Tschechische Schule im Jahre 2001
Wie wir Sie bereits am Donnerstag im Tagesecho informiert haben, hat die tschechische Regierung am Mittwoch dieser Woche das sogenannte Nationale Programm zur Entwicklung des Schulwesens gebilligt. Mit anderen Worten, dem tschechischen Schulwesen steht eine längst fällige Reform ins Haus. Über ein dringendes Problem dieser Branche, und zwar das Lehrerdefizit, spricht Jitka Mladkova im folgenden Beitrag:
Schola ludus - Schule als Spiel. Unter diesem Buchtitel hat der später als "Lehrer der Nationen" bezeichnete Tscheche Jan Amos Komensky-Comenius schon im 17.Jahrhundert ein ideales Bild der elementaren Bildungsstätte namens Schule skizziert. Heute, an der Schwelle des 3.Jahrtausends, bleibt die Realität der tschechischen Schule in mancher Hinsicht von den Vorstellungen des namhaften Pädagogen immer noch weit entfernt. Nach jahrzehntentelanger Instrumentalisierung durch die kommunistischen Machthaber ist die Schullandschaft ideologiefrei und bunt geworden.
Und nicht nur das. Als autonome Einheiten, viele sogar mit dem Status einer juristischen Person ausgestattet, können die Schuleinrichtungen in ihrem nie da gewesenen Freiraum nahezu auf eigene Faust schalten und walten. Und doch hat sich die Gestaltungsfreiheit, mit der jeder Lehrer im Unterricht ausgestattet ist, nicht als stabilisierender Faktor erwiesen. Abertausende von Lehrern haben nach der anfänglichen Euphoriewelle, die mit der politischen Wende von 1989 hochschlug, ihrem Beruf ade gesagt. Der Lehrerberuf hat auch für junge Menschen an Attraktivität verloren.
Jedes Jahr verzichtet ca. ein Viertel der frischgebackenen Lehrerinnen und Lehrer auf den Einstieg in die Schulpraxis. Viele andere folgen ihnen nach den ersten Erfahrungen . Das Fazit: die Lehrerkollegien altern. Die Zahlen, die es belegen, sind nahezu alarmierend : der Anteil der Lehrer in der Alterskategorie bis zu 29 Jahren beträgt an allen Schultypen im Schnitt 13 Prozent, 35 Prozent aller Lehrer sind über 50, weitere 35 Prozent über 40 Jahre alt. Hinzu kommt, dass es in vielen Schulen, vor allem in kleineren Städten und auf dem Lande, überhaupt an qualifizierten Lehrkräften mangelt.
Und so gilt es auch als Gang und Gäbe, dass zahlreiche bereits pensionierte Lehrer aus dem Ruhestand geholt werden, mancherorts musste man sogar mit einer unqualifizierten Arbeitskraft ohne Hochschulbildung vorlieb nehmen. Und worauf ist diese wenig ermutigende Situation im tschechischen Schulwesen zurückzuführen? Hinter allem suche das Geld ! Also niedrige Gehälter, die nur um einen kleinen Prozentsatz höher sind als der landesweit gültige Durchschnittslohn. Der tschechische Lehrer genießt nicht den Status eines Staatsbeamten und ist deshalb von seinem Schulleiter relativ leicht kündbar. Last but not least bieten sich ihm in seiner Laufbahn nur beschränkte Aufstiegschancen.
Das alles schlägt sich natürlich nicht nur auf die Gemütslage der Lehrer, sondern auch auf die Qualität des Unterrichts nieder. Im Endeffekt hat es der Schüler auszubaden. Für ihn brechen nun - vielleicht - neue Zeiten an. Am Mittwoch dieser Woche hat das tschechische Kabinett ein Programmwerk gebilligt, das als Fundament für die lang diskutierte grundlegende Schulreform gedacht ist. Ein Beispiel daraus: Statt Pauken soll den Schülern eine selbständige Denk- und Arbeitsweise beigebracht werden. Das Dokument sagt jedoch nichts davon, wie die ambitiösen Ziele bei dem bestehenden Lehrerdefizit und knapp bemessenen Bildungsetat zu erfüllen sind.
Wird sich daran nichts ändern, dann kann sich das Weißbuch, wie das Dokument allgemein genannt wird, nur als ein Luftschloss erweisen.