Villa Müller
Willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zum heutigen Spaziergang durch Prag. Für die Bewunderer der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts hat die tschechische Hauptstadt einiges anzubieten - kubistische Häuser von Josef Chochol unterhalb des Vysehrad, Werke des slowenischen Architekten Josip Plecnik auf der Prager Burg oder die Herz-Jesu-Kirche von demselben Architekten auf dem Georg von Podiebrad-Platz. Seit dem Frühjahr kam noch eine hervorragende Sehenswürdigkeit hinzu, die nach zweijähriger Rekonstruktion für die Öffentlichkeit geöffnet wurde. Die Villa Müller - nach den Entwürfen von Adolf Loos erbaut, befindet sich in der Straße Nad hradnim vodojemem im Stadtteil Stresovice. Für Architekten stellt die Villa Müller, die manchmal nach ihrem Schöpfer auch als Villa Loos bezeichnet wird, eine Art Wallfahrtsort dar. In die Villa Müller laden Sie in den folgenden Minuten ein Jitka Mladkova und Martina Schneibergova.
Die Geschichte der Villa Müller beginnt mit dem Vertrag über das zuständige Grundstück vom 14. September 1928. Nach knapp zwei Monaten schickte der Mitbesitzer der Firma Kapsa-Müller den Architekten Adolf Loos und Karel Lhota den folgenden Brief:
"Ich bestätige die heute abgeschlossene Vereinbarung, nach der Sie sich verpflichten, alle Entwürfe für meine Villa für eine Pauschalsumme von 40.000 Kronen zu verwirklichen."
Mit der Realisierung der kühnen Entwürfe ging es jedoch nicht so schnell. Der Baumeister Borivoj Kriegerbeck notierte sich damals in sein Tagebuch:
"Weihnachten stand schon vor der Tür und wir hatten noch keine Baugenehmigung. Ich habe erfahren, dass die Nachbarn protestiert haben. Denn das ganze Villenviertel Orechovka hatte nur Satteldächer, und wir kamen nun mit einem Flachdach "
Probleme gab es damals offensichtlich nicht nur wegen dem ungewöhnlichen Dach, sondern z.B. auch wegen der glatten Fassade. Frantisek Müller begann schließlich mit dem Bau, trotz der negativen Entscheidung des Stadtrates. Im deutschsprachigen Prager Tagblatt stand man aber voll und ganz hinter Loos. Hätte es den Artikel mit dem Titel "Prag gegen Loos" nicht gegeben, wäre vielleicht der Bau nie zu Ende geführt worden.
Die ersten Besucher wurden in der Villa Müller im Frühjahr 1930 begrüßt. Sie haben mit lobenden Worten nicht gespart. Adolf Loos selbst erinnerte sich an die Villa Müller, als er im Dezember 1930 seinen 60.Geburtstag feierte, mit den Worten: "Es ist mein schönstes Haus!"
Um so absurder ist das Schicksal der Villa Müller nach 1959, als sie vom Staat konfisziert wurde. In den 60er Jahren hatte dort der staatliche pädagogische Verlag seinen Sitz. Nach dem Tod von Milada Müllerova im Jahre 1968 wurde die Mehrheit der Einrichtung vom Kunstgewerbemuseum und der Nationalgalerie gekauft. 1976 zog der letzte unwillkommene Mieter in die Villa Müller ein - das Institut für Marxismus-Leninismus. Nach der Wende von 1989 wurde die Villa aufgrund des Restitutionsgesetzes der Tochter der ursprünglichen Besitzer zurückgegeben, die in Großbritannien lebt. Sie bot das Haus zum Kauf an. Schließlich wurde die Villa von der Hauptstadt Prag erstanden. 1995 wurde die Villa Müller zum nationalen Kulturdenkmal erklärt und seitdem wird sie vom Museum der Hauptstadt Prag verwaltet.
Zahlreiche Restauratoren und Handwerker beteiligten sich seit 1998 an der Renovierung der Villa Müller, die im Mai dieses Jahres im Rahmen des Programms "Prag - europäische Kulturstadt 2000" feierlich eröffnet wurde. Die Restauratoren haben sowohl das Haus als auch seine Umgebung bis ins Detail so renoviert, wie die Villa in der Zeit ihrer Entstehung aussah. Mit Technologien und Materialien aus den dreißiger Jahren wurden Kopien von Gegenständen hergestellt, die nicht mehr existierten. Zum Glück gibt es ausreichend Dokumente darüber, wie die Villa ausgestattet war.
Aus architektonischer Sicht ist vor allem die Raumunterteilung der Villa bemerkenswert. Der Innenraum der Villa wurde nicht durch einzelne Stockwerke gegliedert, sondern in ein System von verschiedenen Ebenen unterteilt. Die Räume wurden über dem Grundriss verteilt, in Größe und Volumen ihrer Funktion entsprechend. Hinter der einfachen weißen Fassade verbergen sich jedoch noch weitere architektonische Besonderheiten und wertvolle Details.
Der Hauptraum der Villa ist das Wohnzimmer, in dem man keine Türen findet. Es ist durch eine Treppe sowohl mit der Eingangshalle, als auch mit der Halbetage verbunden, wo sich das Esszimmer befindet. Das Wohnzimmer ist mit wertvollem italienischem Marmor cippolino belegt. Es gibt dort einen Kamin und zwei eingebaute Aquarien. Im Wohnzimmer gibt es ein ursprüngliches Sofa, das mit violettem Samtstoff überzogen ist. Diesen Stoff ließ man bei der Wiener Firma Friedrich Otto Schmidt färben. Denn höchstwahrscheinlich hatte auch Adolf Loos Stoffe und Mobiliar bei dieser Firma einst bestellt.
Im Ess- und Herrenzimmer gibt es Decken und eingebaute Möbeln aus Mahagoniholz. Im Herrenzimmer befinden sich zwei Tresore und ein Kamin aus der holländischen Majolika. Das Damenzimmer ist aus Zitronenholz, das stoffbezogene Sofa sowie eine kleine Couch schmücken Blumenmuster. Erwähnenswert ist eine Lampe, die aus einem großen Kristallstück hergestellt wurde.
Adolf Loos spielte in der Villa mit Farben. Im ganzen Haus gibt es Gardinen aus gelber Seide, grüne Vorhänge und rote Heizkörper. In der Mehrheit der Räume gibt es Teppiche aus dem Orient - denn Frantisek Müller war ein passionierter Sammler orientalischer Teppiche. Leider sind diese jedoch nicht erhalten geblieben, so dass anhand historischer Analysen neue erworben werden mussten. Räume wie Küche, Badezimmer oder Kinderzimmer sind in fröhlichen Farben ausgeführt. Im Badezimmer wurde weiß und rot benutzt. In zwei Kinderzimmern gibt es gelb und blau lackierte Möbeln, rote Metallbetten und auch einen roten Fußboden.
Interessant ist das Schlafzimmer, dessen Wände mit ursprünglichen Tapeten mit Matrosenmotiven bedeckt sind. Das selbe Muster findet man auch auf dem Stoff auf dem Nachttisch und bei den Vorhängen. Im japanischen Salon wurde schwarze und grüne Farbe für die Möbel, rot für den Fußboden und Silber für die Tapeten benutzt. Einen Lampion mussten die Restauratoren aus Japan bringen. Vom Salon aus kann man eine große Terrasse auf dem Dach der Villa betreten, wo man einen schönen Blick auf die Prager Burg und die Stadtviertel Stresovice und Dejvice hat.
Beachtenswert ist in der Villa eine große Damengarderobe mit praktischen eingebauten Schränken aus Ahornholz. Die Herrengarderobe ist bedeutend kleiner, aber auch prunkvoll. In der einstigen Fotokammer, die Herr Müller benutzte, kann man heute eine ständige Ausstellung über die Villa und ihren Architekten Adolf Loos besichtigen.
Die Villa Müller befindet sich im sechsten Stadtbezirk - in Stresovice in der Straße Nad hradnim vodojemem Nr. 14. Sie ist dienstags, donnerstags, samstags und sonntags geöffnet. Führungen finden immer um 9, 11, 14 und 16 Uhr statt, der Besuch muss jedoch im voraus reserviert werden, und zwar unter der Telefonnummer: 02/ 24 31 20 12 oder der e-mail-Adresse: [email protected]. Denn an der Führung können höchstens sieben Besucher teilnehmen.