Kabinett Gross übersteht das Misstrauensvotum
Das Ergebnis des Misstrauensvotums, in das die seit mehreren Wochen andauernde Regierungskrise in der Tschechischen Republik am Freitag gipfelte, ist Ihnen aus unseren Nachrichten bereits bekannt. Das Kabinett von Stanislav Gross hat es politisch überlebt. Markéta Kachlíková fasst die Parlamentsdebatte zusammen, die der Abstimmung vorausging.
"Weil Stanislav Gross um sich selbst fürchtet. Weil er in ein Stadium gelangt ist, in dem er bereit ist, für die Behauptung seiner Macht alles zu opfern, die Bürger der Tschechischen Republik, den Ruf der Tschechischen Republik und sogar das Schicksal seiner eigenen Partei eingeschlossen."
Der Parteichef der Kommunisten, Miroslav Grebenícek, hat in seiner Ansprache die Regierung scharf kritisiert. Er wandte sich mit scharfen Worten an die Adresse der Minister:
"Wenn Sie politisch überleben und in der Regierung weiter arbeiten wollen, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihre Arbeit unerbittlich kontrollieren werden. Ihr bisheriges Leben in einer ausgehandelten Koalition war einfach, ohne der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen zu müssen und ohne von eigenen Abgeordneten kritisch beurteilt zu werden."
Die liberale Freiheitsunion, d.h. der kleinste Partner in der bisherigen Regierungskoalition, sagte dem Kabinett ihre Unterstützung zu.Mit einer etwa halbstündigen Rede trat Premier Stanislav Gross vor die Abgeordneten. Die Regierung will trotz des Rückzugs der Christdemokraten auf ihr Programm nicht verzichten, betonte Gross. Die Tätigkeit der Regierung solle auf Grund von wahren Fakten beurteilt werden, unterstrich er. Das steigende Wirtschaftswachstum, der gestiegene Export, die Senkung der Inflation, der Stopp einer weiteren Verschuldung durch die Regierung - das waren nur einige der Erfolge, die Stanislav Gross hervorhob. Bezüglich der weiteren politischen Entwicklung und des Schicksals seiner Regierung deutete er ein Entgegenkommen gegenüber den Kommunisten an:
"Ich will sagen, dass ich mich vor keinem scheue, der ein ehrliches Mandat in den freien Wahlen erhalten hat. Ich will diese politische Kraft nicht ignorieren, obwohl jeder seine Grenzen hat, bis er zu denen geht, um seinen Auftrag ausüben zu können. Auch ich habe diese Grenzen. Es ist wohl gut, dass die Verfassung dem Regierungsvorsitzenden ein Recht gibt, und zwar jederzeit die Demission einreichen zu können. Diese Situation ist im Moment bei weitem nicht entstanden."
Der christdemokratische Parteichef Miroslav Kalousek forderte den Ministerpräsidenten zum Rücktritt auf - die Regierung Gross habe mit einer Unterstützung von 101 Abgeordneten ihre Tätigkeit aufgenommen, die ihr nach dem Ausscheiden der Christdemokraten aus der Koalition nicht mehr zur Verfügung stünden. Er reagierte auch auf die Rede von Stanislav Gross und identifizierte sich mit dessen Lob über die Erfolge der Koalitionsregierung:"Ja, es ist wahr. Diese Koalition kann sich mit großen Erfolgen rühmen, mit einem riesigen Wert, der den Bürgern der Tschechischen Republik zu Gute gekommen ist. Dies sagte der Premier, und ich bin damit einverstanden. Sollte es wahr sein, dann frage ich, warum der Herr Premier diesen so riesigen Wert auf dem Altar seiner eigenen Funktion opfert? Warum nimmt er diesen Wert als Geisel? Es ist einfach unfair, das Schicksal der Tschechischen Republik als Geisel der eigenen Probleme zu nehmen."