Česká spořitelna: Erfolgsstory zwischen Prag und Wien
Die Česká spořitelna, also die Böhmische oder Tschechische Sparkasse, gilt in Tschechien als Inbegriff des Bankwesens. Seit fast 200 Jahren wacht sie über das Geld der Tschechen. Vor 20 Jahren wurde sie aber an die österreichische Erste Bank verkauft, was eine Lawine in der Branche hierzulande auslöste. Denn mittlerweile ist kein einziges Geldinstitut mehr in tschechischer Hand.
„Man wollte verhindern, dass die Menschen ihr Geld verschwenden, und ihnen beibringen, für die Zukunft zu sparen. Deswegen nahm man auch kleine und große Einlagen an – in der Größenordnung von 25 Kreuzern bis 100 Gulden. Das war so ungefähr der Wert eines großen Huhns beziehungsweise einer Kuh. Dabei konnten die damaligen Kunden wiederholt Geld dort anlegen. Um sie dazu zu motivieren, gewährte die Sparkasse Zinsen in Höhe von vier Prozent.“
Die Bank folgte dem Beispiel der Wiener Sparkasse, die gut vier Jahre vorher gegründet wurde. Die war damals schon recht erfolgreich, denn dort legten sämtliche k. u. k. Patrizier und Adelige ihre Ersparnisse ab. Um mehr Vertrauen in das neue böhmische Geldhaus zu wecken, übernahm Fürst Karel Chotek die Schirmherrschaft, und das erste Kapital lieferten zahlreiche böhmische Aristokratenhäuser von den Colloredo-Mansfelds bis hin zu den Kinskis. Sogar Kaiser Franz Joseph steuerte 2000 Gulden bei.
Die Prager Bank wurde ein großer Erfolg und lieferte schnell gute Ergebnisse. Das lag auch daran, dass sie in den schwierigen Zeiten nach den Napoleonischen Kriegen ein Stück finanzielle Sicherheit und Perspektive bot. Dazu Pavel Juřík:„Die Staatsfinanzen waren damals erschüttert, was zu einer Bankrottwelle führte. Die Sparkasse sollte das Vertrauen wiederherstellen in die damalige Währung. Dank der großen Nachfrage nach Krediten konnte die Sparkasse ihren Kunden auch einen vierprozentigen Ertrag garantieren. Mit der Zeit reduzierte sie die Zinsen auf drei Prozent, was aber immer noch sehr ordentlich war.“
Wirtschaftswunder durch Banken-Boom
Der Boom kam schließlich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Bilanzsumme der Böhmischen Sparkasse stieg innerhalb der ersten 25 Jahre von 136.000 auf rund 16,7 Millionen Gulden. Statt der armen Land- und Stadtbevölkerung machten jedoch vor allem reiche Städter, Unternehmer und wohlhabende Bauern Gebrauch von den Bankdiensten. Das sorgte für viel Sicherheit, auch wenn Ende der 1840er Jahre die Konkurrenz immer stärker wurde. Denn damals wurden in der Donaumonarchie die ersten Gesetze erlassen, die die Entstehung weiterer Geldhäuser begünstigen. So wurde 1847 hierzulande erst einmal eine deutsche Sparkasse in Aš / Asch gegründet, zehn Jahre später eine böhmische Sparkasse in Plzeň / Pilsen. Darauf folgten noch viele weitere:„Es wurden schnell immer mehr Sparkassen. Die Städte und Unternehmen merkten nämlich, dass sie Kredite brauchten und ihre Mittel vor den Bürgern schützen mussten. Das erhöhte das Interesse an Geldinstituten, und im Jahr 1880 gab es bereits 120 verschiedene Stadt- und Bürgersparkassen.“
Ende des 19. Jahrhunderts waren diese ein fester Bestandteil der österreich-ungarischen Wirtschaft. Und sie hatten bei Arm und Reich einen ausgezeichneten Ruf:„Die Einrichtungen wurden meist sehr verantwortungsvoll geleitet, und es gab eine öffentliche Kontrolle der Mittel. Dennoch gingen einige der Sparkassen Pleite, unter anderem die Svatováclavská záložna in Prag.“
Härteprobe Marktwirtschaft
Die Böhmische Sparkasse oder Česká spořitelna überlebte aber alle Irrungen und Wirrungen der Geschichte. Ob nun in der demokratischen Ersten Republik oder später im Kommunismus – die „Spořka“ – wie sie im Volksmund liebevoll genannt wird – blieb immer ein Garant für eine sichere Finanzanlage. Dann kamen aber die Wende und die „Marktwirtschaft ohne Attribute“. Die Bank häufte Unmengen an faulen Krediten an und wurde für den Staat und die Kommunen als Eigentümer ein Klotz am Bein. Ende der 1990er kam fast der große Krach, und die öffentliche Hand musste reagieren. Jakub Cihlář ist Analytiker bei Next Finance:
„Der Grund für den Schritt waren die wilden 1990er Jahre. Durch die Pleite vieler kleinerer Banken sah sich die Regierung zum Handeln gezwungen. Sie wollte dann mit Milliarden-Finanzspritzen die großen Banken ‚reinigen‘. Das betraf natürlich bei Weitem nicht nur die Česká spořitelna. Auch die Sanierung der Kommerzbank und der Handelsbank und vor allem der Investitions- und Postbank kostete viel Geld. Der positive Effekt dabei war, dass die tschechischen Kreditanstalten die globale Wirtschaftskrise von 2008 gut überstanden haben. Während die anderen Geldinstitute in Europa massiv in Schwierigkeiten gerieten, konnten sich die tschechischen Einrichtungen auf ihre bequemen Kapitalpolster verlassen.“Das hatte aber seinen Preis. Denn damit kamen alle tschechischen Banken unter die Fittiche ihrer heutigen Mutterunternehmen, die allesamt im Ausland sitzen. Bei der Česká spořitelna war es die österreichische Erste Bank, also die Nachfolgerin der ehemaligen Wiener Sparkasse. Dazu Jakub Cihlář:
„Ein Wendepunkt in der Geschichte der Česká spořitelna war ihre Entstaatlichung. Die sozialdemokratische Regierung von Miloš Zeman hatte sich für den Verkauf des 52-prozentigen staatlichen Anteils entschieden. Der entsprechende Vertrag mit der österreichischen Erste Bank wurde schließlich am 1. März 2000 unterzeichnet. Nach einiger Zeit erhöhte die Gruppe aus Wien ihren Anteil auf 98 Prozent, das war im Jahr 2002. Später dann beschloss die Vollversammlung der Česká spořitelna eine Verdrängung der Kleinaktionäre, und die Erste Bank war vollends im Besitz der Tschechischen Sparkasse.“
Stabilität hat ihren Preis
Ein Problem des Verkaufs tschechischer Banken in fremde Hände ist jedoch, dass viel Kapital aus dem Land abfließt. Allein die Česká spořitelna hat im vorvergangenen Jahr knapp zwölf Milliarden Kronen (473 Millionen Euro) an Dividenden in Richtung Wien überwiesen. Die Banken in Tschechien können sich das erlauben, denn sie gehören mit zu den einkommensstärksten in Europa. Das liegt vor allem an den hohen Gebühren, die die Kunden zahlen müssen. Denn auch die sind europaweit Spitze. Der Ökonom Jakub Cihlář sieht das aber eher positiv:„Nicht nur die Erste Bank, sondern auch die anderen ausländischen Banken haben ihren tschechischen Töchtern viel Sicherheit gebracht. Diese bedanken sich wiederum damit, dass sie die verdienststärksten sind innerhalb der jeweiligen Gruppe. Das kommt unter anderem durch die vielkritisierten hohen Gebühren. Mittlerweile ist es aber so, dass durch neue Player auf dem Markt der Preisdruck wächst und es da einen klaren Abwärtstrend gibt. Die hiesigen Banken schicken als Gegenleistung für die ausländischen Investitionen natürlich Dividenden. Aber es ist nicht so, dass die Zentralen hier nur Gewinne abschöpfen. Denn für sie lohnt es sich auch, in Tschechien zu investieren. Und die tschechischen Banken sind deshalb langfristig gut in Form und krisenresistent.“
Die Česká spořitelna ist heutzutage weiterhin die größte Bank in Tschechien. Sie hat landesweit fast 500 Filialen und betreut ganze 4,6 Millionen Kunden.