Tschechien und Slowakei: die wirtschaftliche Teilung
Als sich vor 25 Jahr die Tschechen und Slowaken voneinander trennten, waren auch Differenzen über die Wirtschaftspolitik ein wichtiger Faktor. Dennoch sind beide Länder in die Erfolgsspur gekommen. Ein kleiner Abriss von der Vermögenstrennung 1992/93 bis heute.
Klaus siegte dann im tschechischen Teil bei den Wahlen im Juni 1992 und wurde dort Premier. In der Slowakei übernahm Vladimír Mečiar von der nationalistischen HZDS die Macht. Beide Regierungschefs wurden zu den wichtigsten Unterhändlern über die Teilung des gemeinsamen Staates.
Friedliche Gütertrennung
So unterschiedlich die wirtschaftlichen Vorstellungen beider waren, so leicht ging die Gütertrennung vonstatten. Ivan Kočárník war ab 1992 tschechischer Finanzminister im ersten Kabinett von Václav Klaus:„Das Vermögen des Staates war bereits 1968 weitgehend zwischen beiden Teilrepubliken aufgeteilt worden. Auf föderaler Ebene waren den Schätzungen nach noch Werte in Höhe von 480 Milliarden tschechoslowakischen Kronen übrig. Es entstand also eine Kommission für dieses Vermögen, ich leitete die tschechische Seite. Vorgegangen wurde nach zwei Aufteilungsschlüsseln. Der eine lautete 2:1 gemäß der Bevölkerungszahl beider Republiken – also zehn Millionen Tschechen und fünf Millionen Slowaken. Es war der Hauptschlüssel, nach dem bei dem allergrößten Teil des Vermögens verfahren wurde. Für Staatsbetriebe im Außenhandel gab es jedoch den Schlüssel 3:1, weil mehr dieser Unternehmen auf tschechischer als auf slowakischer Seite angesiedelt waren.“
Erstaunlicherweise war ein Bereich von der Trennung ausgenommen: die gemeinsame Währung. Die tschechoslowakische Krone sollte zunächst auch in den beiden eigenständigen Staaten weiter gültig bleiben.„Ursprünglich wurde angenommen, dass die Währungsunion noch länger fortdauern sollte. Ein großer Befürworter davon war auch der damalige tschechische Premier Václav Klaus, der möglichst viele Elemente des gemeinsamen Staates erhalten wollte. Größter Gegner dieses Vorgehens war der Gouverneur der tschechischen Nationalbank, Josef Tošovský. Er ahnte damals zu Recht, dass dies nicht klappen konnte“, so Kočárník.
Letztlich dachte Václav Klaus um. Er drängte dann darauf, auch die gemeinsame Währung aufzugeben. Dazu bedurfte es jedoch gesonderter Verhandlungen im November 1992, wie sich Kočárník erinnert:„Es wurde zu Geheimgesprächen in das Palais Hrzan in Prag geladen. Ich habe Vladimír Mečiar am Flughafen abgeholt und ihn am nächsten Morgen um halb vier völlig erschöpft wieder dorthin zurückgebracht. Bei den Gesprächen wurde die Teilung der Währung vereinbart. Es dauerte aber viele Stunden, Mečiar von diesem Schritt zu überzeugen. Am Morgen seines Abflugs in die Slowakei war ich dann noch im Parlament. Irgendwie war Vladimír Mečiars Besuch den Journalisten zu Ohren gekommen. Ich sagte: kein Kommentar. Es gelang also, das Datum für die Teilung der Währung geheimzuhalten.“
Am 1. Januar 1993 starteten die Tschechische sowie die Slowakische Republik zunächst mit einer gemeinsamen Währung in die Selbständigkeit. Erst am 2. Februar wurde bekanntgegeben, dass auch die Krone geschieden wird. Um mögliche Währungsspekulationen zu verhindern, wurden Vermögenstransfers untersagt. Beide neuen Staaten hatten im Ausland bereits neue Banknoten und Münzen drucken lassen. Am 8. Februar begann der Übergang zu eigenen Zahlungsmitteln, innerhalb von vier Tagen waren die alten Noten aus dem Verkehr gezogen.Oligarchen und Reformen
Damit begann für beide neuen Staaten der jeweils eigene Weg einer Transformation. Schon im Oktober 1991 hatte Klaus als tschechoslowakischer Finanzminister die erste Phase der sogenannten Kupon-Privatisierung gestartet. Dabei erhielt jeder Bürger die Möglichkeit, für wenig Geld die Anteile an bisherigen Staatsbetrieben zu erwerben. Als tschechischer Premier setzte der ultraliberale Ökonom dieses Vorgehen fort. Doch viele der neuen Besitzer hatten keine Ahnung von Management. Sie wurden von gewieften Spekulanten ausgebootet, und einige Wenige rissen sich letztlich die dicksten Fische unter den Nagel.
In der Slowakei verlief der Prozess zunächst anders. Mečiar privatisierte Betriebe vor allem, indem er sie günstig an Freunde und Parteifreunde verkaufte. Er oligarchisierte damit die Wirtschaft. 1998 wurde der HZDS-Chef aus dem Amt gedrängt, und die neue konservative Regierung von Mikuláš Dzurinda schwenkte auf einen Reformkurs ein. Das wurde zur Grundlage für die Integration in Europa. Dušan Chrenek vertritt die Europäische Kommission in Bratislava:„Unter Mečiar fiel die Slowakei zunächst aus den Integrationsprozessen heraus. Sie wurde nicht zusammen mit Tschechien, Polen und Ungarn in die Nato aufgenommen. Und es drohte dasselbe in Hinsicht auf den EU-Beitritt. Dies hat wohl zur Mobilisierung der Wähler beigetragen, sodass 1998 demokratische Parteien die Mehrheit holten. Sie begannen mit einer umso schnelleren Integration in die EU. Und auch mit Hilfe von Tschechien konnten wir jene Länder einholen, die vor uns gelegen hatten. Als wir in die EU eingetreten sind, lag unser Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei 57 Prozent des EU-Durchschnitts und damit niedriger als in Tschechien. Heute sind wir bei 77 Prozent angelangt.“
Es war eine beeindruckende Aufholjagd, die selbst beim früheren Brudervolk für Anerkennung gesorgt hat. Ivan Kočárník:
„Ich muss sagen, dass tschechische Ökonomen die Slowakei um einige Reformen der Regierung Dzurinda sogar beneiden. Dadurch erhielt die slowakische Wirtschaft gewisse Impulse, von denen noch heute die Regierung Fico lebt.“So gelang zum Beispiel auch eine Reform des Gesundheitswesens, auf die Tschechien bis heute wartet. Und Dzurinda privatisierte ebenso bereits die Banken, was Prag erst Anfang der Nullerjahre schaffte.
Schimpfen auf den Euro
Allerdings: Der wohl größte Unterschied zwischen den Volkswirtschaften beider Staaten liegt in der Währung. 2008 nahm die Slowakei den Euro an, während Tschechien zögerte. Auch wenn zunächst meist vom Teuro die Rede war, denken heute viele Menschen in dem Land auch an die praktischen Vorteile. So etwa Linda (44 Jahre) aus Bratislava:
„Ich finde den Euro super. Allein schon die Vorstellung, nach Ungarn oder Tschechien zu fahren und, oh Gott, das Geld tauschen zu müssen...“Und Juraj (37 Jahre):
„Ich glaube, der Euro war eine gute Idee. Und er hilft sicher den Betrieben, die ihre Geschäfte so viel einfacher führen können. Aber auch für den Normalbürger ist es sehr komfortabel, dass man beim Grenzübertritt in der Regel das Geld nicht wechseln muss – es sei denn, man fährt eben in unsere Nachbarländer Tschechien, Ungarn oder Polen.“
Wie sich die Wahrnehmung in den Ländern unterscheidet, schildert der Politologe Vít Beneš vom Institut für internationale Beziehungen in Prag:
„Es liegt im Interesse der Slowakei und der slowakischen Politiker, dass der Euro funktioniert. Hier in Tschechien sind wir in einer anderen Position. Wir schimpfen auf den Euro und verwünschen ihn häufig sogar. Man muss sich nur die Aussagen einiger tschechischer Politiker anhören und die Ergebnisse gewisser Umfragen anschauen. Da entsteht der Eindruck, wir würden hoffen, dass die Eurozone scheitert – damit wir sagen können: Wir haben es doch gewusst.“Ansonsten teilen die tschechische und die slowakische Volkswirtschaft heute jedoch viele Gemeinsamkeiten. So bildet die Fahrzeugindustrie jeweils den stärksten Sektor. Die Slowakei liegt sogar bei der Pro-Kopf-Produktion von Autos an der Weltspitze. Und sowohl Tschechien als auch das östliche Nachbarland sind wirtschaftlich enorm anhängig von der Europäischen Union. 85 Prozent des Handels wird mit den EU-Mitgliedsstaaten abgewickelt, wobei Deutschland jeweils der wichtigste Partner ist.