„Neue Akzente gesetzt“ – 25 Jahre Brünner Symposium

Foto: Archiv der Ackermann-Gemeinde

„Dialog in der Mitte Europas“ heißt eine tschechisch-deutsche Veranstaltung. Sie ist auch als Brünner Symposium bekannt, denn 2007 zog sie in die mährische Metropole um. Am vergangenen Wochenende trafen sich die Teilnehmer zum 25. Jahrgang. Dabei wurde unter anderem das Brünner Jahr der Versöhnung reflektiert. Auf Initiative des Oberbürgermeisters hatte sich die Stadt im Jahr 2015 für die Vertreibung der früheren deutschsprachigen Bewohner entschuldigt. Zur Geschichte des Brünner Symposiums nun ein Gespräch mit Martin Kastler, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde – dem Zusammenschluss sudentendeutscher Katholiken. Die Ackermann-Gemeinde richtet zusammen mit der tschechischen Bernard-Bolzano-Gesellschaft das Symposium aus.

Foto: Archiv der Ackermann-Gemeinde
Herr Kastler, warum hat sich das Brünner Symposium halten können im Kalender tschechisch-deutscher Veranstaltungen – und das seit 1992?

„Wir sind selbst überrascht, dass das Symposium immer noch so gut ankommt und sogar regelmäßig mehr Leute bei unserer Veranstaltung sind, als es je einer gedacht hätte. Daher sind wir glücklich darüber, wohl die richtigen Akzente gesetzt zu haben. Zuerst war es eine Veranstaltung in Iglau, die ‚Iglauer Gespräche‘. Dort wurde ohne Scheuklappen die deutsch-tschechische Vergangenheit diskutiert und sicher auch vieles auf den Weg gebracht, was heute Normalität ist in der deutsch-tschechischen Nachbarschaft. Dann kam aber die Zeit zu überlegen, mit einem neuen Ort einen neuen Akzent ins Spiel zu bringen. Ich denke, das ist mit Brünn gelungen. Wir sind sehr froh über die Zusammenarbeit mit der Stadt, ihre Offenheit uns und unseren Themen gegenüber hat dazu geführt, dass wir nicht in der Vergangenheit hängen geblieben sind, sondern in die Zukunft schauen. Wobei wir das gemeinsam als deutsche und tschechische Veranstalter – die Ackermann-Gemeinde und die Bolzano-Gesellschaft – tun. Zusammen haben wir uns vorgenommen, auch in den Diskussionen innerhalb unserer beiden Gesellschaften Akzente zu setzen und miteinander zu diskutieren. So kamen wir in den letzten Jahren immer mehr zum Thema ‚Europa gemeinsam gestalten‘ – und das aus tschechischer und aus deutscher Sicht, aber ebenso auch ein bisschen aus polnischem, slowakischem und österreichischem Blickwinkel. Ich glaube, das hat sich gelohnt – und daher können wir hier einen schönen Geburtstag feiern.“

Wenn man sich die Wirkung des Symposiums anschaut: 2015 hat Brünn als „Jahr der Versöhnung“ ausgerufen. Sehen Sie dies als etwas Besonderes an, dass solch eine Veranstaltung hier in Brünn stattgefunden hat, dem Ort des Symposiums? War es vielleicht auch ein Miterfolg?

„Das würde ich schon sagen. Wir sind vielleicht nicht die Väter des Erfolges, aber sicher auch ein bisschen das Düngemittel gewesen, damit in der Stadt gesagt wurde, dass man diese Themen offen diskutieren kann. Und so ist ja auch dieser Marsch der Versöhnung, dieses Jahr der Versöhnung initiiert worden: von Bürgern, die der Meinung waren, dass man dieses Jahr 2015 nutzen sollte. Diese Bürger waren auch mit der Ackermann-Gemeinde und unserem Symposium in Kontakt, sie kennen uns. Und sie haben zugleich in die Politik der Stadt hineingewirkt, so dass der Oberbürgermeister sich an die Spitze gestellt und dafür gekämpft hat, wobei er sogar Ärger einstecken musste. Aber er hat es durchgezogen, und das verdient große Anerkennung. Es gab ja auch einen starken Widerhall weit über Brünn hinaus, in Deutschland, in Österreich und in Tschechien, welches Symbol durch das Versöhnungsjahr gesetzt wurde.“

Martin Kastler  (Foto: Martina Schneibergová)
Sie haben beim Symposium auch zum sechsten Mal einen europäischen Essaywettbewerb veranstaltet. Was ist ihr Eindruck von dem Wettbewerb über die Jahre hinweg?

„Dieser Essaywettbewerb ist aus der Überlegung heraus entstanden, dass wir in der Studenten- und Universitätsstadt Brünn selbst eigentlich auch mehr Publikum haben wollten – und zudem in die Diskussion mit der jungen Generation treten sollten. Das ist uns ein Stück weit schon gelungen – es können aber gerne auch noch mehr werden. Wir haben kontinuierlich in all den Jahren auch Teilnehmer aus dem Spektrum der Universitäten vor allem in Brünn, aber auch darüber hinaus, an das Symposium gebunden. Denn wir wollten uns ja erneuern und verjüngen. Wenn man heute sich bei der Veranstaltung umschaut, sieht man auch ein interessantes, buntes, junges Publikum, das man gewöhnlich bei deutsch-tschechischen Symposien, Wochenendseminaren oder Veranstaltungen nicht trifft. Und das macht es so spannend.“


Das Thema des Brünner Symposiums war in diesem Jahr die Frage: „Wie viel Vielfalt vertragen unsere Gesellschaften?“ Mehr dazu in unserer Sendereihe „Schauplatz“ am 30. April.