Bahnhof Prag-Těšnov wieder in Betrieb - als Modellanlage im Stadtmuseum
Im März sind 30 Jahre vergangen seit dem Augenblick, als das inzwischen leer stehende Bahnhofsgebäude von Těšnov gesprengt wurde. Trotzdem erinnern Enthusiasten und Wissenschaftler immer wieder an den kunsthistorischen Wert, der mit der Sprengung verloren gegangen ist. Im Prager Stadtmuseum wird nun in einer Ausstellung ein Modell des Bahnhofs mit einer Modelleisenbahnanlage präsentiert.
Pavel Bek arbeitet im Historischen Institut der Akademie der Wissenschaften. Er ist spezialisiert auf die Geschichte des Verkehrs im 19. und 20. Jahrhundert und hat das Konzept der Ausstellung miterstellt. Über die Geschichte von Těšnov sagte er:
„Der Bahnhof wurde in den Jahren 1872 bis 1875 erbaut. Es war ein Kopfbahnhof der k. u. k. Österreichischen Nordwestbahn. Das war eine Bahngesellschaft, die in den Jahren 1869 bis 1909 Wien mit Děčín verband, und zwar über Jihlava, Havlíčkův Brod und Kolín, aber auch mit einem Abzweig nach Prag. Es war die schnellste Verbindung zwischen Wien und Berlin. Těšnov gehörte zu den schönsten Bahnhofsgebäuden in Europa.“Modelleisenbahnanlage von Těšnov
Die Mitarbeiter des Stadtmuseums haben sich jetzt entschieden, den Bahnhof wenigstens in verkleinerter Form wieder in Betrieb zu nehmen. Sie eröffneten eine Ausstellung, in deren Mittelpunkt eine große Modelleisenbahnanlage mit dem verschwundenen Prager Bahnhof steht. Tomáš Dvořák vom Stadtmuseum hat die Ausstellung gemeinsam mit Pavel Bek konzipiert. Zu sehen sei ein Modell des Bahnhofsgebäudes im Maßstab 1:87, sagt Dvořák:„Für die Herstellung des Modells wurde ein 3-D-Druck genutzt. Unsere Weihnachtsausstellungen stehen jedes Jahr im Zeichen des Erinnerns. Dies gilt auch für die jetzige. Zu sehen sind hier Fotografien aus den 1960er und 1970er Jahren, als der Bahnhof noch in Betrieb war, sowie einige Fotos, die das traurige Ende von Těšnov dokumentieren.“
Tomáš Dvořák bemerkt, er habe sich schon immer für die Eisenbahn interessiert. Für die jetzige Ausstellung habe er Inspirationen in Deutschland gefunden:„Sehr inspiriert hat mich das Modell des Anhalter Bahnhofs im Deutschen Technikmuseum in Berlin. Im Frühjahr haben wir vor unserem Museum mit einigen Schautafeln daran erinnert, dass Těšnov vor 140 Jahren erbaut und vor 30 Jahren abgerissen wurde. Wir bekamen viele positive Reaktion auf diese Ausstellung, deswegen haben wir uns entschieden, dieses Modell herstellen zu lassen. Das Bahnhofsmodell ist mit einer digital gesteuerten Gleisanlage verbunden, die den Betrieb in Těšnov simuliert. Es hängen hier Fahrpläne von 1960. Wer Lust hat, kann hier in die Rolle des Fahrdienstleiters von Těšnov schlüpfen.“
Těšnov auf Fotos und Lithografien
Zur Modelleisenbahnanlage gehört auch die Bahnstrecke, die über den Negrelli-Viadukt führt, unter dem sich der Bahnhofskopf befand. Der Viadukt ist ein interessanter Verkehrsbau. Es handelt sich um die älteste Eisenbahnbrücke über die Moldau und die längste Eisenbahnbrücke in Tschechien. Seit 155 Jahren ist sie in Betrieb. Rund um die große Modelleisenbahnanlage sind mehrere Großformat-Fotos zu sehen. Dazu Tomáš Dvořák:„Eine Serie von Fotos stammt vom Eisenbahningenieur Ondřej Řepka. Er schoss die Fotografien in der Zeit, als er an der Fachschule für Bahnverkehr studierte. Řepka hat einzelne Züge und Lokomotiven aufgenommen sowie die Straße vor dem Bahnhof. Einen besonderen Wert haben die Fotos von Oldřich Janovský. Das waren ursprünglich farbige Dias. Janovský war eigentlich Schauspieler von Beruf und hatte aber das Hobby, Prag systematisch zu dokumentieren. Er fotografierte meistens am Vormittag, wenn er Zeit hatte – und nicht nur den Bahnhof und seinen Stadtteil Žižkov, sondern auch andere Prager Stadtviertel. Es ist interessant, dass Schwarz-Weiß-Fotos immer nostalgisch wirken. Aber die Farbfotos, auch wenn sie um das Jahr 1970 entstanden sind, machen den Eindruck, als ob sie heute geschossen wären.“
Das Geschehen auf dem Bahnhof hat zudem der Maler Jiří Bouda dokumentiert. Seine Lithografien entstanden erstaunlicherweise erst in den Jahren 2002 und 2003, also lange Zeit nach dem Abriss der Bahnhofsgebäude.„Er verfügte wahrscheinlich über ein großes Fotoarchiv und hatte zudem ein sehr gutes Gedächtnis. Die Bilder vermitteln eine gute Vorstellung davon, wie es hier in der Umgebung ausgesehen hat, bevor die sogenannte Magistrale, also die Stadtautobahn, erbaut wurde. Der Maler Erhard Wagner-Horský hat wiederum Fotos geschossen, die den Betrieb auf dem Bahnhof dokumentieren. Der Künstler versuchte vor allem, die Menschen zu fotografieren, die in Těšnov arbeiteten. Interessant ist beispielsweise ein Foto, auf dem eine Lokomotive auf die Fahrt vorbereitet wird. Es war anspruchsvoll, eine Dampflokomotive zu warten. Die Fotos zeigen nicht nur Maschinen, Waggons und Lokomotiven, sondern vor allem auch Menschen – die Eisenbahner.“
Neben Fotos ist in der neuen Ausstellung beispielsweise auch die Uniform eines Bahnbeamten vom Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen.Die Ausstellung mit dem Titel „Bahnhof Prag-Těšnov wieder in Betrieb“ ist im Museum der Hauptstadt Prag zu sehen, und zwar bis 3. April kommenden Jahres. Das Museum ist täglich außer Montag geöffnet, die Öffnungszeiten sind 10 bis 18 Uhr.