behandelt werden soll – als das künftige Gesetz über den Nationalpark Šumava / Böhmerwald. Während der heftigen Diskussionen in den vergangenen Jahren standen sich stets die Vorstellungen zweier unversöhnlicher Seiten gegenüber: die Böhmerwald-Gemeinden, die die Naturflächen auch zu wirtschaftlichen Zwecken nutzen wollen, und die Umweltschützer, die sich für einen stärkeren Naturschutz einsetzen. Laut Umweltminister Tomáš Chalupa wurde nun eine Kompromisslösung zwischen beiden Seiten gefunden:

Tomáš Chalupa
„Die Schutzzonen des Nationalparks sollen im Gesetz festgelegt werden. Ihre Grenzen können nicht mehr durch Anordnung eines Ministers, sondern nur durch den Beschluss der ganzen Regierung geändert werden. In der ersten Phase soll die erste Zone bis zu 26,5 Prozent des Böhmerwald-Gebiets umfassen, derzeit sind es lediglich 13 Prozent. 22 Prozent davon würden in der so genannten Kernzone liegen, in der jeder Eingriff des Menschen ausgeschlossen ist.“

Nicht zufrieden mit dem Entwurf zeigen sich allerdings die Vertreter der Umweltbewegung Duha. Der Duha-Direktor Petr Machálek sagte dazu:

Petr Machálek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Das Ergebnis ist unserer Meinung nach keine Übereinkunft, sondern ein Ultimatum seitens des Umweltministeriums. Das Ministerium kam mit seinen Vorstellungen zum Treffen, und diese Vorstellungen wurden durchgesetzt. Die 22 Prozent, die vollends der Natur überlassen werden sollen, liegen weit unter der Empfehlung des Internationalen Verbands für den Umweltschutz (IUCN), der bis zu 40 Prozent empfohlen hat. Wenn dieses Gesetz angenommen wird, werden die Bau- und Holzindustriefirmen über den Tourismus und den Umweltschutz im Böhmerwald siegen.“

Dem Entwurf zufolge sollen weitere Gebiete zukünftig der ersten Schutzzone angeschlossen werden. Danach würde die erste Zone 35 Prozent des Nationalparks umfassen. Dies sei mehr als der gesamte Bayrische Wald auf der deutschen Seite der Grenze, betont Ministr Chalupa. Trotz der Kritik der Umweltaktivisten handelt es sich schon um einen Kompromiss. Im Vorschlag des Pilsner Kreises wurde zum Beispiel nur eine Kernschutzzone von 18 Prozent des Nationalparkgebiets verlangt.

Berg Hraničník  (ganz rechts). Foto: Jan Bořík,  Tisícovky GmbH
Als Gegenleistung für die Erweiterung der Kernschutzzone wurde der Bau einer Seilbahn auf den Berg Hraničník erlaubt. Die Seilbahn soll Ski-Fahrer in das Skigebiet Hochficht auf der österreichischen Seite des Gebirges befördern. Dadurch soll die Durchfahrt von mehreren Zig-Tausend Autos jährlich durch die erste Zone des Nationalparks verhindert werden, sagt Minister Chalupa:

„Es wird eine Seilbahn gebaut. Dafür werden 13 Hektar Wald geopfert und ein Streifen von 15 bis 20 Metern Breite in den Wald gerodet. Für die 26 Prozent in der ersten Schutzzone kann ich diese Seilbahn opfern, ich würde aber nicht den Bau eines Skiareals auf der tschechischen Seite zulassen.“

Seilbahn im Skigebiet Hochficht  (Foto: Archiv der Hochficht Bergbahnen GmbH)
Der Bau einer Seilbahn bedeutet nach Meinung der Umweltaktivisten allerdings die Vernichtung eines Teils der Natur des Böhmerwalds. Petr Machálek befürchtet in der Zukunft eine negative Entwicklung:

„Obwohl Minister Chalupa es nun ausschließt, befürchte ich, dass die bereits bestehende Seilbahn künftig ein Argument dafür sein kann, dort einen Skiareal, ein Hotel, eine Zugangsstraße und vieles andere mehr zu bauen. Man kann das für die Zukunft nicht ausschließen.“

Das Gesetz über den Nationalpark Šumava durchläuft nun den Legislativprozess in der Regierung und im Parlament. Die Umweltexperten und -aktivisten möchten diese Möglichkeiten nutzen, um die Diskussion aufs Neue zu entfachen. Sie wollen weiterhin Vorschläge vorlegen und sich bemühen, das Gesetz zu ändern.