Die Anfänge jüdischer Besiedlung in Uherský Brod
Wie anderswo in Europa haben sich ebenso in den Böhmischen Ländern ab dem Frühmittelalter Juden angesiedelt. Und auch hierzulande erlebten sie sowohl Zeiten der Diskriminierung als auch der Prosperität. Nicht anders war es im südmährischen Uherský Brod.
Die Urkunde von 1470
Geschichtswissenschaftlern zufolge gab es in Südmähren schon im 12. Jahrhundert jüdische Siedlungen. Zum Beispiel um die Burg in Hradiště. Allerdings fehlen dazu urkundliche Belege. Die ältesten Informationen über Juden in Uherský Brod sind sehr dünn. Radek Tomeček ist Historiker am Comenius-Museum in der Stadt:„Es ist die erste urkundliche Erwähnung eines jüdischen Namens in der Stadt, und zwar im Jahr 1470. Konkret handelte es sich um einen Mann namens David. Leider geht aus dem Text nicht hervor, ob der Jude David innerhalb der Stadtmauern lebte oder aber außerhalb, wie dies häufiger der Fall war. Der Jude David habe der Stadt, so die Information, 28 Gulden geliehen. Der Zinssatz für den Verleih betrug sieben sogenannte weiße Groschen pro Woche. Das machte im Jahr insgesamt 9 Gulden und 22 Groschen. Diese Summe entsprach in etwa einem 34-prozentigen Zinssatz. Das scheint ziemlich viel, aber was man im 15. Jahrhundert dafür kaufen konnte, wissen wir nicht. Zu welchem Zweck die Stadt das Geld brauchte, ist auch nicht bekannt. Von dieser Anleihe erfährt man aus einem Dokument, in dem Davids Witwe von der Stadt die Begleichung ihrer Schulden verlangt. Es gibt allerdings keinen Beleg darüber, ob sie erfolgreich war.“
Die entsprechende Information stammt aus dem Rechtsbuch „Liber informationum et sententiarum“. Der Untertitel dieses Werks lautet „Brünner Belehrungen, herausgegeben in den Jahren 1447 bis 1509 für den Stadtrat in Uherské Hradiště“. Zwar lässt sich der erwähnte Fall genau auf das Jahr 1470 datieren, unklar bleibt aber, ob damals eine zahlenmäßig stärkere Gruppe von Juden in der Stadt am Fluss Olšava lebte. Das Schicksal der dortigen Juden lässt sich auch in den nachfolgenden fast 120 Jahren nicht urkundlich belegen.„Als erste aussagekräftige Quelle nach langer Zeit gelten die Privilegien der Regionalherren von Kunowitz (Tschechisch Kunovice, Anm. d. Red.). Uherský Brod befand sich ab 1506 im Besitz dieser Adelsfamilie und erlebte einen wirtschaftlichen sowie kulturellen Aufschwung. Es gibt ein Dokument, mit dem 1588 Dietrich von Kunowitz vier jüdischen Familien die Erlaubnis erteilte, sich direkt in der Stadt niederzulassen. Bekannt sind nur die Vornamen der Familienväter: Isaak, Jene, Koloman und Thomas. Eine andere Urkunde erwähnt den Juden Josef aus Uherský Ostroh, der mit Zustimmung von Arkleb von Kunowitz sein Domizil in der Stadt fand. Es ist anzunehmen, dass auch noch weitere Juden in die Stadt zogen“, so Tomeček.
Schon bald aber sollte es infolge der politischen und konfessionellen Verhältnisse zu einer tiefgreifenden Wende kommen.
Juden ziehen in entvölkerte Stadtteile
1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Zwei Jahre später erlitten die böhmischen Stände protestantischer Konfession eine schwere Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag. Dies hatte tiefgreifende Folgen für die weitere Entwicklung im Königreich Böhmen und Mähren. Dies sei auch in Uherský Brod zu spüren gewesen, sagt der Historiker:„Die Zahl der Stadtbewohner sank schlagartig. Die hier lebende zahlenmäßig starke Gemeinschaft der Nichtkatholiken – der sogenannten Böhmischen Brüder – musste Uherský Brod verlassen. Fast ein Viertel der Häuser blieb danach unbewohnt. Ähnliches spielte sich aber auch an vielen weiteren Orten Südmährens ab. Die Adelsfamilie Kaunitz hatte die Besitzungen der Kunowitzer übernommen. Sie war nun bemüht, auch Juden in den leerstehenden Häusern anzusiedeln. Diese zogen höchstwahrscheinlich aus der Vorstadt dort hin. Ausführlichere Belege dafür gibt es jedoch nicht. 1656 waren 40 jüdische Familien in der Stadt registriert, die sich nach und nach in Häusern an unterschiedlichen Standorten niedergelassen hatten. Damit lebten Juden nun auch in einem mehrheitlich christlichen Umfeld. Das führte schon bald zu Kontroversen zwischen den Bekennern der unterschiedlichen Religionen. Einige Schilderungen sind in den Stadtbüchern beziehungsweise Rechtsbüchern von Uherský Brod nachzulesen.“
Im 17. Jahrhundert und Anfang des 18. Jahrhunderts hatten bereits zahlreiche jüdische Familien ihre Adresse in der Innenstadt von Uherský Brod. Dass vielerorts in der Habsburgermonarchie der Anteil von Juden an der städtischen Bevölkerung wuchs, missfiel in erster Linie der katholischen Regierung in Wien.„1681 erhielt der Statthalter von Uherský Brod eine Mahnung. Er sollte die jüdische Bevölkerung in größerer Entfernung zu der im Stadtzentrum gelegenen katholischen Kirche ansiedeln. Ähnliches galt aber nicht nur für diese Stadt. Die Wiener Zentralbehörden ergriffen generell ab dem Ende des 17. Jahrhunderts unterschiedliche Maßnahmen, um die Juden zu isolieren und zugleich ihren Zuwachs zu bremsen. Im Jahr 1686 musste Dominik Andreas von Kaunitz das sogenannte ‚Instrumentum transaktionis‘ für Uherský Brod erlassen. Das Privileg regelte das Verhältnis zwischen den adligen Herren und den christlichen beziehungsweise den jüdischen Einwohnern auf Grund von streng definierten Rechten und Pflichten. Dort finden sich auch Hinweise auf eine ungleiche Stellung beider Bevölkerungsteile. So waren Juden steuerlich höher belastet, und ihre Möglichkeiten, sich im Handel und im Handwerk zu etablieren, waren stark eingeschränkt. In Uherský Brod erhielten sie Zugang nur zu wenigen Berufen wie etwa Gerber, Tuchhersteller oder Goldschmied. Viele jüdische Familien hatten daher nur die Chance, ihr Brot mit dem Verleih von Geld zu verdienen. Wie damals üblich war ihr Kreditgeschäft aber oft mit Wucherzinsen verbunden“, erläutert Radek Tomeček.
Auf eine lange Tradition in Uherský Brod kann auch das Fleischerhandwerk zurückblicken. Die ersten Fleischerläden von Juden wurden im 17. Jahrhundert erwähnt. Ende des 17. Jahrhunderts entstand in der Stadt der erste jüdische Schlachthof, der bis 1896 in Betrieb blieb.Ausgrenzung durch „Familiantengesetz“
1726 erließ Kaiser Karl VI. das sogenannte Familiantengesetz, das bis 1859 in Kraft blieb. Dem Historiker Tomeček zufolge bildete dies die Grundlage dafür, dass in Böhmen, Mähren und Schlesien die Juden ausgegrenzt und ihre Zahl begrenzt wurde:
„In Uherský Brod konkret wurde bereits in den Jahren 1725 und 1726 eine Art Umsiedlungsprozess in Gang gesetzt. Damit wurde der landesweit gültigen Anordnung gefolgt, jüdischen Bewohnern ein eigenes Wohngebiet zuzuweisen. Es sollte relativ weit abgelegen sein von den christlichen Gotteshäusern und Pilgerstätten. Die Obrigkeit der Stadt begann, nach und nach die jüdischen Immobilien aufzukaufen und die ursprünglichen Besitzer in einen separaten Stadtteil umzusiedeln. Dies geschah in Uherský Brod in den 1780er Jahren. Damals musste die neue entstandene Judenstadt auch durch eine Mauer von den christlichen Siedlungsbereichen abgetrennt werden.“
Die lokalen Machthaber waren trotz aller Probleme aber weiter daran interessiert, dass in ihrer Gegend Juden lebten. Radek Tomeček sagt dazu, dies habe rein ökonomische Gründe gehabt.