Schnelle Entscheidung im "Fall" Protivinsky
Im "Fall" des mährischen Geistlichen Vojtech Protivinsky, dem eine Anklage wegen Volksverhetzung drohte, weil er bei den Senatswahlen im vergangenen Jahr vor der Kommunistischen Partei gewarnt hatte, ist es am Mittwoch zu einer entscheidenden Wende gekommen. Silja Schultheis berichtet.
Präsident Havel persönlich hat am Mittwoch in die Angelegenheit eingegriffen und per Dekret die Strafverfolgung Protivinskys gestoppt. Auch die Brünner Staatsanwaltschaft entschied am Mittwoch, dass sich Protivinsky durch sein Verhalten nicht strafbar gemacht habe. Ob zuerst der Staatsanwalt sein Urteil gefällt und erst dann der Präsident den Geistlichen begnadigt hat oder umgekehrt, ist zur Zeit noch Gegenstand einer Rechtsdiskussion im Justizministerium. Weder Havel noch Staatsanwalt Petr Coufal, der für die Entscheidung verantwortlich zeichnet, halten diese Frage jedoch für entscheidend. Havel sagte am Mittwoch in einem Interview für die BBC, entscheidend sei, dass das Verfahren eingestellt und Unsinn als Unsinn benannt worden sei.
Bereits vor der Entscheidung des Präsidenten und des Staatsanwaltes hatten sich in einem öffentlichen Aufruf zahlreiche Prominente mit Protivinsky solidarisch erklärt und die Ermittlungen gegen ihn als "skandalös und absurd" bezeichnet.
Protivinsky selbst, dem bis zu zwei Jahren Haft gedroht hatten, begrüßte zwar die Einstellung des Verfahrens gegen ihn, hätte aber andererseits gerne die Behandlung seines Falles vor einem unabhängigen Gericht erlebt, sagte er der Nachrichtenagentur CTK. In seinen Augen sind die Ermittlungen gegen ihn ein Beispiel dafür, dass die tschechische Gesellschaft ihre kommunistische Vergangenheit noch nicht bewältigt habe. Staatsanwalt Petr Coufal baten wir, diese Äußerung Protivinskys für Radio Prag zu kommentieren:
"Ich denke, diese Einschätzung hat Herr Protivinsky gegenüber den Medien geäußert, bevor die strafrechtliche Verfolgung durch die Begnadigung des Präsidenten eingestellt und durch meine Entscheidung die Anklage aufgehoben wurde. Vielleicht würde Herr Protivinsky heute, oder bereits gestern, als er davon erfahren hat, anders urteilen. Trotzdem verstehe ich, dass allein die Tatsache, dass Ermittlungen eingeleitet wurden, auf ihn so wirkt, als ob die tschechische Gesellschaft ihre kommunistischen Vergangenheit noch nicht bewältigt hat. Und bis zu einem gewissen Maße hat er recht."
In dem Procedere der Ermittlungen gegen Protivinsky sieht Coufal das demokratische Prinzip der tschechischen Strafrechtsordnung indes bestätigt. Denn:
"Der Ermittler hat die Angelegenheit nach bestem Wissen und Gewissen beurteilt. Er vermutete, dass es sich im vorliegenden Fall nach seiner Rechtsauslegung um eine Straftat handelte. Und da unsere Rechtsordnung vorsieht, dass der Staatsanwalt den Fall überprüft, ist es so gekommen, wie es gekommen ist: Der Ermittler hat entschieden und beinahe unmittelbar danach, innerhalb von 24h, hat der Staatsanwalt diese Entscheidung widerrufen. Meiner Ansicht nach ist das einfach ein Ausdruck des demokratischen Prinzips unseres Strafverfahrens."