Lokal oder international - Jugendliche engagieren sich überall
Im deutsch-tschechischen Jugendforum engagieren sich 40 junge Tschechen und Deutsche für die Verbesserung der bilateralen Beziehungen. In den letzten zwei Jahren haben sie viele Projekte in unterschiedlichen Bereichen durchgeführt. Am vergangenen Montag haben sie die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt, denn nach zwei Jahren endet ihre Amtszeit im Jugendforum. Bára Procházková hat mit den Jugendlichen gesprochen.
Die jungen Tschechen und Deutschen betonen die Wichtigkeit der guten Beziehungen vor allem dort, wo die beiden Kulturen täglich miteinander konfrontiert werden: im tschechisch-deutschen Grenzraum. Die Arbeitsgruppe "Politik" hat über 1100 Bürgermeister von Städten im Grenzgebiet angeschrieben, um herauszufinden, wie die Zusammenarbeit mit den Nachbarn aussieht, die teilweise nur einige wenige Kilometer entfernt leben. Der Politikstudent aus Regensburg, Benjamin Zeitler, fasst die Ergebnisse zusammen:
"Wir haben festgestellt, dass es schon gute Vorsätze und Anzeichen sowie weit reichende Kontakte gibt. Aber 50 Prozent der Bürgermeister gaben als Antwort, dass es noch gar keinen Kontakt zum Nachbarland oder zu Kommunen im Nachbarland gibt."Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am leichtesten im Sportbereich, zwischen Feuerwehrvereinen sowie Schulen herzustellen ist und teilweise sehr gut funktioniert. Nicht überall kann man aber mit der Situation zufrieden sein, fasst Benjamin Zeitler zusammen:
"Das Hauptproblem ist die Sprache, da waren sich die deutschen und die tschechischen Bürgermeister einig. Es ist vor allem ein Problem auf deutscher Seite, weil die Deutschen natürlich weniger Tschechisch sprechen als es umgekehrt der Fall ist. Selbstverständlich verhindert bzw. erschwert das solche Kontakte. Des Weiteren wurden auch finanzielle Probleme genannt. Es ging hauptsächlich um die Ausstattung und um personelle und organisatorische Fragen, etwa wie die Kontaktaufnahme zu organisieren sei. Das waren also die Hauptprobleme, die des Öfteren genannt wurden."
Die Mitglieder des Jugendforums haben gerade die Sprache zum Schwerpunkt eines weiteren Projektes gemacht. Sie haben in allen deutschen Gemeinden, die bis zu 20 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt sind, nachgefragt, ob es dort eine zweisprachige Beschilderung von touristischen Zielen gibt. Denn die jungen Menschen sind davon überzeugt, dass die Beschilderung auch in der Sprache des Nachbarn nicht nur die jeweiligen Sehenswürdigkeiten, sondern auch die Kulturen gegenseitig verständlicher macht. Die Doktorandin aus München, Iljana Miethe, beschreibt den Hintergedanken dabei:"Die Grundlage des Projekts ist die Gegenseitigkeit. In den meisten grenznahen Gemeinden in der Tschechischen Republik ist die bilinguale Beschilderung schon vorhanden, auf deutscher Seite eben nicht. Das ist ein Ungleichgewicht, was auch die Verständigung zwischen den Leuten auf beiden Seiten schwieriger macht. Es ist immer so, dass erwartet wird, dass die Tschechen Deutsch sprechen und Deutsch verstehen, die Deutschen hingegen kein Tschechisch können."
Die Ergebnisse überraschen nicht, so Iljana Miethe: In den meisten Fällen fehlt die zweisprachige Beschilderung. Die Arbeitsgruppe "Kultur" formulierte deshalb Ratschläge an die Bürgermeister der Gemeinden, um die Situation zu verbessern. Wie die Reaktion der angesprochenen Politiker war, erzählt der frische Abiturient aus Prachatitz / Prachatice, Vaclav Kazda:
"Die Reaktionen waren überwiegend sehr positiv. Die Gemeinden haben unsere Initiative unterstützt und haben sich auch dafür interessiert. Wir denken aber auch, dass das Interesse manchmal sehr formal war."
Die 20 tschechischen und 20 deutschen Jugendlichen wollen sich auch verstärkt für andere Jugendliche einsetzen und ihnen bei der Orientierung helfen. Dies beweist eine ganze Reihe von bereits abgeschlossenen Projekten zum Thema "Jugendmobilität". Der erste Jahrgang des Jugendforums, das alle zwei Jahre neu besetzt wird, hat in den Jahren 2001 bis 2003 eine umfangreiche Studie über Probleme im Jugendaustausch zwischen Tschechien und Deutschland verfasst. Die Arbeitgruppe "Jugend" hat an diese Studie angeknüpft und im Hinblick auf den EU-Beitritt Tschechiens eine Aktualisierung vorgenommen. Viele Komplikationen wurden durch diesen politischen Schritt beseitigt, sagt Andreas Müller, manche Probleme sind jedoch noch präsent:
"Bisher zeichnet sich schon ein Problem ab: Und zwar besteht nach wie vor eine Visumspflicht für Nicht-EU-Bürger, die eine permanente Aufenthaltsgenehmigung in einem EU-Land haben. Das ergibt dann Probleme bei Kinder- und Jugendfahrten, wenn Kinder von solchen Nicht-EU-Bürgern gerne an Klassen- oder Schulfahrten teilnehmen möchten, die ins Ausland gehen. Für solche Fahrten müssen dann Visa beantragt werden, was mit nicht unerheblichen Kosten und mit einigem Aufwand verbunden ist."
Die Mitglieder des Jugendforums haben persönlich die Erfahrung gemacht, dass der internationale Austausch für jeden Einzelnen von großer Bedeutung ist. Diese Erfahrung wollen sie auch anderen vermitteln. Deshalb sind sie von Schule zu Schule gefahren und haben über die Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten informiert. Zu diesem Zweck haben sie die Broschüre "Information über das Studium in Deutschland" nicht nur verteilt, sondern auch selber verfasst. Neben nützlichen Informationen wollten sie auch praktische Tipps aus dem Leben vermitteln, denn manchmal sind diese goldwert, erklärt die Verfasserin der Broschüre, Alena Felcmanova. Wie die Informationsreihe an den tschechischen Schulen verlaufen ist, erzählt der Student aus Prag, Jan Zajic:
"Die Schüler waren vor allem daran interessiert, wie es mit der Finanzierung des Studiums aussieht - also an Stipendien. Des Weiteren hat sie interessiert, wie es am Ende des Studiums mit der Anerkennung der Leistungen in Tschechien ist. Die Schüler waren oft auch recht schüchtern und wussten nicht, welche Gründe es dafür geben könnte, im Ausland zu Studieren. Es waren vor allem die Informationen, die vorher gefehlt haben, und weniger das Interesse."
Tschechisch-deutsche Beziehungen und schulische Bildung boten den Rahmen für ein weiteres Projekt des Jugendforums. Die Jugendlichen wollten herausfinden, wie die bilateralen Beziehungen in den Geschichtslehrbüchern in Tschechien, Sachsen und Bayern dargestellt werden, erklärt der Initiator des Projektes, Ondrej Spacek, der in Berlin und in Prag studiert. Die Untersuchung verlief in zwei Etappen: Zuerst wurden die Lehrbücher auf ihre Inhalte untersucht, dann haben Geschichtslehrer in beiden Staaten einen Fragebogen ausgefüllt. So sollte ein abgerundetes Bild über den Geschichtsunterricht dargestellt werden. Ondrej Spacek war von den Ergebnissen überrascht:
"Erstens von der Tatsache, dass in Tschechien im Unterricht immer noch sehr wenig mit dem Internet gearbeitet wird. Die zweite überraschende Sache ist, dass in Deutschland fast kein Kartenmaterial benutzt wird, beziehungsweise kein externes Kartenmaterial. Viele Karten und kleinere Kärtchen werden in den Schulbüchern präsentiert, aber sehr wenige aus den Schulatlanten. Es werden auch wenige Wandkarten benutzt."
Vor einem Jahr wurden die bilateralen Beziehungen um die europäische Dimension erweitert. Die Arbeitsgruppe "Politik" war sich der neuen Herausforderungen bewusst und befragte einige EU-Parlamentarier zu ihren Kontakten mit den Kollegen aus dem jeweils anderen Land. Die Befragung verlief in zwei Etappen: Zur Zeit des EU-Beitritts Tschechiens und ein Jahr danach. Die Auswertung der Ergebnisse stellt verschiedene Entwicklungen in der gegenseitigen Wahrnehmung der EU-Abgeordneten dar. Eine davon beschreibt Lena May, Studentin aus Konstanz:"Eine Frage haben wir wieder gestellt, und zwar im Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Wir haben bereits vor einem Jahr gefragt, ob man die Übergangsfristen verkürzen sollte oder ob sie als positiv empfunden werden. Damals kam auf beiden Seiten eine relativ klare Antwort. Nämlich, dass man versteht, dass diese Übergangsfristen einfach sein müssen, dass man also versteht, warum sie eingeführt wurden. Dieses Jahr haben die tschechischen Abgeordneten ganz klar geantwortet, dass sie wollen, dass diese Übergangsfristen so schnell wie möglich abgeschafft werden. Auf der deutschen Seite war die Ansicht darüber, ob die Frist schon früher als in sieben Jahren abgeschafft werden soll oder nicht, fifty-fifty."
Mit der Vorstellung dieser Projekte ist die zweijährige Amtszeit für die 40 Jugendlichen zu Ende gegangen, im Herbst wird jedoch die Idee weiter getragen. Bis Mitte September können sich Jugendliche aus beiden Ländern um die Mitgliedschaft bewerben, dann haben sie wieder zwei Jahre Zeit, neue Projekte auszudenken und durchzuführen. Die Vize-Sprecherin auf tschechischer Seite, Lucie Koutova, formuliert die Aufgabe des Deutsch-tschechischen Jugendforums im Allgemeinen:
"Die Zukunft des Jugendforums sehe ich darin, dass sich die Jugendlichen aus beiden Ländern weiter in unterschiedlichen Bereichen einsetzen und ihre Meinung zu politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen äußern. Durch ihre Sprecher, durch ihre Projekte, die in den Medien präsentiert werden, und durch ihre ehrenamtlichen Aktivitäten. Und darin, dass sich die Jugendlichen näher kommen und neue Freunde finden. So dass sie dann in der Zukunft an ihre Freundschaften, die sie während des Studiums und während der Zeit im Jugendforum geknüpft haben, aufbauen können."
Foto: Bara Prochazkova