Pavel Kuka: Wünsche mir zur EM Gegner, die schlagbar sind
An diesem Samstag werden in Bukarest die Gruppen für die Endrunde der Fußball-Europameisterschaft 2020 ausgelost. In der Lostrommel liegt dann auch eine Kugel mit dem Namen „Tschechien“. Wie sich das Team von Nationaltrainer Jaroslav Šilhavý für die Endrunde qualifiziert hat, wozu es gegenwärtig fähig ist, und welche Gegner man sich für die Endphase wünscht – zu all diesen Fragen hat Radio Prag International mit dem ehemaligen tschechischen Nationalspieler Pavel Kuka gesprochen.
„Die Hauptsache ist zunächst einmal, dass wir uns für die Endrunde qualifiziert haben. Es ist dabei egal, wie wir es geschafft haben, denn unsere Mannschaft hat sowohl gute bis sehr gute als auch schlechte Leistungen gezeigt. Herausragend war der 2:1-Heimsieg gegen England, bei dem wir die wohl drei wichtigsten Punkte geholt haben. Aus diesem Spiel lässt sich zudem ablesen, dass wir nicht nur guten Fußball spielen, sondern auch starke Gegner besiegen können. Das ist die wichtigste Information für uns. Denn die Engländer sind momentan wirklich sehr stark, und trotzdem haben wir sie bezwungen.“
Das eine ist das Ergebnis, das andere die Spielweise. War diese ganz ok, mit Ausnahme des blamablen 0:5 in Wembley am Anfang und dem 0:1 in Bulgarien am Ende? Oder würden Sie das etwas differenzierter sehen?
„Nun, man muss wissen: Wir sind in die Qualifikation mit einer ganz neuen Mannschaft gegangen. Da ist es ganz normal, dass am Anfang noch nicht alles klappen kann. Und im ersten Spiel mussten die neuen Leute gleich auswärts gegen England im Londoner Wembley-Stadion ran, da kam die deutliche Niederlage fast folgerichtig. Danach aber hat sich die Mannschaft gefangen, hat gegen die anderen Kontrahenten in der Gruppe die entscheidenden Punkte geholt, so dass wir uns am Ende sicher für das EM-Turnier qualifiziert haben. Jetzt aber steht Trainer Šilhavý vor der großen Aufgabe, auch eine gute Mannschaft für die Endrunde zu formen. Im Team haben wir einige Spieler mit sehr guten individuellen Fähigkeiten. Am Ende der Qualifikation konnte man auch sehen, was passiert, wenn einer dieser Akteure fehlt. Wegen einer Verletzung ist unser bester Stürmer, Patrik Schick, ausgefallen. Und für den tschechischen Fußball ist es natürlich schwer, einen Spieler seiner Qualität nahtlos zu ersetzen.“
Diese Qualifikation ist auch das Werk von Nationaltrainer Jaroslav Šilhavý. Welchen Anteil hat er für Sie am Erfolg?„(Kuka lacht) Das ist keine einfache Frage für mich, denn Jaroslav Šilhavý ist mein größter und bester Freund. Wir haben sehr lange zusammengespielt, und bei den Trainingscamps haben wir beide auch zusammen immer ein Zimmer geteilt. Ähnlich wie Miroslav Kadlec in meiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern (1994 – 1998, Anm. d. Red.) war auch Šilhavý der erfahrene Mitspieler für mich, der mir den Weg gezeigt hat. Und dies nicht nur bei Slavia Prag, sondern zuvor auch schon bei meinem ersten Erstligaverein RH Cheb, bei dem ich meinen Armeedienst (1987 – 1989) geleistet habe. Ich kenne Jaroslav sehr gut, er ist charakterlich ein sehr feiner Mensch. Und ich freue mich für ihn, dass er nun auch als Trainer der Nationalmannschaft einen gewissen Erfolg vorweisen kann. Denn er hat bereits gezeigt, welche Fähigkeiten er als Trainer hat, indem er mit Slavia Prag vor gut zwei Jahren den Meistertitel gewonnen hat. Für mich ist Jaroslav Šilhavý ein sehr guter und korrekter Trainer.“
Im Gegensatz zur letzten WM in Frankreich und der erfolglosen Qualifikation für die WM 2018 in Russland spielt die tschechische Mannschaft für meinen Geschmack wieder dynamischer, mit mehr Zug zum Tor – also moderner. Diese Spielweise zelebriert Slavia Prag seit letzter Saison auch in der Europa League und jetzt in der Champions League. War der tschechische Meister die Basis für den Erfolg? Und wenn ja, warum?„Die Ergebnisse und noch dazu die guten Leistungen, die Slavia bisher in der Champions League gegen solche Mannschaften wie Inter Mailand, Barcelona und auch gegen Dortmund gezeigt hat, sprechen dafür. Meiner Meinung nach war das 0:0 der Mannschaft vor kurzem in Barcelona die beste Leistung einer tschechischen Mannschaft auf internationalem Parkett. Slavia hat dort wirklich sehr gut gespielt und einen verdienten Punkt geholt. Und genauso hat sich diese Leistungsstärke zuletzt auch widergespiegelt in der Nationalmannschaft, in der das Gros des Kaders durch die Prager gestellt wird. Ich hoffe nur, das geht so weiter. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie Slavia in den zwei verbleibenden Spielen der Gruppenphase in der Champions League abschneiden wird. Die Mannschaft spielt zunächst zu Hause gegen Inter Mailand und zum Abschluss auswärts in Dortmund. Ich bin Optimist, von daher gehe ich davon aus, dass Slavia in diesen zwei Begegnungen noch wertvolle Punkte holen wird, die ausreichen, um in die nächste Runde der Europa League oder im besten Fall sogar der Champions League einzuziehen.“
Am 30. November werden in Bukarest die Endrundengruppen ausgelost. Gibt es Mannschaften, die Sie sich gerne als Gegner der Tschechen wünschen würden? Oder aber andere, die Sie nicht in der tschechischen Gruppe haben möchten?„Ich wünsche mir Mannschaften, die schlagbar sind, damit die tschechische Mannschaft bei der Endrunde so weit wie möglich kommt. Jetzt ist es schwer zu sagen, welcher Gegner einfacher zu besiegen ist als der andere. Das ist schwierig zu beurteilen, doch die Hauptsache ist, dass wir beim EM-Turnier überhaupt dabei sind. Aber man muss natürlich auch etwas Glück haben. Deshalb ist die alles entscheidende Frage: In welcher Form werden die jeweiligen Mannschaften das Turnier bestreiten. Bis dahin ist noch genügend Zeit, von daher kann man jetzt nur schwer vorhersagen, wer ist ein guter Gegner für uns und wer nicht.“
Ich stelle die Frage noch einmal anders, denn Sie selbst haben ein ähnliches Szenario 1996 erlebt bei der Europameisterschaft in England. Damals spielten Sie mit Tschechien in einer Gruppe mit Deutschland, Italien und Russland. Sie waren folglich der krasse Außenseiter und sind trotzdem weitergekommen. Also liegt es wirklich am Zusammenhalt und an der Form der Mannschaft, oder?
„Ich muss ehrlich sagen, dass wir damals auch sehr viel Glück gehabt haben. Das gehört zu solch einem Erfolg (Tschechien stand im Finale, unterlag in diesem Spiel aber Deutschland mit 1:2 in der Verlängerung durch Oliver Bierhoffs ´Golden Goal´, Anm. d. Red.) dazu, auch wenn ich andererseits bestätigen kann, dass wir menschlich eine sehr gut harmonierende Truppe waren. Doch wer sich am Ende durchsetzt, ist stets eine Frage der momentanen Form. Tschechien hat meistens einen ziemlich kleinen Kader an wirklich guten Spielern, deshalb ist eine Voraussetzung für den Erfolg auch immer, dass alle gesund sind. Nur wenn das im nächsten Sommer der Fall ist, hat die tschechische Mannschaft die Chance auf ein Weiterkommen nach den Gruppenspielen.“Was halten Sie von der Ausweitung der Endrunde von 16 auf 24 Mannschaften sowie vom Vergabe-Modus mit zwölf über ganz Europa verstreuten Spielorten?
„Das muss man zunächst abwarten. Die Endrunde wird nach einem ganz neuen Modus ausgespielt, doch wie er sich bewähren wird, das weiß keiner. Für die Fans aber wird es ein bisschen schwieriger, denn sie müssen sehr viel reisen. Man muss das Ganze halt einmal durchspielen und dann sagen, ob die Neuerungen eine gute Entscheidung waren oder nicht.“