Josef Topol: Tschechisches Theater verliert seinen größten Lyriker
Josef Topol war einer der bedeutendsten tschechischen Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Die meisten seiner Theaterstücke schrieb er in den 1960er Jahren, für das Nationaltheater und für das Theater hinter dem Tor (Divadlo za branou). Der Dichter und Theaterautor starb in der vergangenen Woche im Alter von 80 Jahren.
„Josef Topol war mit dem Regisseur Otomar Krejča und dem Dramaturg Karel Kraus eng verbunden. Er arbeitete mit ihnen im Nationaltheater und dann im Theater hinter dem Tor zusammen. Im Jahr 1971 war er 36 Jahre alt und alles ging für ihn zu Ende. Er war am Gipfel seines Erfolgs. Er war eine Stimme seiner Generation.“
Die beliebtesten Schauspieler des Dramatikers, für die er die meisten seiner Texte schrieb, waren Jan Tříska und Marie Tomášová. Die Schauspielerin erinnert sich vor allem an die Sprache Topols:
„Der Dichter Topol hat die tschechischen Worte gewählt, die die Wahrheit zum Ausdruck bringen. Das galt sowohl für seine eigenen Stücke, als auch für die Übersetzungen von Tschechow- oder Shakespeare-Stücken. Seine Worte waren scheinbar sachlich, und zwar auch in den emotional gespanntesten Szenen.“Topols Theaterstücke gelten als gesellschaftliche Metaphern und sind durch eine starke Bildhaftigkeit gekennzeichnet. Mit seiner lyrischen Theatersprache hat er keinen Nachfolger in der tschechischen Dramatik gefunden.
Für das Divadlo za branou schrieb Topol unter anderem die Stücke „Kočka na kolejích“ („Die Katze auf dem Gleis“) „Slavík k večeři“ (Eine Nachtigall zum Abendbrot“) und „Hodina lásky“ („Die Stunde der Liebe“). 1972 wurde die Premiere seines Stücks „Dvě noci s dívkou“ („Zwei Nächte mit einem Mädchen“) verboten, und das Theater geschlossen. Das endgültige Veröffentlichungsverbot für den Schriftsteller kam nach der Unterzeichnung des Bürgerrechtsmanifests „Charta 77“. Topol war danach als Arbeiter tätig, bevor er in den Vorruhestand ging. Seine Werke wurden nur im Untergrund beziehungsweise unter falschem Namen verbreitet. Kurz vor der Wende 1989 kehrte er mit der Aufführung von „Hlasy ptáků“ („Die Stimmen der Vögel“) auf die offizielle Bühne des Prager Theaters in den Weinbergen zurück. Das war auch seine letzte Arbeit am Theater überhaupt. Der Dramaturg des Theaters Jan Vedral:„Aus heutiger Sicht ist es problematisch, Topols Stücke zu erfassen. Sie sind von einer großen inneren Ehrlichkeit und Sensibilität und sind für sensible Menschen bestimmt. In der heutigen Zeit hat man diese elementare Sensibilität verloren, nicht nur in der Beziehung zur Sprache. Paradoxerweise hat er nach 1990, als er viele Angebote bekam, kein Stück mehr geschrieben.“In den 1990er Jahren wurden Topols ältere Stücke aufgeführt. 1997 erschien die Gesamtausgabe seiner Gedichte. Vor einem Jahr wurden seine Essays, Erinnerungen und Gespräche in einem Sammelband „O čem básník ví“ („Wovon weiß der Dichter“) herausgegeben. 1998 erhielt Josef Topol vom damaligen Staatspräsident Václav Havel die tschechische Verdienstmedaille.