Wilderer und schwache Gene – Der Luchs ist im Böhmerwald erneut bedroht
Luchse sind in Mitteleuropa äußerst selten. Die größte Population dieser Wildkatze besteht im tschechisch-deutsch-österreichischen Grenzgebiet. Doch dort, in Böhmerwald und Bayerischem Wald, sind die Luchse erneut stark bedroht.
„Der Luchs lebt sehr versteckt, daher bekommen nur die wenigsten Menschen ihn auch einmal zu Gesicht. Etwas leichter ist es, im Winter seine Spuren im Schnee zu finden. Weil die Tiere so scheu sind, ist es schwer, sie zu zählen. Effizient und auch auf bezahlbare Weise geht dies mit sogenannten Fotofallen. Das sind Videogeräte, die auf Bewegungen reagieren und anspringen. Dadurch entstehen gute Aufnahmen von den Luchsen. Wir können die Tiere dann anhand der Flecken auf dem Fell voneinander unterscheiden, jedes hat ein eigenes Muster. Und so lässt sich die Größe einer Luchs-Population ermitteln.“
Eine neue europäische Studie zeigt nun aber, dass die Luchse in Mitteleuropa schwer bedroht sind.„Die Studie kommt eigentlich aus dem Bayerischen Wald, dort wurden genetische Proben von Luchsen gesammelt. Die Analyse hat gezeigt, dass die Luchspopulation bei uns gefährdet ist, weil sie nur geringe Variationen im Erbmaterial aufweist. Das heißt, es steigt die Gefahr der Inzucht und der dadurch verursachten Krankheiten. Sollte das Genmaterial weiter verarmen, könnten die Luchse die kommenden Jahrzehnte vielleicht nicht überleben“, so Josefa Volfová.
Isolation in Mitteleuropa
Für etwa 150 Jahre lang galt der Luchs in unseren Breiten als ausgerottet. Die Nahrung für das Raubtier war knapp geworden, und es wurde gejagt. Im Bayerischen Wald schlug der Wildkatze mit den Pinselohren beispielsweise 1846 das letzte Stündchen. Alle Luchse in Mitteleuropa sind heute also Wiederauswilderungen. Als problematisch erweist sich nun aber, dass es weiterhin nur wenige Lebensräume für sie gibt.„Die Luchspopulation in Mitteleuropa lebt praktisch isoliert. Das nächste Siedlungsgebiet liegt in den Karpaten. Im tschechisch-deutsch-österreichischen Grenzgebiet gibt es nach unserem Wissen derzeit etwa 65 Luchse. Die Zahl könnte auch leicht höher liegen, aber 65 ist wohl eine recht gute Schätzung. Ende der 1990er Jahre war der Bestand jedoch größer gewesen.“
Damals beliefen sich die Schätzungen auf gut 100 ausgewachsene Exemplare der Wildkatze – und es bestand die Hoffnung, dass die Zahl noch steigen würde. Zumal amerikanische Studien gezeigt haben, dass Luchspopulationen sogar über 3000 Kilometer Entfernung ihr Erbmaterial austauschen können. Josefa Volfová:„Im Böhmerwald und im Bayerischen Wald haben die Tiere eigentlich ein geeignetes Umfeld, sie pflanzen sich auch regelmäßig fort. Doch ihre weitere Ausbreitung und damit auch die genetische Diversifizierung werden durch die Wilderei verhindert. Welches Ausmaß die Wilderei hat, können wir nur modellhaft erfassen. Denn nur in wenigen Fällen wird der Tierkadaver gefunden. Wir wissen jedoch, wie viele Weibchen die Luchs-Population hat und wie viele Jungtiere. Und diesen Zahlen nach müsste eigentlich die Population wachsen. Tatsächlich verschwinden aber jedes Jahr zehn bis zwanzig Prozent der Luchse – das bedeutet etwa zehn Tiere, die wir nicht mehr wiedersehen. Theoretisch könnten sie auch bei Wildunfällen auf der Straße verendet sein, doch solche Unfälle werden meist bekannt. Für die Wilderei haben wir zwar keine direkten Beweise, sondern nur grobe Schätzungen. Anhand der biologischen Modelle sind unsere Annahmen aber sehr fundiert.“
Wilderer verhindern Wanderung
Anders im Bayerischen Wald. Dort sind in den vergangenen Jahren immer wieder tote Luchse gefunden worden, Naturschützer sprechen bereits von einer Mordserie. Einer der letzten Fälle war Ende Dezember, als eine der Wildkatzen tot in einem Straßengraben bei Schönberg lag. Zunächst ging man davon aus, dass das Tier angefahren worden sei. Die Polizei stellte aber weitere Nachforschungen an. Dabei kam heraus, dass jemand den Luchs erdrosselt hatte.Ein Grund für die Wilderei ist wohl eine Art Streit um die Beute. Luchse reißen etwa 60 Rehe im Jahr. Und das führt zum Konflikt mit den Jägern, wie Naturschützerin Josefa Volfová erläutert:
„Der Luchs wird zum Konkurrenten. Er frisst die Rehe, die die Jäger schießen wollen. Der zweite Grund ist das Fell des Luchses, es gilt als wertvolle Trophäe.“Am vergangenen Wochenende erst hat sich Josefa Volfová mit deutschen Kollegen und weiteren Fachleuten zu einem Seminar getroffen. Bei der Veranstaltung im südböhmischen Prášily / Stubenbach ging es vor allem um die Frage, wie man Aufklärungsarbeit leisten kann über den Luchs.
„Wir haben dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen, die ganze Debatte war sehr interessant. Es war zu erkennen, dass in Deutschland viel Wissen zu dem Thema besteht. Dort wurden beispielsweise gute Erfahrungen gemacht mit der Aufklärungsarbeit vor Ort und mit unterschiedlichen Veranstaltungen – etwa mit einem Luchs-Festival, mit Infoständen oder Konzerten zum Schutz des Luchses. Damit bildet sich unter den Anwohnern eine Gruppe, die sich für dieses Tier interessiert und will, dass es uns erhalten bleibt. Eine zweite Sache sind neue Empfehlungen für die deutsche Polizei. So werden die Beamten in konkreten Schritten angewiesen, wie sie mit einem toten Luchs verfahren sollten. Dasselbe besteht auch für die allgemeine Öffentlichkeit. Für uns in Tschechien ist das interessant, weil die Polizei hierzulande in diesem Bereich bisher nur wenig Erfahrung hat. Wir haben es schon erlebt, dass sie einfach nicht wusste, in welcher Weise sie beispielsweise DNA-Spuren des Tieres sichern kann“, so Volfová.
Die tschechischen Naturschützer wollen nun ihre Aufklärungsarbeit weiter intensivieren. So soll verhindert werden, dass der Luchs im Böhmerwald ein zweites Mal ausstirbt.