Tschechische Familien heute
Was ist charakteristisch für tschechische Familien heute? Für die Zeit vor der Samtenen Revolution galt: früh heiraten und schnell Kinder bekommen. Wer mit Anfang zwanzig noch keinen Nachwuchs hatte, war ein Spätzünder. Der Altersunterschied zwischen der Elterngeneration und den Kindern betrug durchschnittlich gerade einmal 22 Jahre. Gut, wohnen musste man zu Beginn noch häufig bei den Eltern, aber ohne Hochzeit waren die Aussichten auf eine eigene Bleibe ohnehin mehr oder minder gleich Null. Das Wohnen mit den Eltern oder Schwiegereltern gehörte zur Normalität und barg außerdem den Vorteil, dass für die Kinderbetreuung gesorgt war. Drei, oftmals auch vier Generationen unter einem Dach waren keine Seltenheit. Und heute, fast 14 Jahre nach der Samtenen Revolution?
Was ist charakteristisch für tschechische Familien heute? Für die Zeit vor der Samtenen Revolution galt: früh heiraten und schnell Kinder bekommen. Wer mit Anfang zwanzig noch keinen Nachwuchs hatte, war ein Spätzünder. Der Altersunterschied zwischen der Elterngeneration und den Kindern betrug durchschnittlich gerade einmal 22 Jahre. Gut, wohnen musste man zu Beginn noch häufig bei den Eltern, aber ohne Hochzeit waren die Aussichten auf eine eigene Bleibe ohnehin mehr oder minder gleich Null. Das Wohnen mit den Eltern oder Schwiegereltern gehörte zur Normalität und barg außerdem den Vorteil, dass für die Kinderbetreuung gesorgt war. Drei, oftmals auch vier Generationen unter einem Dach waren keine Seltenheit. Und heute, fast 14 Jahre nach der Samtenen Revolution?
Mehrere Generationen in ein und denselben vier Wänden: So leben nur noch 15 % der tschechischen Bevölkerung, Tendenz: abnehmend. Häufig handelt es sich hierbei um Alleinerziehende, die mit ihren Kindern zurück zu den Eltern ziehen. Eine bezahlbare Wohnung zu finden ist mancherorts nach wie vor schwierig und sie mit nur einem Gehalt zu bestreiten ist in Prag zumindest eine Herausforderung.
Aber beginnen wir bei den Partnerschaften. Der Altersdurchschnitt der Heiratswilligen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich nach hinten verschoben. Galten die Tschechinnen früher als die jüngsten Bräute Europas, sind sie heute im Schnitt 25 - 26, wenn sie zum ersten Mal vor den Traualtar, oder besser gesagt, vor den Standesbeamten treten. Die Bräutigame sind indes durchschnittliche 28 Jahre alt. Als Hauptimpuls fürs Heiraten gelten Kinder: 52 % der Erstgeborenen werden in den ersten 8 Monaten nach der Hochzeit ihrer Eltern geboren, 23,5 % noch vor der Heirat. Übrigens: Auf fünf neue Eheschließungen entfallen in Tschechien drei Scheidungen.
Die Geburtenrate geht auch in Tschechien stark zurück. Junge Leute lassen sich mit dem Kinderkriegen mehr Zeit und setzen zunächst auf eine gute Ausbildung und basteln an ihrer Kariere. Bei der Anzahl der Kinder spielt es keine Rolle, ob es sich um Stadt- oder Landbewohner handelt. Und auch der Grad der Bildung ist bei dieser Frage inzwischen irrelevant. Familien in ländlichen Gegenden haben in der Regel nicht mehr Kinder als diejenigen, die sich für ein Leben in der Stadt entschieden haben. Es dominiert das Modell der Familie mit zwei Kindern. 11 % der jungen Tschechen wünschen sich gar nur ein Kind.
Und wer ernährt die Familie?
In der Tschechoslowakei war es üblich, dass beide Elternteile berufstätig waren. Die klassische Ernährerrolle, wie sie der Mann in vielen Ländern Westeuropas innehatte, konnte der durchschnittliche tschechische Ehemann folglich nicht für sich beanspruchen. Auch heute gilt, dass die Hausfrau in der tschechischen Gesellschaft kaum anzutreffen ist.
Betrachtet man nur die finanzielle Seite, dann muss man nichtsdestotrotz zu dem Schluss kommen, dass der Mann in der tschechischen Familie tatsächlich der Ernährer ist, denn sein Gehalt übersteigt das seiner Frau etwa um ein Drittel. Allerdings sei hier angemerkt, das die Situation bei 10 % der Familien umgekehrt ist. Hier verdient die Frau weitaus mehr als ihr Ehemann. Die überwiegende Mehrheit der Tschechen ist der Meinung, dass es gut ist, wenn beide Partner arbeiten und Geld verdienen. Für den weiblichen Teil der Bevölkerung ist das eigene Einkommen gleichbedeutend mit einem gewissen Maß an Selbstständigkeit. Über die Verwendung des Einkommens entscheiden Eheleute in der Regel gemeinsam.
Wirkt sich das auf die Arbeitsteilung zu Hause aus? Herrscht in tschechischen Familien ein Gleichgewicht, wenn es ums Waschen, Putzen, Kochen geht, wenn doch beide Partner durch ihren Beruf in Beschlag genommen werden?
In Anbetracht der Tatsache, dass der Haushalt, bzw. die Erledigung oder Nicht-Erledigung von Arbeiten, die darin anfallen einer soziologischen Studie zu Folge häufigster Anlass für Streitigkeiten zwischen tschechischem Mann und tschechischer Frau ist, offenbar nicht. In der Beurteilung des eigenen Einsatzes sind sich die Partner selten einig. Während 90 % der Frauen überzeugt sind, dass nur sie Wäsche wäschen, 60 % die Pflege kranker Familienmitglieder übernehmen, den Einkauf, das Kochen und Putzen, haben Männer nicht das Gefühl, dass die Hausarbeit auf den Schultern ihrer Frauen lastet.
Wir baten Frau Michaela Marksova-Tominova vom Prager Institut für Gender-Studies uns ihre Sicht auf die Rollen- und Arbeitsteilung in tschechischen Familien zu sagen:
"Ich denke, dass hängt stark davon ab, um was für eine Familie es sich handelt, welchen Bildungsgrad die Partner haben, ob sie in der Stadt oder in einem Dorf wohnen. Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass hier nach wie vor eine traditionelle Rollenverteilung vorherrscht. Das heißt, dass die Frauen den Großteil des Haushaltes allein bewältigen müssen. Das ist paradox. Diese Frauen arbeiten, und zwar ist das seit über 50 Jahren so. Sie arbeiten also in Vollzeit und müssen darüber hinaus auch noch den gesamten Haushalt schmeißen. Wenn wir uns darüber unterhalten wollen, ob Männer zu Hause helfen, dann müssten wir vorher definieren, in welchen Bereichen. Die meisten Männer hier behaupten, im Haushalt geholfen zu haben, wenn sie an ihrem Auto herumgebastelt haben oder handwerklich tätig waren. Man sollte hier mal genau untersuchen, wie oft Männer all diese Arbeiten verrichten, die im Alltag anfallen, wie den Boden wischen, Staub saugen und wischen oder Wäsche waschen. Ich gehe davon aus, dass die Männer bei solchen Untersuchungen ziemlich schlecht wegkommen würden. Ein großer Fehler liegt bei den Müttern. Söhne werden von den Müttern gehätschelt und selbst wenn sie schon erfolgreich im Beruf sind, kommt Mama noch zum Wäsche machen und Wohnung putzen. Und der erwartet diesen "Service" dann auch von seiner Frau. Er hat nicht die leiseste Ahnung davon, was so ein Haushalt alles an Arbeit mit sich bringt."
Der Gerechtigkeit halber soll hier aber nicht unerwähnt bleiben, dass die tschechischen Männer im europäischen Vergleich noch recht gut wegkommen: 21 % der Ehemänner helfen hier im Haushalt und mit den Kindern gar nicht. Ganz schön viel, finden sie? Nun, in anderen europäischen Ländern sind es zum Teil weitaus mehr. Eine positive Tendenz, die sich hinsichtlich der Kindererziehung abzeichnet, ist, dass tschechische Väter sich mehr mit ihren Kindern beschäftigen als es noch ihre Väter getan haben.
So, liebe Hörerinnen und Hörer, das war`s schon mit unserem Einblick ins tschechische Familienleben. Ich hoffe, dass sie sich ein Bild machen konnten. Auf ihren nächsten Besuch im Forum Gesellschaft freut sich Katrin Sliva.