Tschechien und Liechtenstein: Bewegte Geschichte, lebendige Gegenwart
Mit seinen 160 Quadratkilometren nimmt Liechtenstein knapp ein Drittel der Fläche Prags ein. 37.000 Einwohner hat das zwischen Österreich und der Schweiz eingebettete Fürstentum – nur unwesentlich mehr als der erste Prager Stadtbezirk. Ungeachtet dessen blicken die tschechisch-liechtensteinischen Beziehungen auf eine bewegte Geschichte zurück, und auch in der Gegenwart gibt es breite gemeinsame Agenda. Vergangene Woche ging an der Prager Karlsuniversität der Liechtenstein-Tag über die Bühne.
„In der Tschechischen Republik sind drei große Firmen aus Liechtenstein tätig, vor allem im High-Tech-Bereich. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen helfen wird, die Zusammenarbeit weiter zu intensivieren. Umgekehrt hoffen wir auch, dass tschechische Unternehmen, insbesondere aus dem High-Tech-Bereich, wo unsere Stärke liegt, in Liechtenstein aktiv werden wollen.“
Mit dem Doppelbesteuerungsabkommen wurde ein weiterer Akzent gesetzt in den diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, die erst 2009 aufgenommen wurden. Zuvor hatten die Ereignisse des 20. Jahrhunderts das bilaterale Verhältnis lange Zeit belastet.„Das 20. Jahrhundert war ein schwieriges Jahrhundert für Europa. Auch in den tschechisch-liechtensteinischen Beziehungen hat es damals einen Riss gegeben“, so Kothbauer.
Obwohl Liechtenstein im Zweiten Weltkrieg neutral geblieben war, fiel liechtensteinisches Eigentum 1945 unter die so genannten Beneš-Dekrete und wurde vom tschechoslowakischen Staat enteignet. Ein wunder Punkt im Verhältnis beider Länder, der auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bestehen blieb. Erst 2009 entschlossen sich Prag und Vaduz zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Mit offenen Fragen der Vergangenheit beschäftigte sich eine Historikerkommission.„Wir haben beschlossen, dass uns diese Fragen in Zukunft nicht im Weg stehen sollen. Wichtig ist, dass wir uns heute nicht mehr von den Problemen der Vergangenheit beeindrucken lassen und stattdessen gemeinsame Projekte haben.“Studentenaustausch oder Zusammenarbeit in Bereichen wie Kultur, Justiz und Wirtschaft prägen heute die gemeinsame Agenda. Pia-Maria Kothbauer ist übrigens nicht nur Botschafterin in Prag, sie vertritt ihr Land auch in Wien – bei der OSZE, bei den Vereinten Nationen und bei der Republik Österreich:
„Das ist eigentlich ein sehr organischer Raum. Gerade die Tschechische Republik und Österreich, aber auch der Kreis Südmähren und das Land Niederösterreich, arbeiten ja sehr stark daran, ihre Beziehungen weiter zu intensivieren. Insofern glaube ich, wir müssen in Räumen denken, nicht in Staaten. Es gibt also viele Projekte – und dementsprechend viel zu tun –, aber sie passen alle sehr gut zusammen.“