Die Schlacht von Lipany 1434

Die Schlacht von Lipany, 1434

Vor 570 Jahren, am 30.Mai 1434, fand ca. 30 Kilometer östlich von Prag, beim Dorf Lipany eine Schlacht statt. Für diejenigen, die in der Geschichte der Böhmischen Länder im 15. Jahrhundert nicht so bewandert sind, mag es überraschend sein, dass damals Tschechen gegen Tschechen kämpften. Der Anlass dieser Schlacht waren von daher weder nationale Gründe noch waren es Erbfolgestreitigkeiten oder Grenzprobleme - nein, damals standen sich gemäßigte und radikale Hussiten gegenüber, die wegen ihrer Glaubensüberzeugung ins Feld gezogen waren. Der Prager Dichter Johannes Urzidil bezeichnete die Schlacht bei Lipany als "hussitisches Harakiri". Im heutigen Neudeutsch könnte man sie wohl als Schlacht zwischen Realos und Fundis bezeichnen.

Die Schlacht von Lipany,  1434
Auf dem Prager Messegelände steht ein von außen unscheinbar aussehender Pavillon. In ihm befindet sich ein nationaler Schatz: ein 11 Meter hohes und sage und schreibe 90 Meter langes Panoramabild der Schlacht von Lipany. Gemalt hat das Bild 1898 innerhalb von nur 127 Tagen Ludek Marold anlässlich der damals in Prag stattfindenden Architekturausstellung. Es war die Sensation der Ausstellung! Äußerst realistisch hatten Marold und seine Helfer jene Hussitenschlacht dargestellt, die Wirkung wurde unterstrichen durch die fließenden Übergänge von Gemälde und Terrain.

"Wir steigen die Treppen hinauf und befinden uns mitten drin, in der Schlacht von Lipany. Um uns herum wird gekämpft, gestritten, geschrieen, die Pferde Wiehern, man scheint es richtig zu hören. Genau vor uns scheint die Schlacht am wildesten einherzugehen. Aus der Menge der kämpfenden Ritter ragt einer hervor, der stolz auf einem Pferd sitzt, man möchte sagen noch. Das ist Prokop Holy, der Anführer der Waisen, die diese Schlacht verlieren sollten. Ein Stückchen weiter sieht man die Herren, die die Schlacht gewonnen haben. Hinter ihnen brennt ein Dorf. Sie sitzen ebenfalls auf Pferden, um sie herum wir gekämpft. Am Boden liegen Pferde blutend und Menschen. Ein Stückchen weiter sitzt ein Jüngling auf einem Pferd, dies ist Jiri z Podebrad, der zukünftige böhmische König, der auch an dieser Schlacht teilgenommen hat. Weiter hinten sieht man die Landschaft, man sieht Dörfer brennen, man sieht Menschen fliehen, Pferde rennen und vor uns, dreidimensional liegen Steine, Helme, Hellebarden. Die Waisen kämpften vor allem Dingen mit Planwagen. Sie bauten eine Wagenburg auf und so sehen wir hier auch die Wagen, zerstört und im Hintergrund - gemalt - brennend. Stolz zu Pferd, immer wieder leicht zuerkennen, die Anführer."

Die Schlacht von Lipany,  1434
So sah es also aus, auf dem Schlachtfeld von Lipany, auf dem 18.000 radikale Hussiten 26.000 gemäßigten gegenüberstanden. Gesiegt haben damals die gemäßigten Hussiten mit ihren Verbündeten. Doch wie war es zu jener Schlacht zwischen Tschechen gekommen? Nun, dazu müssen wir einen Blick auf die komplizierte Vorgeschichte der hussitischen Kriege werfen.

Nach der Verbrennung des Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil am 6. Juli 1415 begann es in den Böhmischen Ländern zu brodeln. Bereits einige Jahre lang hatte die Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen und dem Sittenverfall in der Kirche zugenommen. Die Existenz zweier oder gar dreier Päpste gleichzeitig, die sinkende Moral und Pestepidemien hatten ein Gefühl des nahenden Weltuntergangs entstehen lassen. Der Märtyrertod des Jan Hus brachte nun das Fass der Unzufriedenheit mit den kirchlichen Missständen und Zuständen im Lande zum Überlaufen - man suchte eine Rettung und sah diese in der strikten Befolgung der Worte Gottes.

1419 brach mit dem ersten Prager Fenstersturz die Hussitische Revolution aus. Wie es bei Revolutionen sooft der Fall ist, kam es auch in den Böhmischen Ländern zu einer Spaltung der revolutionären Bewegung in einen gemäßigten und einen radikalen Teil.

Sigismund von Luxemburg,  deutscher Kaiser und König,  König von Ungarn,  Böhmen und der Lombardei
Zu den Gemäßigten zählten vor allem der Adel und die Prager Gelehrten und Universitätsprofessoren, die Jan Hus persönlich gekannt hatten. Diese wollten im Grunde genommen nichts weiter als das Recht, ihren Glauben so auszuüben, wie sie es für richtig hielten. Falls es nicht gelingen sollte, die gesamte Kirche zu reformieren, sollte die hussitische Kirche eine Art Autonomiestellung innerhalb der römisch-katholischen erhalten. Und dieses wollten die Gemäßigten mit Verhandlungen erreichen. Soziale Forderungen und eine Veränderung des Gesellschaftssystems, für die die Radikalen plädierten, lehnten sie ab.

Dem radikalen Flügel gehörten vor allem einfache Leute und Landbewohner an. Er spaltete sich in zwei Hauptrichtungen, die Taboriten und die so genannten Waisen. Letztere waren so von ihrem Programm überzeugt, dass sie dieses auch mit Gewalt durchsetzen wollten. Die Taboriten wurden nach der Stadt Tabor benannt, die sie 1420 gegründet hatten. Hier versuchten sie ein Leben nach göttlichem Gesetz. Das Leben in Tabor glich einer Kommune, in der es kein Privateigentum gab, keine gesellschaftliche Unterschiede der Mitglieder und das Wort Gottes das höchste Gesetz war.

Verbrennung des Kirchenreformators Jan Hus,  6. Juli 1415
Angesichts der Bedrohung von Außen - sprich der römisch-katholischen Kirche und dem deutschen Kaiser Sigismund, der Kreuzzüge gegen das ketzerische Böhmen unternahm, vereinigten sich die verschiedenen Strömungen zeitweilig. Man einigte sich sogar auf vier Hauptforderungen, die so genannten Prager Artikel:

Die Darreichung des Abendmahls in beiderlei Gestalt für die gesamte Gemeinde. Damit sollte die Gleichheit aller vor Gott betont werden. Der Kelch wurde zum Symbol der Hussitenbewegung.

Die Hussiten forderten das Verbot und die Bestrafung aller Todsünden. Damit traten sie vehement gegen die damals in der katholischen Kirche üblichen Ablasszahlungen auf.

Die dritte Forderung beinhaltete das Recht auf freie Predigt und dieses auch in anderen Sprachen als dem bis dahin üblichen Latein. Damit sicherten sich die Hussiten die Freie Verbreitung ihrer Grundsätze und Überzeugungen.

Und viertens forderten die Hussiten schließlich die Armut der Priester. Konkret ausgedrückt bedeutete dies, dass Geistliche auf jegliches Eigentum verzichten sollten und sich zudem von weltlichen Dingen, wie der Politik, fernhalten sollten.

Für die Erfüllung dieser Forderungen zogen die Hussiten in den Krieg. Doch je länger die kriegerischen Auseinandersetzungen dauerten, desto mehr bröckelte die Einheit - nach über zehn Jahren Krieg begann man, sich nach Frieden und ruhigeren Zeiten zu sehnen - und war zu Verhandlungen bereit.

Bild 'Der Tod von Jan Zizka'  (Josef Manes)
So trafen sich 1433 Anhänger aller hussitischen Richtungen mit Vertretern der katholischen Kirche auf dem Konzil zu Basel - tage-, wochen-, monatelang wurde verhandelt - keine der Seiten war zum Nachgeben bereit. Die Hussiten forderten, dass ihre vier Artikel - die Kelchkommunion, die Freiheit der Predigt, die Armut der Priester und die Bestrafung der Sünden - alle Bewohner des Königreiches Böhmen annehmen sollten, also auch die Katholiken. Das war für diese natürlich unannehmbar. Die Verhandlungen gingen weiter. Und in dieser Situation der unendlichen Verhandlungen und des Wunsches nach Frieden kam es am 30. Mai 1434 zur Schlacht von Lipany.

In jener, auf dem Panoramabild von 1898 so realistisch dargestellten Schlacht siegten damals die gemäßigten Hussiten mit ihren Verbündeten, den katholischen Herren. In der Schlacht fielen nicht nur 100e Anhänger der radikalen Richtung, sondern auch deren Anführer. Das bedeutete ihr Ende. Damit war der Weg frei für Verhandlungen und eine Kompromisslösung, die den Böhmischen Ländern nach über 15 Jahren endlich wieder Frieden bringen sollte.

Nach weiteren Verhandlungen einigte man sich 1436 in Basel auf einen Kompromiss: die vier Prager Forderungen wurden anerkannt, aber von der katholischen Kirche mit Zusätzen und Einschränkungen versehen. Die Kelchkommunion wurde in den Böhmischen Ländern von Rom geduldet, die durchgeführten Kirchenenteignungen anerkannt. Die Katholische Kirche hatte in den Böhmischen Ländern an Einfluss und Macht verloren, Adelige und Städte wiederum hatten sich am ehemaligen Kircheneigentum bereichert. 1436 konnte Kaiser Sigismund, ein Sohn Karls IV., endlich zum böhmischen König gekrönt werden, doch auf Frieden und ruhige Zeiten mussten die Bewohner der Böhmischen Länder noch lange warten.