“New Start“ in Prag unterzeichnet – USA und Russland reduzieren ihre Atomwaffenarsenale
Am vergangenen Donnerstag unterzeichneten in Prag Barack Obama und Dimitri Medwedew einen neuen Vertrag zur atomaren Abrüstung. Für einige Stunden stand die tschechische Hauptstadt damit im Fokus der Weltöffentlichkeit. Radio Prag lässt in einer neuen Ausgabe der Sendereihe Schauplatz das einmalige Ereignis Revue passieren.
„Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, und der Präsident der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, unterzeichnen: Den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation über die weitere Reduzierung und die Beschränkung von strategischen Offensivwaffen und ein Protokoll dazu.“
So geschehen vergangenen Donnerstag im prunkvollen Spanischen Saal der Prager Burg.
Obama und Medwedew nehmen an einem geschwungenen, mit reichlich Gold verzierten Tisch aus dunklem Holz Platz. Vor ihnen liegen dicke in rotes und schwarzes Leder gebundene Bücher. Die beiden Präsidenten schlagen sie auf und setzen ihre Unterschrift darunter. Obama mit der linken, Medwedew mit der rechten Hand. Im Saal herrscht gespannte Ruhe, unterbrochen nur durch das Klicken Hunderter Fotoapparate. Genau zwei Minuten und 25 Sekunden dauert der Staatsakt. Dann ist es vollbracht: ein breites Lächeln der beiden Präsidenten. Das Publikum im Saal erwidert es mit spontanen Lachen, dann brandet Applaus auf.New Start hat das Licht der Welt erblickt. Der Vertrag über den weiteren Abbau der strategischen Atomwaffenarsenale der ehemaligen Erzfeinde USA und Russland wird wohl in die Annalen der Weltgeschichte eingehen. Und mit ihm die Prager Burg.
„Vor genau einem Jahr bin ich nach Prag gekommen und habe in einer Rede die amerikanische Absicht beschrieben, die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen und das ultimative Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen skizziert. Dann habe ich gesagt, und ich wiederhole es heute, dass dies ein sehr langfristiges Ziel ist. Eines, das bis zu meinem Lebensende vielleicht nicht erreicht sein wird. Aber ich habe damals auch die Überzeugung geäußert, dass uns die Formulierung dieser Ziele ein Stück weiter weg bringt vom Kalten Krieg und das weltweite Verbreitungsverbot von Atomwaffen stärkt. Dies bedeutet mehr Sicherheit für die Vereinigten Staaten und die Welt. Einer der Schritte dazu, die ich im vergangenen Jahr gefordert habe, ist dieser Vertrag. Daher bin ich sehr glücklich, heute wieder hier in Prag zu sein.“Mit dem „New Start“-Vertrag halbieren die USA und Russland die Anzahl der Trägerraketen auf 800, die Zahl der aktiven Atomsprengköpfe wird auf je 1550 begrenzt. Ihm sei klar, dass dies nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt sei. Doch er sehe darin ein bedeutendes Signal, so Barack Obama unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung. Dimitri Medwedew fügte hinzu:
„Ich stimme mit meinem Kollegen Barack Obama absolut überein, dass hier in Prag ein historisches Ereignis über die Bühne gegangen ist. Mit der Unterzeichnung dieses neuen russisch-amerikanischen Vertrages ist die Basis für eine weitere Reduzierung der strategischen Atomwaffenarsenale gelegt. Die Verhandlungen, die uns zur Unterzeichnung dieses Vertrages geführt haben, waren nicht immer einfach. Doch dank der professionellen Arbeit der Teams aus beiden Ländern, die oft ununterbrochen, beinahe 24 Stunden am Tag, verhandelt haben, ist uns etwas gelungen, was vor wenigen Monaten noch als ‚mission impossible’ gegolten hat. So konnten wir in kurzer Zeit einen Vertrag ausarbeiten, der das strategische Gleichgewicht und das gegenseitige Vertrauen zwischen den USA und Russland vollinhaltlich respektiert.“Der neue Vertrag bedeute einen Sicherheitsgewinn für beide Staaten, so der russische Präsident. Und damit bringe er der ganzen Welt mehr Sicherheit.
Die beiden ehemaligen Erzfeinde, die einander in den Jahrzehnten des Kalten Krieges bis an die Zähne bewaffnet gegenüber standen, wollen nun also gemeinsam weitere Schritte zu einer friedlicheren Welt setzen. Auf dem Prager Gipfeltreffen erweckten Barack Obama und Dimitri Medwedew den Eindruck, als sei es ihnen ernst mit dieser Absicht. Das spontane gemeinsame Lächeln, mit dem sie den ganzen Saal angesteckt haben und der herzliche Händedruck lassen hoffen, dass es sich dabei nicht nur um eine gut inszenierte Show zweier Polit-Profis handelt. So wie im Jahr 1979 in Wien, als einander die Präsidenten Breschnew und Carter nach der Unterzeichnung eines Atomwaffen-Begrenzungsvertrages sogar küssten. Und das Verhältnis zwischen den beiden Staaten dennoch gespannt blieb und der ausgehandelte Vertrag nie ratifiziert wurde. Mehr als 30 Jahre später in Prag schien es sich nun um echte Freude über das gemeinsam Erreichte zu handeln und um Erleichterung darüber, dass die düsteren Zeiten des gegenseitigen Belauerns und Bedrohens endgültig vorbei sind. Dies bestätigte auch Gastgeber Václav Klaus, als er gegenüber Journalisten verriet, dass der Zeitplan des Prager Gipfels leicht aus den Fugen zu geraten drohte:„Beide Präsidenten haben sich dafür entschuldigt, dass sie zu spät zum Mittagessen gekommen sind. Sie haben betont, dass das nicht wegen eines Streites über den geschlossenen Vertrag geschehen ist, sondern vielmehr wegen der zahlreichen weiteren Themen, über die die beiden gesprochen haben. Ich denke, Obama und Medwedew haben hier in Prag wirklich zu einem sehr persönlichen, sehr freundschaftlichen Verhältnis gefunden. Beide sind sich sicher, dass das zu einer weiteren Vertiefung der russisch-amerikanischen Beziehungen führt.“Barack Obama wiederum erinnerte daran, dass das Verhältnis zwischen den USA und Russland noch bis vor kurzem alles andere als ungetrübt gewesen sei:
„Wie Dimitri Medwedew bei unserer allerersten Begegnung vor einem Jahr in London angemerkt hat, drohten die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern auseinander zu driften. Dies hat die Lösung von gemeinsamen Problemen erheblich behindert. Wenn die USA und Russland nicht fähig sind, bei der Bewältigung von wichtigen Fragen zusammenzuarbeiten, dann ist das für beide Länder nicht gut. Und es ist nicht gut für die Welt.“
Eines der dringendsten weltpolitischen Probleme ist der internationale Terrorismus. US-Präsident Obama sprach seinem russischen Amtskollegen in diesem Zusammenhang sein Mitgefühl für die Opfer der jüngsten Attentate in der Moskauer Metro aus und sicherte Russland die volle Unterstützung der USA beim Kampf gegen den Terror zu. Mit allen Mitteln müsse man verhindern, dass kernwaffenfähiges Material in die Hand von Attentätern gelange, so Obama.„Die Verbreitung von Kernwaffen in immer mehr Staaten ist eine inakzeptable Bedrohung für den Weltfrieden. Die Vereinigten Staaten haben Anfang dieser Woche ihre Strategie geändert und klargestellt, dass sie diejenigen Staaten, die über nukleare Waffen verfügen und sich an den Atomwaffen-Sperrvertrag halten, nicht angreifen werden. Das bedeutet aber auch, dass diejenigen, die die Regeln brechen, zur Verantwortung gezogen werden müssen. Sonst bleiben vom Atomwaffen-Sperrvertrag nur ein paar Wörter auf einem Blatt Papier über. Daher bestehen die USA und Russland gemeinsam mit einer Reihe von verbündeten Staaten darauf, dass die Islamische Republik Iran Konsequenzen dafür spüren muss, dass sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.“
Während Obama vom UN-Sicherheitsrat „harte Sanktionen“ gegen den Iran fordert, zeigte sich Dimitri Medwedew ein wenig zurückhaltender:
„Leider hat der Iran auf viele konstruktive Vorschläge nicht reagiert und darüber können wir nicht einfach hinwegsehen. Daher ist es möglich, dass der UN-Sicherheitsrat seine Position dazu noch einmal überdenken muss. Unsere Position in dieser Frage ist klar: Sanktionen allein lösen das Problem meistens nicht. Dennoch kommt man manchmal nicht ohne sie aus. Wir sind für wohlüberlegte Sanktionen gegen den Iran, die zur Lösung der Atomwaffen-Frage beitragen und nicht für solche, die eine humanitäre Katastrophe auslösen.“Bereits am Montag treffen einander in Washington auf Einladung von Barack Obama mehr als 40 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, um über Maßnahmen zum Schutz vor der unkontrollierten Verbreitung von waffenfähigem Nuklearmaterial zu beraten. Mit dabei ist Tschechiens Premier Jan Fischer und auch Dimitri Medwedew ist gekommen. Ein weiterer Schritt zur Festigung der russisch-amerikanischen Partnerschaft scheint damit gesetzt.