Jubiläum: Prager Ständetheater wurde vor 230 Jahren eröffnet
Das Prager Ständetheater ist vor allem durch die Uraufführung zweier Opern von Wolfgang Amadeus Mozart in die Musikgeschichte eingegangen: 1787 fand die Premiere von „Don Giovanni“ statt, vier Jahre später wurde „La clemenza di Tito“ uraufgeführt. Graf von Nostitz-Rieneck widmete das Theatergebäude, das ursprünglich nach ihm benannt war, der „Heimat und den Musen“. Am kommenden Sonntag werden genau 230 Jahre seit der feierlichen Eröffnung des Theaters vergangen sein. Dazu ein Gespräch mit Jitka Ludvová vom Prager Theaterinstitut.
„Das Ständetheater wurde im April 1783 eröffnet. Die Absicht war, in Prag eine Plattform zu schaffen, auf der man das Publikum bilden und ihm wirkliche Kultur anbieten konnte. Die damaligen Theater waren eher kommerziell ausgerichtet und auf verschiedene Komödien, Lustspiele und akrobatische Vorstellungen orientiert. Graf Nostitz wollte ein Theater im Sinne des Aufklärungsgedanken gründen, das wirkliche wertvolle Stücke präsentieren konnte. Es zeigte sich leider, dass nicht einmal eine so reiche Familie wie die Nostitz imstande war, solch eine Bühne zu bezahlen. Die Söhne des Gründers waren gezwungen, das Theater an die Stände 1799 zu verkaufen. Danach hat die Stadt den Betrieb bezahlt, und die Theaterdirektoren mussten etwas dazu beitragen.“
Was stand zu Beginn auf dem Repertoire des Theaters? Eröffnet wurde das Theater ja mit einer Vorstellung von Lessings Emilia Galotti, bald wurden aber auch Opern aufgeführt?
„Die berühmteste Epoche des Theaters ist mit Mozarts Opern verbunden. Mozarts ´Don Giovanni´ wurde 1787 zum ersten Mal im Theater aufgeführt. Mit dieser Vorstellung sind viele Legenden und viel Literatur verbunden. Aber auch später haben berühmte Persönlichkeiten in diesem Theater gearbeitet: So kam beispielsweise Carl Maria von Weber 1813 als Kapellmeister nach Prag und blieb drei Jahre lang. Aus seiner Zeit ist ein interessantes Dokument erhalten geblieben: Er musste als Kapellmeister das Tagesprogramm in einem Kalender notieren. Dies machte von Weber sehr gründlich. Wir verfügen darum aus dieser Zeit über genaue Informationen über die Besetzungen, die aufgeführten Opern und das ganze Programm.“
Es wird gesagt, dass von Weber nicht gerade von der Situation in Prag begeistert war. Stimmt das?„Weber fand das Publikum sehr passiv und es sei schwierig gewesen, mit ihm zu arbeiten. Auch das Orchester hielt er für sehr mittelmäßig. Er hat hier jedoch seine Frau gefunden. Am Ende seines Aufenthalts in Prag war von Weber aber trotz allem glücklich.“
Welche weiteren Persönlichkeiten haben im Ständetheater über eine längere Zeit gewirkt?
„Das Ständetheater war lange Jahre jene Bühne, über die europäische Kultur nach Prag kam. Mit dem europäischen Repertoire sind viele Sängerinnen, Sänger, Komponisten, Schauspieler und Dirigenten nach Prag gekommen. Es waren insbesondere Mitglieder von Ensembles verschiedener Hoftheater aus Deutschland und Mitglieder der damaligen Wiener Hofoper weilten oft als Gast im Ständetheater. Es ist bekannt, dass auch Gustav Mahler in diesem Theater Prag gewirkt hatte, und zwar eine Saison in den Jahren 1885-1886. Er kam dann regelmäßig zurück nach Prag und hat hier seine Sinfonien dirigiert.“
Anlässlich des bevorstehenden Jubiläums des Ständetheaters und eines Jubiläums von Carl Maria von Weber findet am Wochenende in Prag eine Tagung von Musikwissenschaftlern und Historikern statt. Was sind die Themen der Konferenz?„Es kommen mehrere Experten der Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft aus Deutschland, die zurzeit an einer Gesamtausgabe von Webers Werken arbeiten. Sie werden natürlich über den Verlauf ihrer Arbeit und die bisherigen Ergebnisse informieren. Es kommen auch viele Österreicher, weil Prag und Wien Jahrhunderte lang miteinander eng verbunden waren und der Austausch von Theaterleuten und anderen Künstlern unglaublich groß war. An der Tagung nehmen aber auch Wissenschaftler aus Schweden oder Polen teil und auch viele Prager werden dabei sein. Eines der Hauptthemen der Tagung ist der Dirigent Carl Maria von Weber selbst, weil er 1813 – also vor genau 200 Jahren – nach Prag kam.“
Kann man heutzutage noch etwas Neues, Überraschendes zur Geschichte des Ständetheaters in den Archiven finden?„Es gibt fast unerschöpfbare Quellen von Material. Mit der Elektronisierung von Bibliotheken und der Digitalisierung verschiedener Dokumente, die irgendwo ganz vergessen in den Bibliotheken lagen, kann man heute unvergleichbar mehr Informationen sammeln als vor Jahrzehnten. Es ist also an der Zeit, ein neues Buch zur Geschichte des Ständetheaters zu schreiben.“