Hinter Kafka hervorgeholt: Der Impresario und Vielschreiber Max Brod

Max Brod hat 80 Werke hinterlassen, war Literat, Komponist und Kritiker. In der Weltliteratur ist er jedoch vor allem: Kafkas Freund. Zu Lebzeiten der beiden deutschsprachigen Schriftsteller war allerdings Brod der Erfolgreichere und Bekanntere der beiden. Beim Wallstein-Verlag in Deutschland ist nun eine Werkausgabe erschienen. In dieser Woche wurde sie in der Prager Maisel-Synagoge vorgestellt.

Max Brod | Foto: Wikimedia Commons,  public domain
Der Ort für die Lesung, die prachtvolle Maisel-Synagoge, war gut gewählt: Die Auseinandersetzung mit dem Judentum ist eine Konstante, die sich durch das Werk von Max Brod zieht. 1939 verließ der jüdische Schriftsteller Prag – er musste, sagt der Germanist Hans Dieter Zimmermann:

„Ich glaube, er wäre nicht nach Palästina gegangen, wenn nicht die Nazis gekommen wären. Brod hatte Glück, dass er mit dem letzten Zug raus kam. Es heißt immer, er hatte auf dem Schreibtisch in Tel Aviv das Prager Telefonbuch von 1938. Das war doch seine Stadt.“

Seine Stadt: Im noch habsburgischen Prag wurde Brod 1884 geboren. Schon mit Mitte zwanzig war er ein gefeierter Autor und auch über Prag hinaus bekannt. Hans Dieter Zimmermann:



Foto: Wallstein-Verlag
„Er war eitel, er war wichtig und war die Spinne im Netz der Prager Kultur. Aber er war zugleich sehr selbstlos! Er hat sich für Franz Werfel eingesetzt, er hat sich für Franz Kafka eingesetzt. Er hat Kafkas Werke nach Tel Aviv mitgenommen und sein eigenes zurückgelassen. Mich hat sehr beeindruckt, wie er Janáček gefördert hat. Ich hatte das Gefühl, er ist völlig hinter Kafka verschwunden, und man muss ihn hervorziehen.“

Zwölf Bände umfasst die Werkausgabe nun. Sie zeigen die vielen Facetten von Max Brod: historische Romane wie den „Tycho Brahe“, Liebesromane wie „Die Frau nach der man sich sehnt“, eine Heine-Biographie, Essays, Kritiken, Theaterstücke und Lyrik. In der Maisel-Synagoge gab es einen Querschnitt zu hören – in tschechischen Übersetzungen, die zumeist schon zu Lebzeiten entstanden. Brod war ein Mittler zwischen den Nationalitäten, ohne es darauf anzulegen. Hans Dieter Zimmermann:

Hans Dieter Zimmermmann  (Foto: Archiv TUB/Böck)
„Max Brod hatte ein unglaubliches Gespür für Qualität. Ob das jetzt ein Deutscher oder Tscheche war, war ihm egal. Es war gute Kunst, gute Literatur. Durch einen Freund hat er die kleinen Hefte vom Švejk in die Hand bekommen. Brod war begeistert und hat einen Artikel geschrieben, in dem er Hašek mit Cervantes vergleicht – gar nicht falsch meiner Meinung nach! Die tschechische Kritik war damals noch sehr zurückhaltend, Hašek galt als Wirtshausliterat und nicht ganz stubenrein.“

Ein Impresario sei Brod gewesen, das sagt auch Barbora Šrámková. Die Literaturwissenschaftlerin vom Prager Deutschen Literaturhaus ist Mitherausgeberin der neuen Brod-Edition.

Habimah-Theater in Tel Aviv in den 1950er Jahren  (Foto: Public Domain)
„Ich finde auch seine Berichte über Karel Čapeks Dramen sehr lesenswert, sie könnten noch heute in einem Lehrbuch über tschechische Literatur stehen! Es ist eine andere Sicht, als wir Tschechen sie haben, weniger verklärend. Brod hat einen etwas distanzierteren Blick auf Čapeks Werk – den Blick eines Deutschen, eines Pragers und eines Kenners der tschechischen Kultur.“

Anders als viele Emigranten konnte Max Brod auch in seiner neuen Heimat Erfolge feiern – er schrieb unermüdlich weiter und war Dramaturg beim Habimah-Theater in Tel Aviv. Auf kurzen Reisen kehrte er nach Europa zurück, einmal auch nach Prag. Heimweh habe er nicht, sagte Brod einmal. Denn: Das Prag, das er kannte, gebe es nicht mehr. Hans Dieter Zimmermann:

„Er hat natürlich Recht. Sein Prag war das Prag von Masaryk, und das gab es nicht mehr. Als er nach Prag kam, war es das kommunistische Prag. Da konnte er nur kurz zu Besuch sein. Eine Rückkehr gab es nicht.“


Die Werkausgabe von Max Brod wurde von Hans Dieter Zimmermann, Hans Gerd Koch, Barbora Šrámková und Norbert Miller herausgegeben. Erschienen ist sie im Wallstein-Verlag.

Autor: Annette Kraus
schlüsselwort:
abspielen