Regierungskrise: Spidla vor dem Aus?
Nach den ersten innenpolitischen Erschütterungen, scheint jetzt ein wahres Beben auszubrechen. Kaum ist Premier Vladimir Spidla nach Brüssel zum EU-Gipfel abgereist, schließt sich die Front bei seinen sozialdemokratischen Genossen, die seinen Rücktritt als Parteivorsitzender verlangen. Der Grund: Das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei den EU-Wahlen vor einer Woche. Neu ist am Freitag, dass Spidlas Stellvertreter und Tschechiens Innenminister Stanislav Gross öffentlich und laut über die Nachfolge an der Parteispitze nachdenkt:
"Sicherlich werde ich nicht davonlaufen. Aber ich weiß gegenwärtig natürlich auch nicht so recht, in welcher Lage ich mich befinde. Der Mensch muss auch eine gewisse Demut zeigen. Es geht hier nicht um Meinungen, die in irgendwelchen Umfragen gesammelt werden. Hier geht es darum, wie sich der Parteivorstand dazu äußert. Das ist die einzige Autorität, und die werden alle respektieren müssen."
Spidla, der noch am Freitag aus Brüssel zurück in Tschechien erwartet wird, landet in einer offenen Krise. Eine Krise, die nicht nur die seit langem zerrütteten Sozialdemokraten tief spaltet. Sondern eine, die auch an der Regierungskoalition der Sozial- und Christdemokraten sowie der Freiheitsunion heftig zerrt. Die Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" titelt "Die Spaltung der Sozialdemokraten gefährdet die Regierung". Und das Konkurrenzblatt "Lidové Noviny" hat im Aufmacher schon die Lösung parat - der Titel: "Die Kommunisten wollen gemeinsam mit den Sozialdemokraten regieren." Eine Minderheitsregierung mit stiller Unterstützung der Kommunistischen Partei. Laut Blatt steht eine Gruppe Sozialdemokraten um Gross bereits in Verhandlung mit den Kommunisten. Diese hatten bei den EU-Wahlen mit 20 Prozent ihr stärkstes Ergebnis seit der politischen Wende von 1989 erzielt. Jetzt sucht die Oppositionspartei den europäischen Aufwind innenpolitisch in Macht umzumünzen. Pavel Kovácik, Chef der kommunistischen Abgeordneten:"Wir sind bereit über die Möglichkeiten zur Bewältigung dieser Krise zu verhandeln. Wir wollen keine vorgezogenen Neuwahlen, wir reichen einfach nur unsere Hand um zu verhandeln."
Keine Neuwahlen, das Ausscheiden der Christdemokraten und der Freiheitsunion aus der Koalitionsregierung, und - auch das hat der Freitag Neues gebracht - Spidla müsste seinen Stuhl als Premierminister räumen. Viel hängt gegenwärtig von den Gesprächen im Parteivorstand ab, die Spidla am Wochenende erwarten. Doch schon jetzt häufen sich Spekulationen über ein Szenario nach Spidla. Nach Angaben der "Mlada fronta Dnes" würde Präsident Václav Klaus nach einem Rücktritt Spidlas Stanislav Gross mit der Regierungsbildung beauftragen. Einige Sozialdemokraten fürchten jedoch, dass Klaus auch Ex-Premier Milos Zeman aus seiner selbst verordneten Polit-Rente zurückholen könnte. Jedoch längst nicht alle malen die kommenden Tage Spidlas so schwarz. Der Sozialdemokrat Michal Kraus meint die Regierung benötige die Hilfe der Opposition nicht:
"Sollte es wirklich einen Rücktritt geben, glaube ich, dass eine Minderheitenregierung mit stiller Unterstützung der erste Ausgangspunkt wäre. Alles andere hängt von weiteren Verhandlungen ab, die aber gegenwärtig noch zu früh sind."