Galerie Rudolfinum erzählt die Geschichte der tschechischen Fotografie

Die Galerie Rudolfinum trat mit einer wirklich groß angelegten Schau ins Jahr 2004 ein: Nämlich mit einer Ausstellung über die Geschichte der tschechischen Fotografie von 1840 bis 1950, die anhand von über 600 ausgestellten Exponaten erzählt wird. Sind Sie neugierig geworden? Dann hören Sie mehr in unserem heutigen Kultursalon. Auf die Spuren der tschechischen Fotografie wird sich mit Ihnen Lucie Drahonovska begeben.

Man schrieb das Jahr 1837. Und der französische Maler, Louis Jacques Mandé Daguerre, begann mit seiner Erfindung die Geschichte der Fotografie zu schreiben. Zugegeben, die nach ihm benannte "Daguerrotypie" wies noch gewisse Mängel auf: Die lichtempfindliche Entwicklungslösung musste unmittelbar vor dem Fotografieren vorbereitet werden, und so war der Fotograf gezwungen, seine komplette Ausstattung stets mit sich zu tragen. Auch war es unmöglich, die so genannten "Daguerrotypen" zu vervielfachen. Dies gelang erst dreizehn Jahre später, im Jahre 1850.

Die "Daguerrotypie", die anfangs bloß als eine Attraktion ohne weitere Anwendungsmöglichkeiten gesehen wurde, hat sich seit 1860 allmählich durchgesetzt und sich in Europa weit verbreitet. Auch die Bewohner Prags konnten die erste Daguerrotypie sehr früh sehen: und zwar schon im Dezember 1859 in der Prager Buchhandlung Haas.

Während die Geschichte der tschechischen Fotografie im Bewusstsein der Tschechen als allgemein bekannt und durchaus erforscht angesehen wird, sind einige Fachleute anderer Meinung. So beispielsweise auch der Kunsthistoriker Jaroslav Andel. Seiner Ansicht nach wurde die tschechische Fotografie bis jetzt nur in der Hinsicht auf die technische Seite untersucht. Im Gegensatz dazu präsentiert Andel die tschechische Fotografie jetzt als ein selbständiges Medium im Wandel der Zeit.

Das Ziel der Ausstellung fasst ihr Autor, Jaroslav Andel, folgendermaßen zusammen:

"Die Ausstellung dokumentiert die Entwicklung der tschechischen Fotografie. Und das in einer Weise, die ihre langjährigen Trends, Genres und Formen nachzeichnet, in denen heute wieder ein stürmischer Aufbruch zu verzeichnen ist. Ich möchte betonen, dass die Ausstellung in Übereinstimmung mit ihrem Untertitel - ‚Die Geschichte des modernen Mediums' - einer anderen Sichtweise bedarf. Daher taucht hier eine ganze Reihe von Namen auf, die bisher unbekannt waren, sowie auch viele neue Zusammenhänge und Geschehnisse. Viele Exponate werden hier überhaupt zum ersten Mal präsentiert. Und jene, die allgemein bekannt sind und die man keinesfalls außer Acht lassen durfte, die haben wir in einem neuen Kontext zu erläutern versucht."

Dementsprechend greifen alle 21 Bereiche, in die Andel die Ausstellung unterteilt hat, ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Form des Mediums auf. Die Bereiche werden in ihrer chronologischen Abfolge präsentiert - und zwar von den ersten fotografischen Versuchen auf den Gebieten der Wissenschaft, Technik, Anthropologie, Kunst, aber auch der Unterhaltung und Werbung bis hin zur politischen Propaganda der 30er und 40er Jahre. Der einleitende Teil untersucht die Portraitfotografie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Besonderen werden hier die Selbstportraits der ersten Pioniere auf dem Gebiet der Fotografie behandelt. Die Reiselust der tschechischen Fotografen dokumentieren wiederum anthropologische Studien, die nach Andel "die Ausgrenzung der eigenen Identität und des Fremden" charakterisiert. Eine starke emotionelle Wirkung hat der Ausstellungsteil mit dem Titel "Das Zeugnis der Destruktion". Sein Thema ist der Schrecken des Ersten Weltkrieges, nicht selten von unbekannten Fotografen aufgenommen. Der Rundgang setzt mit dem Kapitel "Der Künstler und der Fotograf" fort, in dem mit den Themen "Der Künstler als Fotograf" - im Falle von Alfons Mucha - und gleichzeitig "Der Fotograf als Künstler" - im Falle von Frantisek Drtikol - die Wechselbeziehungen von Kunst und Fotografie verfolgt werden. Eine besondere Rolle spielte die Fotografie bei der tschechischen Avantgarde. Die Repräsentanten der Künstlergruppe "Devetsil", mit Vitezslav Nezval und Karel Teige an der Spitze, haben aus Fotografien und Bildausschnitten ihre berühmten Kollagen und Bildgedichte zusammen gestellt, um den Aufbruch der modernen Zivilisation zu feiern.

Während Alfons Mucha, Josef Sudek oder Frantisek Drtikol weltberühmt wurden, gab es auch Unbekannte, die sich ebenfalls an der Geschichte der tschechischen Fotografie beteiligt haben. Zu ihnen zählt auch der Wanderfotograf und Daguerrotypist M. V. Lobethal. Sein Selbstportrait aus dem Jahre 1846 blickt vom Plakat sowie von allen Werbebroschüren der Ausstellung. Nach dem Exponat selbst würde man in den Sälen des Rudolfinums jedoch vergeblich Ausschau halten. Denn die kostbare Fotografie ist zu wertvoll und zu empfindlich, als dass man sie ausstellen dürfte. Interessant ist die Geschichte, die Jaroslav Andel über den wandernden Daguerrotypisten Lobethal erzählt:

"Wir wissen von ihm nur das, was er in seinem Flugblatt annonciert hatte: Dass er aus dem polnischen Breslau nach Böhmen gekommen ist und dass er in Prag und Teplice gewirkt hat. Diese Fotografie stellt gleichzeitig das erste erhaltene Selbstportrait innerhalb Böhmens dar. Und sie weist eine besondere Geschichte auf: Das Selbstportrait Lobethals wurde 1960 bei der Demontage der Kettenbrücke im Prager Stadtteil Podoli gefunden. Es war gemeinsam mit anderen zeitgenössischen Gegenständen in einem Kästchen aufbewahrt worden. Dabei ist jedoch interessant, dass dieses Selbstportrait im Verzeichnis der Gegenstände nicht aufgelistet war. Das heißt, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit heimlich von irgendjemandem - oder sogar vom Fotografen selbst - hineingelegt wurde."

Die Geschichten, die innerhalb der Ausstellung über die tschechische Fotografie erzählt werden, besitzen allesamt eine magische Botschaft. Gleichzeitig stellen sie eine Hommage an alle Menschen dar, die mit ihren unermüdlichen Fotoexperimenten zur Entwicklung der Fotografie beigetragen haben.

Weitere Informationen zur Ausstellung sowie zu ihrem umfangreichen Begleitprogramm findet man unter www.galerierudolfinum.cz.