Eintauchen in das Universum der Nachbarsprache – neues Projekt von Tandem
Galaktisch wird es zu gehen in den nächsten drei Jahren für das neue Projekt des Vereins Tandem. Hierfür fehlt es nur noch an ausreichend kleinen Raumfahrern, die sich dem unendlichen Sprachenkosmos stellen wollen. Die Begleiter für diese Reise stehen schon fest. Bei der Vorstellung des Projektes in Plzeň / Pilsen wurden die ersten Teilnehmer in die Arbeit der Medinautis eingeführt.
Obwohl die Länder so nah beieinander liegen, gibt es Verständigungsprobleme. Das soll zukünftig durch frühkindliche Förderung in den Grenzgebieten Deutschlands anders werden. Tandem, das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch hat zu einem festlichen Projektauftakt mit Namen „Sousední světy – Nachbarwelten“ unweit des Marktes in Pilsen eingeladen. In das Thema eingeführt wurde das Publikum vom Leiter der Kulturabteilung in der Deutschen Botschaft in Prag, Dieter Fuchsenthaler:
„Im Deutschen gibt es ein Sprichwort: ‚Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr‘. Der kann zwar immer noch lernen, aber es fällt ihm später wesentlich schwerer. Die Zahl der Deutschlehrer ist in Tschechien rückläufig. Gerade deswegen ist das Projekt Nachbarwelten eine ausgezeichnete Möglichkeit, schon bei Kindern mit der Sensibilisierung für die Sprache und Kultur des Nachbarlandes zu beginnen. Frühkindliche Erziehung bildet den Grundbaustein für die Entwicklung eines Kindes. Der Aspekt des interkulturellen Lernens ist in diesem Zusammenhang in unserer heutigen Zeit, in der die Welt immer näher zusammenrückt, bedeutend.“Begegnungen mit dem Nachbarland fördern
Tandem hat sich zum Ziel gesetzt, die Beziehungen zwischen jungen Menschen aus Deutschland und Tschechien zu fördern. Projekte wie „Schritt für Schritt ins Nachbarland“ ernteten hohen Zuspruch und feierten bereits große Erfolge. Es richtete sich damals schon an tschechische und deutsche Kinder von drei bis acht Jahren entlang der 800 Kilometer langen Grenze.Neue Partnerschaften wurden zwischen Kindertagesstätten, Horten, Grundschulen, Vereinen und Jugendorganisationen im jeweiligen Nachbarland geknüpft. Nachdem dieses Projekt abgeschlossen war, kam auch wieder frischer Wind in die Ideenküche mit „Sousední světy – Nachbarwelten“. Projektmitarbeiterin Ulrike Fügl:
„Wir wollen vor allem mit diesem Sprach- und Medienprojekt unseren Wirkungskreis ausweiten. Wir wollen alles miteinander verknüpfen und möglichst viel von den Ideen der Kinder auffangen, abwägen und damit arbeiten. Mit Nachbarwelten – Sousední světy können die Kleinen die Alltagswelt in den deutsch- tschechischen Grenzgebieten entdecken. Dies soll uns durch verschiedene Projekte in Einrichtungen gelingen. Die Kinder werden zudem die Möglichkeit haben, besser mit ihren eigenen Erfahrungen und Begegnungen zum Nachbarland umzugehen. Das heißt: Wie erinnere ich mich an diese Begegnung und was könnte daraus entstehen, wenn ich mit meinem Kindergarten oder mit meinem Verein ins Nachbarland fahre?“
„Medinautis“ erschließen das Universum der Sprache
Ulrike Fügl erklärt, wie Kinder nicht nur ein Programm kriegen können, welches sie ab arbeiten müssen. Sondern auch, wie sie sich wirklich aktiv daran beteiligen. Das funktioniert am besten mit den Neuen Medien, doch es können auch alte Klassiker sein wie Bücher, CDs oder Hörspiele. Für diese Arbeit in den Einrichtungen braucht es geschulte Mitarbeiter. Diese haben von den Organisatoren den Namen Medinautis bekommen. Ein Wortspiel mit den Begriffen Medien und Kosmonaut beziehungsweise Astronaut. Sie sollen Projektideen einfach umsetzen können und den Kindern die Möglichkeit geben, mit neuen und alten Medien das Nachbarland zu entdecken. Die Medinautis sind im Großen und Ganzen zwar Pädagogen, mit Medien haben alle aber noch nicht gearbeitet. Eine Kostprobe der Sprachförderung durch die Medinautis hielten die Veranstalter noch für das Publikum bereit. Die zukünftige Medinauti Petra Zahradničková animierte das Publikum zum Mitmachen. Es wurde beispielsweise eine Geschichte vorgelesen, die auf Deutsch anfing und danach etappenweise ins Tschechische übersetzt wurde. Dabei waren bestimmte Wörter mit einer Aktivität verbunden. So las die Medinauti das Signalwort „begrüßen“ oder „zdravit“ vor, und die Zuschauer riefen laut „Ahoj“ oder „Hallo“. Beim Wort „sprechen“ beziehungsweise „mluvit“ waren die Zuhörenden aufgefordert, ein wenig zu brabbeln.Eine Möglichkeit ist auch, dass die Medinautis auf Internationalismen und Germanismen in der Sprache hinweisen. Das sind oft die gleichen Wörter in der deutschen und der tschechischen Sprache, wie zum Beispiel Tasche und taška oder Banane und Banán.
Petra Zahradničková erklärt, wie ihre Arbeit in der nächsten Zeit aussehen wird:
„Ich gehe mit anderen Kolleginnen und Kollegen in die Einrichtungen entlang der deutsch-tschechischen Grenze. Wir werden Kindergärten und Schulen besuchen und mit den Kindern spielen. Jeder Medinauti kann bis zu acht Mal in solche Einrichtung fahren. Diese Besuche werden dann ungefähr einen halben Tag dauern.“
Bei den Besuchen können die Kinder so auch gleich erfahren, was sie beim nächsten Mal erwartet. Dennoch wird es zwischen den Zusammenkünften einen kleinen Leerlauf geben. Wobei die Lehrkräfte und Erzieher in den jeweiligen Einrichtungen angehalten sind, das Projekt mitzugestalten. Das Alter der teilnehmenden Kinder wurde festgelegt auf drei bis acht Jahre. Projektmitarbeiterin Ulrike Fügl schildert, warum man sich genau für diese Altersgruppe entschieden hat:
„Wir haben uns überlegt: Was machen wir? Können wir überhaupt was machen? Dann haben wir gedacht: Ok, es gibt einige Schrauben, an denen wir drehen können. Eine Schraube ist das Alter der Zielgruppe. In dem Bereich sind wir ziemlich frei, anders als beim Zielgebiet, das die deutsch-tschechische Grenzregion ist. Durch die Rückmeldungen haben wir uns dann überlegt, das Projekt auch über den Elementarbereich hinaus für andere Einrichtungen interessant zu machen. Die Spanne zwischen drei und acht Jahren ist nicht sehr groß. Da können wir mit relativ ähnlichen Mitteln, Methoden und Ideen das Projekt abdecken.“
Mehr Schüler sollen die Sprache des Nachbarlandes lernen
Das Projekt möchte mit „Nachbarwelten – Sousední světy“ bis zu 120 Einrichtungen begeistern. Bis dahin kann Tandem – das Koordinierungszentrum des Deutsch-Tschechischen Jugendaustauschs – auf einen gut bestückten Verteiler zurückgreifen, um einige Einrichtungen von der Idee einer frühkindlichen Sprachförderung zu überzeugen. Ansonsten wird versucht, flächendeckend im ganzen Grenzgebiet Flyer zu dem Projekt zu verteilen und Einladungen an die jeweiligen Häuser zu versenden. Aber nicht nur die Einrichtungen müssen gefunden werden, sondern auch der passende Medinauti. Lucie Tarabová ist eine der Pädagogen und schildert ihre Beweggründe, ein Teil des Projektes zu werden:„Ich interessiere mich sehr für Medienprojekte und auch für vorschulische Projekte. Zuhause habe ich selbst zwei kleine Töchter. Bei der älteren Tochter, die vier Jahre alt ist, sehe ich, wie sehr sie sich für Neue Medien begeistert. Mich interessiert wiederum, wie ich die Kinder motivieren kann, die Medien sinnvoll zu nutzen. Selber fasziniert mich die deutsche Sprache, und das will ich auch den Kindern vermitteln. Ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, wie man die Kinder mit Medien für Deutsch und Deutschland begeistern kann und umgekehrt für Tschechisch und Tschechien.“
Beim Projekt „Sousední světy – Nachbarwelten“ ist man sehr optimistisch. Das Programm solle in den nächsten Jahren zum Gesprächsthema in der Grenzregion werden, so Ulrike Fügl. Die Kinder sollen zudem viel lernen und das Interesse für den Nachbarn nicht so schnell verlieren. Vor allem wünscht sich Ulrike Fügl aber, dass die Kinder sich aktiv an den Besuchen beteiligen und viel Spaß an dem Projekt zeigen. Und vielleicht wird in Zukunft im deutschen Grenzgebiet der Anteil der Schüler wachsen, die Tschechisch als Fremdsprache wählen. Möglicherweise werden die später erwachsenen Schüler sich in Pilsen auf den Wenzelsmärkten wiederfinden und gemeinsam zu tschechischen Schlagern schunkeln.