Olympia: Lukáš Krpálek holt erstes Gold für Tschechien in Rio und im Judo

Lukáš Krpálek (Foto: ČTK)

Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ist etwas mehr als die Hälfte der Wettkämpfe absolviert. Die Tschechische Republik, die vor vier Jahren in London elf Medaillen gewann, hat ebenfalls schon über die Hälfte dieser Ausbeute wieder eingetütet: sechs Medaillen. Allerdings glänzt nur eine davon golden –sie hat Lukáš Krpálek im Judo-Halbschwergewicht geholt.

Lukáš Krpálek  (Foto: ČTK)
Vor Rio hatte Tschechien bei Olympischen Sommerspielen insgesamt 45 Medaillen erobert. Sie gingen auf das Konto von elf Sportarten. Judo gehörte nicht zu ihnen. Das aber hat sich nun geändert. Seit vergangenem Donnerstag hat auch der tschechische Judosport seine olympische Erfolgsgeschichte. Sie wurde geschrieben von Lukáš Krpálek, einem 25-jährigen Judoka aus Jihlava / Iglau, der außer beim dortigen Sportklub auch in Prag trainiert. Vor vier Jahren hatte Krpálek in London seinen olympischen Einstand gegeben, dabei belegte er im Halbschwergewicht den siebten Platz. Inzwischen ist er gereift und in seiner Gewichtsklasse bereits einmal Weltmeister und zweimal Europameister geworden. In Rio aber gelang Krpálek nun sein absolutes Meisterstück. In fünf Kämpfen war er nicht zu schlagen, so dass er sich nach dem Finale über die Goldmedaille freuen konnte:

„Ich bin überaus glücklich, dass ich Olympiasieger geworden bin, denn so etwas passiert nun wirklich nicht alle Tage. Es ist ein wunderbares Gefühl, das ich jetzt eine lange Zeit genießen werde. Auch wenn ich sagen muss, dass ich das alles noch gar nicht so recht wahrhaben kann. Das werde ich wohl erst nach einiger Zeit realisieren.“

Die Freude über seinen Triumph sei auch deshalb so groß, weil er die Hoffnungen und Erwartungen seiner Familie und seines engsten Freundeskreises nicht enttäuscht habe. Die hohe Erwartungshaltung habe ihm indes zu schaffen gemacht, gestand Krpálek in einem Telefongespräch mit dem Tschechischen Rundfunk:

„Ich bin überaus glücklich, dass ich Olympiasieger geworden bin, denn so etwas passiert nun wirklich nicht alle Tage. Es ist ein wunderbares Gefühl, das ich jetzt eine lange Zeit genießen werde.“

„Vor Olympia war ich schrecklich nervös, denn jeder hat von mir den Gewinn einer Medaille erwartet. Das war nicht leicht für mich. In jener Zeit gab es Momente, in denen ich nicht nur nervös, sondern auch unangenehm war.“

Diejenige, die dennoch Verständnis zeigte, ihn beruhigte oder auch immer wieder aufrichtete, sei seine Frau Eva gewesen. Sie und sein erst kurz vor den Spielen geborener Sohn Antonín hätten ihn selbst dann beinahe auch davon abgehalten, den Flieger nach Rio zu besteigen, gibt Krpálek zu. Umso größer ist jetzt seine Freude über den Olympiasieg:

„Mein Leben ist derzeit wie ein Märchen, vor allem im letzten Jahr. Mir gelingt so viel, auch weil ich eine phantastische Familie habe, die zu Hause auf mich wartet. Dazu habe ich einen wunderbaren Sohn, auf den ich mich schon freue. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihm eine Medaille mitbringe.“

Die intakte Familie und die Bereitschaft, Frau und Sohn ein großes Geschenk machen zu wollen, waren indes nicht alle Gründe für Krpáleks besondere Motivation in Rio. Ein weiterer Grund bezieht sich auf ein wenig erfreuliches Ereignis:

Lukáš Krpálek  (Foto: ČTK)
„Ich habe heute ebenso für meinen einmaligen Freund gekämpft, der leider nicht mehr lebt. Auch aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass mir dieser Triumph gelungen ist.“

Der Freund, von dem Krpálek sprach, war sein ehemaliger Judo-Teamkollege Alexander Jurečka. Er ist im vergangenen Jahr beim Tauchen im italienischen Gardasee tödlich verunglückt. Jurečka wurde nur 24 Jahre alt.

Um den Olympiasieg zu erreichen, musste Krpálek an einem einzigen Tag alle fünf Kämpfe erfolgreich absolvieren. Dank seiner Erfahrung wusste der 25-Jährige nur zu gut, dass er dazu von Anfang voll da sein muss: (Im Vorfeld hatte er daher noch gesagt:)

„Für mich am schwersten wird der erste Kampf. Wenn ich den gut meistere, bin ich überzeugt, dass ich mich in den weiteren Duellen steigern kann. Dann dürfte ich schon mehr an mich und meine Stärken glauben.“

„Ich habe heute ebenso für meinen einmaligen Freund gekämpft, der leider nicht mehr lebt. Auch aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass mir dieser Triumph gelungen ist.“

Und genauso ist es dann auch gekommen. In seinem ersten Kampf hatte Krpálek den unangenehmen Jorge Fonseca zum Gegner. Der quirlige Portugiese ging mit der technischen Wertung eines Yuko schnell in Führung und versuchte diesen Vorteil über die Zeit zu retten. Dabei blieb er jedoch inaktiv und wurde wegen Passivität gleich dreimal verwarnt. Eine vierte Verwarnung wäre ein Ippon, also ein ganzer Punkt für Krpálek gewesen. Doch der Tscheche war nicht nur aktiver und konditionell stärker, sondern landete 22 Sekunden vor Schluss mit einem Waza-ari, einem halben Punkt, auch noch die entscheidende Wertung. Danach war Krpálek nicht mehr aufzuhalten, was auch seinen Trainer Petr Lacina freute:

Lukáš Krpálek und  Elmar Gasimov  (Foto: ČTK)
„Lukáš hat nicht nur seine Muskeln spielen lassen, sondern auch durch seine psychische Stärke überzeugt. Lediglich der Kampf mit Fonseca ist ihm ziemlich sauer aufgestoßen, ihm war im Magen übel, was ein Anzeichen von hohen Laktat-Werten ist. Doch er hat diese missliche Situation überstanden und wurde danach immer besser, auch wenn er im Kampf mit dem Kasachen Maxim Rakow keinen guten Beginn hatte. Exzellent aber war sein Halbfinalkampf mit Cyrille Maret. Er hat den Franzosen sowohl technisch als auch physisch und psychisch beherrscht. Und auch das Finale gegen Elmar Gassimow hat er in großem Stil bestritten. Es gab zwar ein kleines Risiko, weil der Aserbaidschaner eine starke Kontertechnik hat, doch Lukáš wusste das. Am Ende hat er eine Unaufmerksamkeit von Gassimow zu seinem Vorteil genutzt. Er ist ein Champion.“

Bei jedem Kampf des werdenden olympischen Champions haben seine Fans in der Heimat kräftig mitgefiebert. Ganz besonders aber seine Trainingsgefährten und Freunde in der Prager Sporthalle Na Folimance. Sie waren nicht zu überhören. Und auch seine Frau Eva, die die Fernsehübertragungen in der Halle mitverfolgte, war am Ende des Erfolgstages von Lukáš völlig mitgerissen:

„Das ist ein tolles Gefühl. Ich bin sehr stolz auf ihn. Ich habe darauf gehofft, dass er die Goldmedaille holen kann, doch selbst wenn er keine Medaille gewonnen hätte, wäre nichts passiert. Mir fehlen einfach die Worte.“

Lukáš Krpálek  (Foto: ČTK)
Dafür hat ihr Gatte und Olympiasieger Lukáš Krpálek nun umso mehr zu erzählen. Den Hörern des Tschechischen Rundfunks verriet er, dass er nach seiner Rückkehr nicht nur mit der Familie und den Freunden richtig feiern wolle. Sondern er plane auch, in seinem Heimatdorf Jezdovice bei Iglau mit seiner aufgepeppten Jawa 250 viele Runden zu drehen. Und ab der nächsten Saison wolle er dann eine Kategorie höher, in der Gewichtsklasse über 100 Kilogramm an den Start gehen. Er suche nämlich eine neue Herausforderung, auch weil sich seine aktuellen Gegner im Halbschwergewicht darauf versteifen würden, zumindest einmal den Olympiasieger zu schlagen. Er selbst aber wolle, wenn er das nötige Gewicht samt Muskelmasse aufgebaut habe, auch gegen den scheinbar unbezwingbaren Teddy Riner antreten. Der Franzose ist zweifacher Olympiasieger und siebenfacher Weltmeister im Schwergewicht.

„Ich danke allen sehr dafür, dass sie mich zum Fahnenträger gewählt haben. Umso schöner ist es nun, dass ich nicht nur der tschechische, sondern auch der goldene Fahnenträger bin.“

Zurzeit genießt Krpálek noch ein paar Tage die Wettkämpfe der anderen Sportler in Rio als Zuschauer. Für einen Moment aber war er schon zu Beginn der Spiele sehr ergriffen – das Gros der tschechischen Olympioniken hatte ihn zum nationalen Fahnenträger für die Eröffnungsfeier der Spiele auserkoren.

„Ich danke allen sehr dafür, dass sie mich zum Fahnenträger gewählt haben. Umso schöner ist es nun, dass ich nicht nur der tschechische, sondern auch der goldene Fahnenträger bin.“


Petra Kvitová,  photo: ČTK
Hinter ihrem Fahnenträger aber haben sich auch die anderen tschechischen Sportler nicht versteckt. Und besonders nicht zwei Wassersportler und fünf Tennisprofis. Denn sie gewannen die bisher anderen fünf Medaillen für Tschechien, die allesamt bronzen glänzen. Es sind der Wildwasserkanute Jiří Prskavec, der Ruderer Ondřej Synek, die Tennisspielerinnen Petra Kvitová, Barbora Strýcová und Lucie Šafářová, die Dritte im Damen-Einzel beziehungsweise Doppel wurden, sowie ihre Teamkollegin Lucie Hradecká und Tennisspieler Radek Štěpánek, die das kleine Finale im Mixed gewannen.

Autor: Lothar Martin
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