Tschechischer Arzt forscht mit an Covid-19-Arznei

Foto: ČTK/AP/Lee Jong-chul

Der Coronavirus breitet sich in Europa immer weiter aus. In Italien hat Covid-19 bereits mehrere Tote gefordert. Am Dienstag wurden erste Ansteckungen aus Kroatien, Österreich und der Schweiz gemeldet. Deshalb befürchtet man jetzt ebenso in Tschechien das Schlimmste. Derweil ist ein tschechischer Arzt daran beteiligt, ein wirksames Serum gegen den Virus zu entwickeln.

Foto: ČTK/AP/Antonio Calanni

Die amerikanische Pharmaziefirma Gilead Sciences aus San Francisco hat ein neuartiges antivirales Medikament entwickelt, das nun auch gegen den Coronavirus helfen soll. Es heißt Remdesivir (Entwicklungscode GS-5734) und wurde bereits mit Erfolg während der Ebola-Epidemien in Afrika getestet. Bei klinischen Tests an mit dem Ebolavirus infizierten Affen konnte durch die intravenöse Gabe des Wirkstoffs in sechs von sechs Fällen die Replikation des Virus unterdrückt werden. Laborchemische und klinische Krankheitszeichen gingen zurück und es kam zu keinem tödlichen Verlauf der Erkrankung. An der Entwicklung von Remdesivir ist auch der Vizepräsident der Arzneifirma, der Tscheche Tomáš Cihlář, beteiligt. Vor einer Woche hat der Tschechische Rundfunk mit dem Biochemiker gesprochen.

Cihlář informierte zunächst über die Aktivitäten seiner Firma im Kampf gegen den Coronavirus.

Tomáš Cihlář  (Foto: ČT24)
„Direkt in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, führen wir zwei klinische Tests durch. Den ersten haben wir vor zirka 14 Tagen begonnen. Er ist darauf ausgerichtet, das Medikament bei Patienten zu testen, die bereits in einem kritischen Zustand sind. Also bei Erkrankten mit einer ernsthaften Infektion, die eine Atemhilfe benötigen oder eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut haben. Diese Studie umfasst bislang 130 bis 140 Patienten. Unser Ziel ist, bis zu 400 Patienten mit kritischem Zustand zu testen.“

Und Cihlář setzte fort:

„Die zweite Testreihe haben wir etwas später begonnen, und zwar in der vergangenen Woche. Dazu mussten wir eine zweite Dosis von Remdesivir nach China bringen. Im Gegensatz zur ersten Studie setzen wir das Mittel bei Patienten ein, die einen etwas günstigeren Verlauf der Krankheit haben. Das sind Menschen, die infolge der Virusinfektion an einer Lungenentzündung leiden, aber keine mechanische Atemhilfe brauchen. Die Tests dazu sind etwas langsamer angelaufen. Nach meinen Erkenntnissen haben wir erst einige Dutzend Patienten für unsere Versuche gewonnen.“

Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erläuterte Cihlář ebenso, wie die Behandlung erfolgt:

„Die Patienten erhalten täglich eine Infusion, für die wir 30 Minuten brauchen. Die Behandlung dauert insgesamt zehn Tage und wir hoffen, dass wir während dieser Zeit erkennen, welchen Einfluss das Medikament auf den Verlauf der Krankheit hat. Aber einen vergleichbaren Heilungsvorgang haben wir bereits bei den Tests von Remdesivir während der Ebola-Epidemie im Kongo beobachtet.“

Tomáš Cihlář: „Die Patienten erhalten täglich eine Infusion, für die wir 30 Minuten brauchen. Die Behandlung dauert insgesamt zehn Tage und wir hoffen, dass wir während dieser Zeit erkennen, welchen Einfluss das Medikament auf den Verlauf der Krankheit hat.“

Laut den Fachzeitschriften Lancet und JAMA sollen jüngste Studien zu der Erkenntnis geführt haben, dass mit dem Coronavirus nur sehr wenige Kinder infiziert sind. Biochemiker Cihlář bestätigte diese Ergebnisse:

„Den letzten epidemiologischen Daten aus China zufolge sieht es so aus, dass bei Kindern bis zu einem Jahr überhaupt keine Sterblichkeit festgestellt wurde. Beispielsweise ganz im Gegenteil zur Ansteckung mit dem Ebolavirus, bei dem es eine hundertprozentige Mortalität bei Neugeborenen gibt. Einen ähnlichen Verlauf wie beim Coronavirus haben wir bei einer saisonalen Grippe. Auch hier ist die Sterblichkeit am höchsten bei älteren Menschen mit einem Alter von über 70 Jahren, bei Säuglingen aber ist sie relativ gering. Das ist schwer zu verstehen. Doch es kann daran liegen, dass Kleinstkinder bis zu einem gewissen Maß gegen diesen Virus immun sind. So wie sich ihr Atmungssystem direkt nach der Geburt entwickelt, ist es in gewisser Weise widerstandsfähiger dagegen. Möglicherweise liegt es daran, dass Säuglinge von Natur aus geschützter sind. Sie sind nicht anderen Menschen ausgesetzt, wodurch sie vor einer Infektion gefeit sind.“

Foto: ČTK/AP/Antonio Calanni
Einen ersten Erfolg im Kampf gegen den Coronavirus konnten die Forscher aus San Francisco bei einem US-Bürger erzielen, der mit den Symptomen der Krankheit in einer Klinik in Seattle lag. Zu diesem Fall sagte Cihlář:

„Dieser Patient kam Mitte Januar aus Wuhan in die Vereinigten Staaten. Innerhalb von vier, fünf Tagen wurde ihm unwohl. Er wurde in ein Krankenhaus im US-Bundesstaat Washington gebracht und dort positiv auf den Erreger getestet. Er war dort mehrere Tage zur Beobachtung, doch ungefähr nach dem fünften Tag, den er in der Klinik verbrachte, hat sich sein Zustand rapide verschlechtert. Daraufhin haben die Ärzte entschieden, ihm mit Remdesivir zu behandeln. Er war tatsächlich der erste Patient, der das Medikament bekommen hat.“

Cihlář: „Ich muss hinzufügen, dass man auf der Grundlage eines einzigen Falles noch keine definitiven Schlüsse auf die Wirksamkeit der Arznei für die breite Bevölkerung ziehen kann. Deshalb führen wir diese klinischen Tests durch, in die bis zum heutigen Tag rund 700 Patienten eingebunden sind.“

Der Gesundheitszustand des Amerikaners habe sich danach binnen zwei Tagen enorm verbessert, schilderte Cihlář. Das Fieber sei abgeklungen, die Atemprobleme wesentlich geringer geworden und der Virus konnte am Ende nicht mehr nachgewiesen werden. Seinem Wissen nach sei dieser Patient bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden, ergänzte der Tscheche, ohne diese Information mit Sicherheit bestätigen zu können. Trotz dieser guten Nachricht warnte Cihlář jedoch vor zu einem zu frühen Jubel:

„Ich muss hinzufügen, dass man auf der Grundlage eines einzigen Falles noch keine definitiven Schlüsse auf die Wirksamkeit der Arznei für die breite Bevölkerung ziehen kann. Deshalb führen wir diese klinischen Tests durch, in die bis zum heutigen Tag rund 700 Patienten eingebunden sind.“

Sollte das Medikament erfolgreich anschlagen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Lizenzierung des Serums relativ rasch von statten geht. Das wünschen sich nicht nur die die Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert sind, sondern alle, die sich vor ihm schützen wollen. Doch was passiert, wenn die Tests ein negatives Ergebnis aufweisen? Auch zu dieser Frage bezog Cihlář Stellung:

„Nun, dann wird es um einiges schwieriger. Denn jedwede Korrektur an dieser Arznei wirft uns um einige Monate bis zu einem Jahr in der Entwicklung zurück. Dann müssten wir erneut mit den vorklinischen Tests beginnen, um so auch die Dosis oder den Verabreichungsweg anzupassen. Doch wir wollen optimistisch bleiben und hoffen, dass wir bei den Tests das beste Ergebnis erzielen.“