Ad fontes: Tschechisch-deutsche Begegnung an den Quellen

Sprachen lernen, sich mit der Kultur des Nachbarn vertraut machen, demokratische Institutionen kennen lernen, Kontakte knüpfen. Das sind üblicherweise die wichtigsten Schwerpunkte von grenzüberschreitenden Jugendprojekten oder Weiterbildungsprogrammen. Die Ferienschule Lipnice hat auf dem Gebiet der tschechisch-deutschen Beziehungspflege jedoch ein etwas anderes Angebot parat: Den Kurs "Ad fontes", also etwa "Zu den Quellen". Dabei handelt es sich um eine etwa zweiwöchige Veranstaltung im tschechisch-deutschen Grenzgebiet, die den interkulturellen Dialog aus den Seminarräumen hinausbringt in die freie Natur, mitten hinein in die Landschaft, auf den eigentlichen Boden der gemeinsamen Geschichte. Unterstützt wird das Projekt vom Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds. Gerald Schubert hat mit Kursleiter Jakub Dobal gesprochen, und mit Pavla Kluzáková, die als ehemalige Teilnehmerin erzählen kann, wie es denn so war "an den Quellen".

Jakub, was ist Ad fontes?

J. D. "Ad fontes ist ein Kurs, der von der Ferienschule Lipnice veranstaltet wird. Das ist ein Verein, der sich auf die Entfaltung der Persönlichkeit konzentriert, auf Kurse in der freien Natur, auf Erlebnispädagogik usw. Ad fontes richtet sich an Tschechen und an Deutsche. Es geht dabei auch um das Aufeinandertreffen beider Kulturen, die hierzulande bereits seit Jahrhunderten gemeinsam existieren. Sie waren nur zuletzt durch den Eisernen Vorhang getrennt. Mit unserem intensiven Kursprogramm wollen wir dabei helfen, diesen Vorhang niederzureißen."

Dabei müsst ihr sicher auch das Sprachproblem bewältigen. Wie läuft so ein Kurs ab? Wird da Deutsch und Tschechisch gesprochen?

Pavla Kluzáková
J. D. "Ja, es werden beide Sprachen gesprochen. Ursprünglich wollten wir den Kurs nur auf Tschechisch abhalten und uns damit vor allem an Deutsche richten, die Tschechisch lernen. Schließlich sind wir aber von dieser Idee abgekommen. Wir haben uns gesagt: Im Gegenteil! Es ist besser, wenn sich dieses Aufeinandertreffen zweier Kulturen auch auf der sprachlichen Ebene vollzieht."

Pavla, du hast diesen Kurs einmal mitgemacht. Wie war denn das? Welche Schwerpunkte gab es da?

P. K. "Zunächst habe ich nicht sehr viel darüber gewusst. Ich bin damals gerade aus Deutschland zurückgekommen und wollte noch eine gewisse Übergangsphase erleben. Eine Phase, die sozusagen halb deutsch und halb tschechisch ist. Zunächst war ich ein bisschen enttäuscht, weil es dort viel weniger Deutsche als Tschechen gab. Aber trotzdem war der Kurs dann sehr gut. Zu Beginn haben wir einander überhaupt nicht gekannt, jeder ist alleine gekommen. Und am Ende hatten wir dann eine tolle, gemischte Clique. Wir haben viel darüber erfahren, wo unsere Wurzeln sind, und auch viel über die Geschichte der Menschen im Sudetenland, also konkret in der Umgebung von Slavonice."

Was genau muss man sich jetzt darunter vorstellen? Jakub hat gesagt, es geht um Erlebnispädagogik. Wie lief das ab?

P. K. "Es gab sehr viele verschiedene Aktivitäten, wirklich ein volles Programm. Einmal sollten wir zum Beispiel nachempfinden, wie sich wohl die Leute gefühlt haben, die plötzlich aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Wir durften nur ganz wenige Sachen mitnehmen und mussten in der Nacht Richtung Österreich gehen. 'Grenzübergänge' hieß dieses Spiel. Dabei haben wir auch einige alte deutsche Dörfer gesehen, die heute nur noch aus Ruinen bestehen. Wir haben darüber gesprochen, was wir alles mitnehmen würden, alte Fotos und dergleichen, und darüber, was man alles verliert, wenn man aus der Heimat weg muss. Einmal mussten wir auch für zwei Tage ohne Geld und ohne Handys in eine andere Stadt gehen und uns dort eine Möglichkeit zum Übernachten und etwas zum Essen beschaffen."

Wie lange gibt es das Projekt Ad fontes schon?

J. D. "Der Kurs entstand erst voriges Jahr, da hatten wir unsere Premiere. Und diesen Sommer gibt es den zweiten Jahrgang, den wir jetzt gerade vorbereiten."

Wie viele Leute waren denn voriges Mal insgesamt dabei?

J. D. "Es gab 23 Teilnehmer. Davon kamen vier aus Deutschland, der Rest kam aus Tschechien und der Slowakei."

Du hast vorher gesagt, Ad fontes ist nur ein Projekt von vielen, die die Ferienschule Lipnice veranstaltet. Was macht ihr denn dort sonst?

J. D. "Die Ferienschule Lipnice ist ein Verein, in dem Freiwillige als Kursleiter tätig sind. Ad fontes ist eben einer dieser Kurse. Andere richten sich etwa an Eltern mit Kindern, an Schüler oder an Studenten. Ad fontes ist etwas für Studenten, aber auch für berufstätige Erwachsene."

Wie ist Ad fontes entstanden?

nach dem Krieg seine beiden Kinder großgezogen. Dank der Gespräche mit ihr habe ich mich der Thematik der tschechisch-deutschen Beziehungen hierzulande angenähert. Ich denke, das ist ein ganz interessanter Aspekt."

Pavla, wir wissen bereits, was du mit der Ferienschule Lipnice und dem Kurs Ad fontes zu tun hast. Worauf beruht denn sonst deine Beziehung zur deutschen Sprache, und was machst du momentan beruflich?

P. K. "Ich habe zwei Jahre in Deutschland gearbeitet, ein Jahr lang habe ich auch in der Schweiz gelebt. Jetzt arbeite ich in der Personalabteilung einer großen Firma. Die Mutterfirma ist in Deutschland."


Der Kurs Ad fontes findet dieses Jahr von 1. - 13. August statt, er richtet sich an alle Interessierten, die älter als 18 Jahre sind. Preis: 310 Euro, für Studenten 299 Euro. Wer mehr erfahren möchte, kann sich im Internet informieren, und zwar unter www.psl.cz/adfontes