Synagoge in Liben
Der Prager Stadtteil Liben ist ein Ort mit beachtenswerter Geschichte und mit Kulturtraditionen, von der vor allem das Schaffen von Bohumil Hrabal am bekanntesten ist. Zwei Institutionen sind heute mit dem Kulturleben in Liben untrennbar verbunden - das Theater Pod Palmovkou, das während der Flutkatastrophe im August dieses Jahres jedoch stark beschädigt wurde, und die unweit des Theaters gelegene Synagoge mit ihren regelmäßigen Ausstellungsprogrammen. Mehr erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag.
Der Name des Stadtteils Liben, der heute im achten Prager Stadtbezirk liegt, stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Männernamen Ljuben, mit dem eine Festung auf diesem Gebiet bezeichnet wurde. Der Name liben bedeutete etwa Rast - einen angenehmen Platz, wo es den Menschen gefiel. Gefallen heißt tschechisch Líbit se. Es gibt keine vertrauenswürdigen Dokumente über die Entstehung der Gemeinde Liben, sie ist jedoch mit vielen alten Sagen verbunden - auch mit der über die Fürstin Libussa. Die ersten schriftlichen Notizen über Liben stammen aus den Jahren 1039 und 1090. Wie damals Liben aussah, das wird in diesen historischen Quellen jedoch nicht verraten - ob es sich nur um einen Hof, eine Festung oder um ein ganzes Dorf handelte. Als Gemeinde wird Liben erst um das Jahr 1363 erwähnt.
Liben gehörte verschiedenen Besitzern, erst der letzte von ihnen, der Kanzler des Kaisers Ferdinand III., Jan Hartwig, Graf von Nostitz, verkaufte 1662 Liben für 82.000 Gulden der Prager Altstadt. Die Gemeinde Liben bestand bereits am Anfang jener sozusagen Prager Zeitetappe aus zwei Teilen: aus der jüdischen Gemeinde und aus dem Dorf Liben. Dieses war für die damaligen Verhältnisse recht groß, es gehörten ein Schloss, eine Mühle sowie mehrere Wirtschaftsgebäude dazu. Neuansiedler kauften Grundstücke im oberen Teil von Liben zwischen den Weinbergen, die von Karl IV. gegründet wurden, und errichteten somit die Gemeinde Nova Liben.
In Liben entstand eine starke jüdische Gemeinde, die von der Prager jüdischen Gemeinde unabhängig war. Es wurden dort eine Schule und eine Synagoge errichtet, die sich in der heutigen Kozeluzska-Straße befand. Um das Jahr 1713 soll Liben mehr jüdische als christliche Bewohner gehabt haben.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Liben die ersten Manufakturen und Fabriken errichtet. Den größten Industrieaufschwung erlebte Liben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1871 wurde die Nordost-Bahn in Betrieb genommen, und am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Hafen Liben eröffnet. Von Karlin über Liben nach Vysocany führte seit 1896 eine Straßenbahnstrecke, die von Frantisek Krizik errichtet wurde.
Im Jahre 1858 wurde in Liben eine neue Synagoge eröffnet, die man nach dem Hochwasser von 1845 zu bauen begann. Das jahrelang leer stehende und beschädigte Gebäude, das heute unweit der Metrostation Palmovka steht und an die einst starke jüdische Gemeinde in diesem Stadtteil erinnert, wird erst seit einigen Jahren als einzigartiger Raum für Theaterprojekte und für Ausstellungen genutzt. In diesen Tagen kann man dort eine Fotoausstellung besichtigen, die Israel, gesehen mit den Augen von drei jungen tschechischen Künstlern vorstellt. Neben klassischen Großformatfotos werden einige Aufnahmen abwechselnd auf eine Leinwand projiziert, sodass die Ausstellung lebendiger aussieht. Während der Vernissage wirkte das nicht renovierte Interieur der Synagoge sehr geheimnisvoll, der recht kalte Raum wurde nur von Kerzen beleuchtet. Für musikalische Begleitung sorgte während der Vernissage die Gruppe Klec.
Nach den Beweggründen für die Fotoausstellung fragte ich Robert Rehak, den Vorsitzenden der Gesellschaft der Christen und Juden, die zu den Initiatoren der Ausstellung gehört:
Die Idee entstand, nachdem sich drei meiner jungen Freunde - zwei Fotografen und ein Bildhauer - entschieden hatten, die tschechischen Besucher der Ausstellung mit der Welt des Nahen Ostens bekannt zu machen. Sie nahmen alle drei an einem Studienaufenthalt an der Bezalel Academy of Art in Jerusalem teil und wollten wenigstens einen Teil deren Werke, die in Israel entstanden sind, hier der Öffentlichkeit vorstellen. Auf den Fotos sieht man Begegnungen von verschiedenen Menschen - von Juden, Christen und Moslems, die dort nebeneinander leben. Wir sind als Gesellschaft der Christen und Juden einer der Veranstalter der Ausstellung, denn es ist unsere Aufgabe, nach einem Dialog zwischen diesen Glaubensgemeinschaften zu suchen.
Die scheinbar entfernte, farbenreiche Welt, voll von orientalischen Düften, voll von Gefühlen und von tiefem Hass, voll von Leben und Tod - sie wird auf den Fotos von Hanus Lamr, Vojtech Vlk und Filip Sodomka dargestellt. Den zuletzt genannten Fotograf fragte ich nach seinen Eindrücken von dem Studienaufenthalt in Israel:
Ich kannte Europa schon ganz gut und wusste, dass es ähnlich wie bei uns ist. Ich wollte jedoch die Gegend sehen, wo alles begonnen hat. Ich stamme aus einer christlichen Familie, sodass das Land für mich fast mystische Bedeutung hat. Es gelang mir, während des einen Semesters in Israel, das Land wirklich zu durchreisen und kennen zu lernen. Ich brachte einige Tausend Fotos von dort mit, für die Ausstellung suchte ich diejenigen aus, die ich für die stärksten und anregendsten halte. Das, was man dort erlebt, ist für alle Sinne anspruchsvoll - die verschiedenen Sprachen beispielsweise ... Wenn ich darüber rede, dann denke ich an sehr viele verschiedene Momente. Als ein Ausländer fühlte ich mich dort freier als die Israelis selbst. Ich besuchte Regionen, die sie sich nicht zu betreten trauen - den Gaza-Streifen, Hebron, Betlehem usw.
Filip Sodomka sieht Israel als eine Welt von Widersprüchlichkeiten, in dem der Osten mit dem Westen konfrontiert wird. Arme, schmutzige arabische Jungen findet man auf den Fotos neben den modernsten Hotels, Computern und Panzern. Auf einem Foto sieht man einen Pilger, der am Morgen durch das ruhige Heilige Land spaziert, auf dem folgenden Foto steht ein verlassener Einkaufswagen vor einem Supermarkt in Tel Aviv ... Immer wieder zwei unterschiedliche Welten nebeneinander. Vojtech Vlk sieht Israel vor allem in den Gesichtern der Menschen. In seinem Fotozyklus wechseln sich ein Jude, ein Moslem, ein Christ, ein Soldat, ein Verkäufer und viele andere ab. Auf den Fotos von Hanus Lamr findet man die Farbenpracht eines Regebogens, aber auch die Feinheiten der hebräischen und arabischen Kaligraphie.
Die Ausstellung mit dem Titel Israel 1998 - 1999 - 2000 in der Synagoge in Liben ist bis zum 25. November täglich von 13 bis 18 Uhr geöffnet.