Hamlet, Effi Briest und viel Politik: Prager Theaterfestival deutscher Sprache
Es ist seit mittlerweile über 20 Jahren einer der wichtigsten Termine im Prager Theaterkalender: das Theaterfestival deutscher Sprache. In diesem Jahr ist es außergewöhnlich politisch. Im Mittelpunkt steht die Sicht auf aktuelle Herausforderungen, aber auch Fragen der Vergangenheit. Natürlich bringen die großen deutschen Schauspielhäuser auch künstlerisch frischen Wind in die tschechische Theaterszene. Ein Gespräch mit Chef-Dramaturg Petr Štědroň über die Highlights und sowie den tschechisch-deutschen Dialog auf den Bühnen der tschechischen Hauptstadt.
„Wir zeigen ab 19. November insgesamt zehn Vorstellungen deutscher Theater in Prag, einige davon zeigen wir auch mehrmals. Es ist schwer zu sagen, was die Highlights des Festivals sind. Aber bestimmt gehört dazu das Eröffnungsstück im Theater in den Weinbergen (Divadlo na Vinohradech Anm.d.Red.). Es ist Shakespeares Hamlet aus der Berliner Schaubühne in der Regie von Thomas Ostermeier. Das zweite Highlight ist bestimmt ‚Der Auftrag‘ vom Regie-Duo Tom Kühnel und Jürgen Kuttner aus dem Schauspiel Hannover. Vor allem, was die Arbeit mit dem Text, die szenische Lösung und das Bühnenbild angeht. Da es immer drei Highlights sein sollten, gehört dazu sicher auch Effi Briest aus dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg in der Regie von Clemens Sienknecht, ganz am Ende des Festivals. Der ganze Roman von Fontane wird hier nacherzählt, aber in einer ganz anderen Art und Weise.“
„Das deutsche Theater ist ganz einfach anders“
Sie haben aber auch eine eigene Produktion im Programm…
„Wir versuchen ja jedes Jahr, alle deutschsprachigen Länder mit einzubeziehen. Diesmal haben wir im Falle Luxemburgs eine besondere Variante gewählt. Wir haben deshalb zusammen mit der luxemburgischen Botschaft und dem Theater Studio hrdinů ein neues Stück produziert, nach einer Erzählung von Roger Manderscheid.“
Warum ist das Festival auch nach nun mehr als 20 Jahren künstlerisch und gesellschaftlich noch so wichtig? Was können denn das deutsche und das tschechische Theater voneinander lernen?„Das deutsche Theater ist ganz einfach anders. Es ist viel zeitgenössischer in dem Sinne, dass es sehr schnell auf aktuelle Phänomene reagiert. Für die tschechische Theaterlandschaft gibt das deutsche Theater Impulse durch Inszenierungen, die mit anderen Mitteln und Texten arbeiten. Das ist sehr erfrischend und bringt aber auch den deutschen Schauspielhäusern etwas. Im Grunde ist das Festival ein Raum des Dialogs.“
Das Motto des Festivals dieses Jahr ist „Virus Wir“, und auch sonst möchten Sie eine starke politische Note setzen. Was bedeutet das genau?
„Darüber muss man sprechen – was aber für das tschechische Theater nicht so üblich ist“
„Wir wissen ja, was uns umgibt zurzeit in Europa und dass zum Beispiel die Migrationsfrage zurzeit sehr wichtig ist. Darüber muss man sprechen – was aber für das tschechische Theater nicht so üblich ist. Deshalb haben wir auch eine Inszenierung aus dem Berliner Maxim-Gorki-Theater eingeladen: ‚The Situation‘ in der Regie der israelischen Regisseurin Yael Ronen. Dort wird die aktuelle Lage von Migranten in Deutschland beschrieben. Ebenfalls aus dem Maxim-Gorki-Theater zeigen wir ‚Und dann kam Mirna‘ von Sybille Berg. Das ist nicht so politisch im klassischen Sinne, sondern eher eine Lebensreflexion.“
Sie beschäftigen sich aber nicht nur mit den aktuellen Fragen, sondern gehen auch etwas zurück…„Es geht um die sogenannte Vergangenheitsbewältigung, die sich schon seit Jahrzehnten auf den deutschen Bühnen abspielt. Wir haben dazu ein Stück aus dem Staatstheater Karlsruhe, ‚Stolpersteine Staatstheater‘. Diese Inszenierung zeigt uns die konkrete Geschichte der zwei Stolpersteine vor dem Theater in Karlsruhe, beziehungsweise der Personen dahinter. Sie waren Opfer der nationalsozialistischen Bürokratie.“
Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache findet von 19. November bis 5. Dezember in mehreren Theatern in Prag statt. Mehr Informationen finden Sie unter www.theater.cz, auch auf Deutsch.
Wie in jedem Jahr vergibt eine unabhängige Jury wieder den Josef-Balvín-Preis für die beste tschechische Umsetzung eines deutschsprachigen Dramas. In diesem Jahr wird eine ganz interessante Inszenierung eines interessanten österreichischen Dramatikers ausgezeichnet. Worum geht es, und warum ist die Wahl so ausgefallen?
„Der diesjährige Preisträger ist die Inszenierung der ‚Pornogeographie‘ in der Regie von Michal Hába, die eigentlich aus der freien Szene stammt. Es handelt sich um eine tschechische Uraufführung des gleichlautenden Textes von Werner Schwab.“