Berlin: Langzeitdokus, zeitgenössische Malerei und junge Autoren
Besonders der Dokumentarfilm steht in den kommenden Wochen im Tschechischen Zentrum Berlin im Fokus. Aber auch Musikbegeisterte und Leseratten kommen auf ihre Kosten. Mehr zu den Veranstaltungen des Zentrums im Interview mit der stellvertretenden Leiterin Christina Frankenberg.
„Sehr gerne! Die Ausstellung heißt ‚Zwischen Hund und Wolf‘, das ist im Tschechischen der Ausdruck die blaue Stunde, also das besondere Licht in der Dämmerung. Die beiden Künstler kennen sich schon eine ganze Weile und haben eine ähnliche Art, über Kunst nachzudenken. Die Werke, die sie malen, sind aber ganz unterschiedlich. Beide hat es gereizt, einmal gemeinsam auszustellen. Diese Ausstellung wird in der Galerie des Tschechischen Zentrums zu sehen sein. Thomas Helbig ist ein markanter Vertreter der jüngeren und mittleren Generation der Kunst in Deutschland, er hat aber auch schon mit angesehenen Galerien in anderen Ländern zusammengearbeitet. In seinem Werk finden sich Verweise auf die Avantgarde und den Surrealismus sowie eine Erforschung und Dekonstruktion der Sprache des Modernismus. Luděk Rathouský ist einige Jahre jünger als Thomas Helbig, er ist Künstler, Kurator und Leiter der ‚Meisterklasse Malerei‘ an der Technischen Universität in Brünn. Er lebt und arbeitet in Prag. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit der Reflektion von mittelalterlicher Malerei und aktualisiert sie im visuellen und gesellschaftlichen Kontext.
„Beide Künstler kennen sich schon eine Weile, doch sie malen ganz unterschiedliche Bilder.“
Die Werke beider Künstler unterscheiden sich sehr stark, wenn man sie nebeneinander ausgestellt sieht. Luděk Rathouský malt monumental und großformatig, seine Bilder haben eine Leuchtkraft, die an gotische Werke erinnert. Thomas Helbig Arbeiten zeichnen sich eher durch eine schwere barocke Dunkelheit aus. Interessant ist auch noch, dass beide Künstler die Galerie des Tschechischen Zentrums mit Hilfe eines großen roten Samtvorhangs verwandelt haben, sodass sie nun ganz anders aussieht, als man das aus vergangenen Ausstellungen gewohnt war.“
Bleibt noch hinzuzufügen, dass die Ausstellung bis 6. April läuft. Und damit rutschen wir schon rüber in den März. Dokumentarfilm ist das Stichwort. Helena Třeštíková ist die tschechische Meisterin dieses Faches. Und davon können sich die Interessierten vom 2. bis 20. März selbst überzeugen. Was wird alles bei der Werkschau Helena Třeštíková zu sehen und zu erleben sein?
„Ich freue mich sehr, dass es endlich gelungen ist, eine solch umfangreiche Werkschau zusammenstellen und hier in Deutschland zu zeigen. Helena Třeštíková hat insgesamt über 50 Dokumentarfilme gedreht. Sie ist bekannt geworden durch ihre Langzeitdokumentationen, wie zum Beispiel von jungen Strafgefangenen oder auch tschechischer Ehepaare. Außerdem hat sie Filme gedreht, in denen sie sich mit starken Persönlichkeiten auseinandersetzt, die in den Sog des 20. Jahrhunderts geraten sind. Alle diese Themen sind auch in der Werkschau präsent. So zeigen wir Mallory, Marcela und Katka aus dem Zyklus über die jungen Strafgefangenen, die Helena Třeštíková über viele Jahre begleitet hat – und die zum Schluss auch gar nicht mehr so jung sind. Aus den Dokumentationen über Ehepaare sind es bei uns die Geschichten von Susanne und Stanislav sowie von Ivana und Václav. Und von den Filmen, die sich mit den Persönlichkeiten im Wirbel des 20. Jahrhunderts beschäftigen, möchte ich den Film ‚Hitler, Stalin und Ich‘ oder auch ‚Zkáza krásou‘ erwähnen. Das ist der Film, der sich mit Leben von Lída Baarová beschäftigt. Die Filme sind vom 2. März bis zum 20. März im Kino Arsenal zu sehen. Es handelt sich um eine gemeinsame Veranstaltung mit uns. Außerdem freut mich sehr, dass wir an am 2. und 3. März auch Helena Třeštíková hier in Berlin begrüßen dürfen. Sie wird die Filme, die an diesen Tagen laufen, persönlich vorstellen.“Musik haben Sie auch im Programm. Am 10. März heißt es nämlich wieder Wilhelmstr. unplugged. Welche Band oder welches Projekt wird dann bei Ihnen zu sehen und zu hören sein?
„Wir haben dieses Mal ein junges Duo aus Brünn eingeladen. „Himalayan Dalai Lama“ nennt sich dieses Projekt. Die beiden Musiker spielen eine Verbindung aus verschiedenen Stilen. Die beiden jungen Künstler arbeiten zwar noch nicht lange zusammen, sind aber in Tschechien relativ erfolgreich und bekannt geworden. Sie haben den Czecking-Wettbewerb gewonnen, den Preis für den tschechischen Musikexport. Dadurch konnten sie beim Showcase Festival Eurosonic in Groningen auftreten. Außerdem waren sie auch auf dem größten tschechischen Musikfestival Colours of Ostrava zu Gast. Jetzt am 10. März werden sie das erste Mal in Berlin zu hören sein.“
Wir haben schon die Dokumentarfilme von Helena Třeštíková erwähnt. Am Montag, 20. März, reiht sich noch eine weitere Dokumentarfilmerin aus Tschechien an. Lenka Ovčáčková hat die tschechisch-deutsch-österreichische Grenzgegend im Böhmerwald besucht und ist dort wohl auf tiefe Kontraste gestoßen. Zumindest heißt so ihr Film…
„Lenka Ovčáčková erzählt Geschichten aus dem Dreiländereck, die man noch nicht unbedingt gehört hat.“
„Lenka Ovčáčková setzt sich in ihrem Film mit der Kulturlandschaft des Böhmerwaldes auseinander, dabei hat sie sehr interessante Gesprächspartner gefunden, von allen Seiten dieses Dreiländerecks. Die Menschen erzählen sehr ungewöhnliche Geschichten vom Zusammenleben und vom Trennenden in der Region im 20. Jahrhundert.
Diese Geschichten hat man noch nicht unbedingt gehört, auch wenn man sich schon länger mit dem Zusammenleben von Deutschen, Tschechen und Österreichern in den Grenzregionen beschäftigt hat. Es geht beispielsweise darum, wie Tschechen aus Rumänien nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Gegend kamen und sie neu besiedeln sollten, nachdem die deutschen Bewohner das Land verlassen mussten. Und ihr Gesprächspartner erinnert sich, wie schwierig es für diese Tschechen war, sich in der rauen Umgebung der Berge zurechtzufinden, nachdem ihre Familien viele Jahrhunderte in Rumänien gelebt hatten und an den dortigen Wein, die Sonne und das milde Klima gewöhnt waren. Oder es werden Geschichten erzählt von Immigranten, die das Land verlassen mussten und gleich hinter der Grenze in Österreich kleine provisorisch Holzbarracken errichteten, weil sie davon ausgingen, dass es nur wenige Monate dauern würde, bis sie wieder in ihre alte Heimat zurückkommen könnten. Was sich dann natürlich als falsch herausgestellt hat. Mir persönlich haben besonders die kultivierten und interessanten Gesprächspartner gefallen, die Lenka Ovčáčková zu Wort kommen lässt. Sie wissen sehr viel über die Region, und man merkt ihnen an, dass sie ein sehr persönliche Beziehung zu der Gegend haben.“Einen Tag später wird bei Ihnen eine Buchpremiere vorgestellt. Es handelt sich um Texte von jungen oder relativ jungen tschechischen Literaten, die nun auch Deutsch erscheinen. Und drei der Autoren kommen auch ins Tschechische Zentrum…
„Die Erzählungen erscheinen zum ersten Mal in dieser Zusammenstellung.“
„Wir werden das Buch ‚Die letzte Metro‘ mit junger Literatur aus Tschechien vorstellen. Es handelt sich aber nicht einfach um eine Übersetzung aus dem Tschechischen, sondern diese Erzählungssammlung erscheint zum ersten Mal in dieser Zusammenstellung. Der Autor, Rundfunkredakteur und Tausendsassa Martin Becker, der auch schon zu Gast im Tschechischen Zentrum war, gibt diesem Band zusammen mit der Übersetzerin Martina Lisa heraus. Sie haben sich Autoren herausgesucht, die in Tschechien größtenteils durch kürzere Erzählformen bekannt geworden sind, schon mehrere Bände verlegt haben, aber noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Wir werden den Band zweimal vorstellen. Am 21. März werden hier bei uns im Tschechischen Zentrum dann außer den Herausgebern auch die Autoren Petr Hruška, Dora Kaprálová und Michal Šanda dabei sein. Einen Tag später geht es dann nach Leipzig, wo wir den Band am Vorabend der Buchmesse vorstellen. Auch dort sind Petr Hruška, Michal Šanda und die Herausgeber dabei sowie mit Tereza Semotamová eine weitere Schriftstellerin. Der Band ist übrigens im Verlag Voland & Quist erschienen.“