Tschechiens Fußball hat neue Führung, Probleme sind aber weiter offen

Martin Malík (Foto: ČTK)

Der tschechische Fußball durchlebt eine schwierige Zeit. International kann er nicht mehr mithalten, zudem war er im vergangenen halben Jahr de facto auch kopflos. Seit letztem Mittwoch hat der nationale Verband nun endlich einen neuen Chef. Viele weitere Probleme bleiben indes weiterhin ungelöst.

Martin Malík  (Foto: ČTK)
Es steht derzeit nicht gut um den tschechischen Fußball. Das bestätigt unter anderem der renommierte Sportjournalist Stanislav Hrabě:

„Wir stehen momentan ganz schlecht da: Wir haben keine guten Spieler, wir haben uns nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert, und am Horizont ist noch längst keine neue starke Generation in Sicht. Trotzdem hat sich der Verband über die Statuten gestritten, anstatt sich mit dem zu befassen, was für den Fußball am Wichtigsten ist: den sportbegeisterten Nachwuchs zu Top-Kickern auszubilden.“

Am meisten krankt der tschechische Fußball also an der Uneinigkeit seiner Führung. Diese hatte nämlich auch dazu geführt, dass der nationale Verband (FAČR) ein halbes Jahr lang keinen Vorsitzenden hatte. Die Vorgeschichte: Wegen illegaler Einflussnahme auf die nationale Sportförderung war der vorherige Chef Miroslav Pelta im Frühjahr verhaftet worden. Er trat dann schließlich von seinem Posten zurück. Die geplante Neuwahl im Juni brachte jedoch kein Ergebnis. Deshalb wurde der Verband von Mitte Juni bis Mitte Dezember von zwei Personen kommissarisch geleitet: von den stellvertretenden Vorsitzenden Roman Berbr und Zdeněk Zlámal.

Stanislav Hrabě: „Wir stehen momentan ganz schlecht da: Wir haben keine guten Spieler, wir haben uns nicht für die WM qualifiziert, und am Horizont ist noch längst keine neue starke Generation in Sicht. Trotzdem hat sich der Verband nur über die Statuten gestritten.“

Beide Vizechefs sind gleichzeitig die Führungsspitzen der beiden Kammern im Landesverband – Berbr ist Vorsitzender der böhmischen und Zlámal Chef der mährischen Kammer. Die Existenz von gleich zwei Entscheidungsgremien wurde dem tschechischen Verband dann auch zum Verhängnis. Laut den Statuten muss ein Kandidat für den Posten des Verbandsvorsitzenden mit der jeweiligen Mehrheit beider Kammern gewählt werden, um als Wahlsieger hervorzugehen. Bei der Vollversammlung im Juni aber konnte sich keiner der beiden Bewerber durchsetzen, weil jede Kammer auf den jeweils eigenen Kandidaten setzte: die böhmische auf den Generaldirektor der Fußball-Vermarktungsagentur STES, Martin Malík, und die mährische auf den langjährigen Generalsekretär des Verbandes, Petr Fousek. Nach drei Wahlrunden blieb es damals bei der Pattsituation. Eine vierte Runde, nach der derjenige gewinnt, der kammerübergreifend die Mehrheit aller Stimmen erhält, aber sahen die Statuten nicht vor.

Mit diesem unbefriedigenden Ergebnis, der dem tschechischen Fußball sowohl nach innen als auch in der Außendarstellung schadete, hatte sich der FAČR nun auch den Zorn der internationalen Verbände Fifa und Uefa zugezogen. Beide Instanzen entsandten daher nun ihre Vertreter zur außerordentlichen Vollversammlung am 12. Dezember. Sie waren nach Prag gekommen, um ordentlich Druck zu machen auf die Funktionäre der hiesigen Führungsriege. Und siehe da, der warnende Zeigefinger wurde nicht übersehen: Bereits im ersten Wahlgang wurde Martin Malík zum neuen Vorsitzenden des tschechischen Fußballverbands gewählt. Und das mit deutlicher Mehrheit: Der bisherige Marketingchef bekam 120 der 128 Stimmen aus Böhmen und 55 von 74 Stimmen aus Mähren. Darüber war er sehr erfreut:

Zdeněk Zlámal  (Foto: ČTK)
„Das Wahlergebnis auf der heutigen Vollversammlung sehe ich nicht als einen Sieg für mich, sondern als einen Sieg für den gesamten tschechischen Fußball. Ich bin froh, dass wir nun wieder eine komplette Führung im Verband haben.“

Der 47-Jährige weiß jedoch auch, dass damit noch längst nicht alle Zweifel aus dem Weg geräumt sind. Im Gegenteil, Fifa und Uefa sind weiter ungehalten darüber, dass der tschechische Verband nicht auch gleich den zweiten Schritt gemacht hat: eine Satzungsänderung, um ein erneutes Wahl-Patt in Zukunft auszuschließen. Malík ist sich bewusst, dass diese Aufgabe nun auf ihn wartet:

„Dies ist ein großes Problem. Wir müssen es zwar nicht gleich heute oder morgen lösen, aber in den kommenden Monaten. In nächster Zeit müssen wir einen Konsens finden. Wir haben es alle gehört: Fifa und Uefa wollen zur Kontrolle unseres Verbandes eine sogenannte Normalisierungskommission einsetzen, sollten wir die Satzung nicht ändern. Ich würde es jedoch nur sehr ungern erleben, dass sich die Situation bei uns noch zuspitzt und ich dann nur als Winterkönig in die Geschichte des tschechischen Fußballs eingehe.“

Mit anderen Worten: Malík will die Kommandobrücke, auf die er gerade er gehievt wurde, nicht schon nach einigen Wochen wieder verlassen müssen. Deshalb macht er sich über die Drohung der internationalen Verbände auch so seine Gedanken:

Martin Malík: „Das Wahlergebnis auf der heutigen Vollversammlung sehe ich nicht als einen Sieg für mich, sondern als einen Sieg für den tschechischen Fußball. Ich bin froh, dass wir wieder eine komplette Führung im Verband haben.“

„Ich denke, die Gefahr ist sehr reell. Ich nehme sie sehr ernst. Und ich denke, dass dies auch meine Kollegen im Exekutivausschuss so sehen.“

Dies bestätigt zumindest Vizeverbandschef Zlámal. Bei ihm sind die Warnungen aus Zürich und Nyon ohne Frage angekommen:

„Was die Auflösung der beiden Kammern anbelangt, dazu wurde vieles klar gesagt. Wir müssen bis zum 24. Februar eine Einigung über eine Satzungsänderung erzielen. Die Lage ist wirklich nicht einfach, sondern sehr ernst.“

Dazu hat letztlich auch sein Pendant auf böhmischer Seite, Vizeverbandschef Berbr, beigetragen. Denn der mächtige Funktionär reagierte sehr verärgert darüber, dass die mährische Seite der Satzungsänderung noch nicht zugestimmt hat, obwohl sie bei der Versammlung bereits auf dem Tisch lag:

„Es bestand die einmalige Chance, die Änderung so vorzunehmen, dass jederzeit ein Verbandschef wählbar ist. Jetzt werde ich die Auflösung der beiden Kammern unterstützen.“

Malík stimmte indes versöhnliche Töne an. Als frischgebackener Vorsitzender will er es offenbar vermeiden, dass gleich zu Beginn seiner Amtszeit schon viel Porzellan zerschlagen wird:

Roman Berbr  (Foto: ČTK)
„Uns steht bevor, dass uns eine einzige Version zur Änderung der Statuten diktiert wird: die Abschaffung beider Kammern. Das ist ein gewisses Risiko. Von daher will ich nicht, dass dies auf die leichte Schulter genommen wird.“

Die Angst vor einer Demontage der jetzigen Verbandsstrukturen hat letztlich auch der Auftritt von Uefa-Vizepräsident Hrihorij Surkis geschürt. Vor den Delegierten der Vollversammlung in Prag sprach er unverhohlen unter anderem davon, dass man die „Geschwulst“ in den Statuten des tschechischen Verbandes entfernen müsse. Es war ein Auftritt, den Sportjournalist Hrabě missbilligt:

„Wenn der Uefa-Vizepräsident Hrihorij Surkis mit Sanktionen droht, falls der tschechische Verband nicht einlenkt, dann klingt das höchst sonderbar. Es hat doch keinen Sinn, die Satzung völlig über Bord zu werfen, sondern in erster muss ein Konsens gefunden werden. Doch Worte wie ‚Werdet euch einig‘ sind nicht von Surkis Seite gefallen. An erster Stelle steht aber immer eine Vereinbarung, erst dann kann man sich darüber unterhalten, was in der Legislative gut oder schlecht ist. Für mich hat der tschechische Fußball erneut verloren.“

Zdeněk Zlámal: „Was die Auflösung der beiden Kammern anbelangt, dazu wurde vieles klar gesagt. Wir müssen bis zum 24. Februar eine Einigung über eine Satzungsänderung erzielen. Die Lage ist wirklich nicht einfach, sondern sehr ernst.“

Hrabě war auch nicht besonders begeistert darüber, wie die Vollversammlung letztlich verlaufen ist. Für ihn war Roman Berbr ein weiteres Mal der große Strippenzieher im Hintergrund. Und dies könnte auch noch der frisch gewählte Verbandschef zu spüren bekommen, mutmaßt der Redakteur des Wochenmagazins „Týden“:

„Es gilt zudem festzuhalten, dass auf der Vollversammlung solche Begriffe und Themen wie Anstand, Transparenz oder Kampf gegen Korruption nicht gefallen sind. Es wurde immer nur über die Statuten gesprochen. Dabei hat sich Roman Berbr mittlerweile hierzulande nicht gerade das Renommee einer Anstandsperson erworben. Deshalb wird es Martin Malík zu Beginn nicht leicht haben, da er auch dank der Unterstützung Berbrs gewählt wurde.“

So bleibt am Ende zu konstatieren: Mit der Wahl von Martin Malík sind die Querelen an der Spitze des tschechischen Fußballs erst einmal beigelegt worden. Ob der neue Verbandschef aber nun bereits die Trendwende vollzieht, oder er auf dem steinigen Weg zu neuen Ufern schon bald strauchelt, dies werden schon die ersten zwei Monate des nächsten Jahres zeigen.

Autor: Lothar Martin
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