„Es ist nicht wichtig, von wo wir stammen“: Ein junges tschechisch-slowakisches Paar berichtet

Kristýna aus Tschechien und Lukáš aus der Slowakei sind seit mehreren Jahren ein Paar. Im Oktober haben sie geheiratet. Dass sie aus zwei unterschiedlichen Ländern kommen, spielt ihren Aussagen nach kaum eine Rolle für ihre Beziehung. Zu ähnlich seien sich die beiden Länder, vor allem wegen der sprachlichen Nähe des Tschechischen und des Slowakischen zueinander. Für unsere Serie zur Trennung der Tschechoslowakei hat Radio Prag International mit dem frischgebackenen Ehepaar gesprochen.

Kristýna aus Tschechien und Lukáš aus der Slowakei | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die Gründung der Tschechischen und der Slowakischen Republik und die Trennung der Tschechoslowakei vor 30 Jahren, all das kennen Kristýna und Lukáš nur aus Erzählungen. Im Oktober haben sich die beiden das Ja-Wort gegeben. Aber in welchem Land fand die Hochzeit statt? „In Pilsen. Dass es in Tschechien sein sollte, war uns gleich klar. Die Stadt haben wir aber erst recht spät ausgewählt“, erklärt Lukáš aus der Slowakei im Interview für Radio Prag International.

Die Entscheidung für die westböhmische Heimatstadt von Kristýna sei vor allem aus organisatorischen Gründen gefallen. Denn Kristýnas Familie sei größer und habe so nicht extra anreisen müssen, erläutern die beiden. Bei der Hochzeit hat das frischgebackene Ehepaar vor allem auf Bräuche zurückgegriffen, die in beiden Ländern verbreitet sind: „Die Suppe gemeinsam mit einem Löffel zu essen oder der erste Tanz gemeinsam, das hatten wir auch“, zählt Kristýna auf. Auf einen besonders slowakischen Brauch hätten sie dann aber doch nicht verzichten wollen, meint Lukáš: „Es gab viel Slivovice. Eine slowakische Tradition ist, dass man auf alles mit dem Schnaps anstößt. Ansonsten denke ich aber, dass die Bräuche auf Hochzeiten in Tschechien und der Slowakei sehr ähnlich sind.“

Slivovice | Foto: Michal Křenovský,  Pixabay,  Pixabay License

Da Lukáš Ausländer ist, musste er im Übrigen einige Gebühren vor der Hochzeit entrichten, die von Tschechen nicht verlangt werden. Man sei ihm auf dem Amt aber sehr entgegengekommen, beschreibt er:

„Es gibt noch immer eine besondere Beziehung zwischen unseren beiden Ländern. Bei der Behörde waren sie fast schon erleichtert über mich, weil sie die slowakischen Dokumente kennen und daran gewöhnt sind. Denn hier leben viele Slowaken.“

Und auch Übersetzungen der eingereichten Dokumente seien nicht verlangt worden, erzählt Lukáš, der ursprünglich für das Studium nach Tschechien gekommen ist und schließlich in Prag blieb.

„Eigentlich nehme ich keine Grenze wahr“

Foto: ČT24

Dass die beiden Eheleute aus unterschiedlichen Ländern stammen, spiele keine Rolle in der Beziehung, erzählt Kristýna:

„Ich merke das eigentlich gar nicht. Tschechien und die Slowakei sind sehr ähnlich, weil sie eben eine Zeit lang eine gemeinsame Geschichte geteilt haben. Eigentlich nehme ich keine Grenze wahr. Wir kennen dieselben Witze, dieselben Serien, dieselben Filme. Nur zum Beispiel bei Kinderbüchern oder anderen Erinnerungen an die Kindheit unterscheiden sich unsere Erfahrungen.“

Lukáš sieht das genauso. Vor allem die Nähe der Sprachen zueinander trüge dazu bei, dass die Länder eng miteinander verbunden seien, meint er:

„Für mich ist nicht wichtig, von wo wir stammen. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Tschechien und der Slowakei. Wenn wir hingegen aus zwei Ländern kommen würden, in denen es ganz unterschiedliche Sprachen gäbe, dann wäre das vielleicht schon etwas Anderes.“

Aber welche Sprache benutzen die beiden, wenn sie gemeinsam reden? Kristýna erklärt:

„Wir sprechen normalerweise Tschechisch zusammen. Ich verstehe aber ebenso Slowakisch – wenn auch nicht immer alles. Lukáš spricht zudem ziemlich gut Tschechisch.“

Wörterbuch verschiedener tschechisch-slowakischer und slowakisch-tschechischer Ausdrücke

Probleme im Slowakischen würden Kristýna vor allem Wörter bereiten, die in beiden Sprachen völlig anders seien. Als Beispiel bringt sie die Übersetzung für „Eiszapfen“ an. Im Tschechischen wird ein solcher „rampouch“ genannt, im Slowakischen jedoch „cencúľ“. Lukáš hat im Tschechischen weniger Probleme:

„Oft wechsle ich zwischen den beiden Sprachen hin und her. Ich lebe jetzt seit zehn Jahren hier, deshalb spreche ich meist Tschechisch. Um Slowakisch zu sprechen, muss ich mich mitunter sehr konzentrieren. Wenn ich aber bei mir zu Hause bin, switche ich wieder um in die andere Sprache. Das passiert ganz automatisch.“

Auch Kristýna versucht sich mitunter darin, die Sprache des anderen aktiv zu beherrschen. Doch zumeist scheitere dies, meint sie: „Ich denke immer, ganz gut Slowakisch zu können. Wenn ich es dann aber einmal versuche oder etwas vorlese, dann lacht Lukáš oder seine Familie immer. Denn meine Aussprache stimmt einfach überhaupt nicht.“ Mit einem Augenzwinkern fügt Lukáš an: „Es klingt immer ein bisschen lustig. Man erkennt sofort, dass Kristýna keine Muttersprachlerin ist.“

Die Hohe Tatra als Sehnsuchtsort

Hohe Tatra | Foto: Kristian Slimak,  Wikimedia Commons,  CC BY-NC 3.0

Leicht unterschiedlich antworten Kristýna und Lukáš auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, gemeinsam in der Slowakei statt in Tschechien zu leben. Lukáš sagt:

„Während der Zeit an der Uni und auch danach habe ich mir hier mein Umfeld aufgebaut. Prag ist mir eigentlich aktuell näher als die Slowakei. Denn zwischen meinem 20. und 30. Lebensjahr habe ich nie in meiner Heimat gelebt. Fast alle meine Freunde wohnen hier. Ich habe also noch nie wirklich in Erwägung gezogen, wieder in die Slowakei zurückzugehen.“

Für Kristýna käme ein Umzug in die Slowakei jedoch in Frage. Denn nicht nur, dass sie durch Lukáš das politische und gesellschaftliche Geschehen im Nachbarland viel mehr verfolgt. Sie studiert auch Deutsche und Mitteleuropäische Studien an der Prager Karlsuniversität und begeistert sich deshalb für die gesamte Gegend, zu der auch das Nachbarland gehört:

„Ich könnte mir vorstellen, in der Slowakei zu leben – aber nur für ein oder zwei Jahre. Die mitteleuropäischen Länder interessieren mich wirklich sehr. Im Moment gibt es aber eigentlich keinen richtigen Grund für einen Umzug. Arbeit, Bekannte, die Familie – alles ist ja hier. Uns zieht also gerade nichts ins Nachbarland. Außer vielleicht die Hohe Tatra. Dieses Gebirge reizt mich schon sehr.“

Kristýna aus Tschechien und Lukáš aus der Slowakei | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International
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