Abberufener Leiter des Instituts für Totalitarismusforschung: „Aus dem Ausland bekomme ich Solidarität“
Das Institut zum Studium totalitärer Regime (ÚSTR) wurde vor sechs Jahren gegründet. Seine Aufgabe ist es, die Dokumente über die Zeitepoche des Kommunismus und des NS-Zeit zu sammeln und auszuwerten. Zudem verwaltet das Institut das Archiv der Sicherheitskräfte, in dem auch die Akten des kommunistischen Geheimdienstes StB aufbewahrt werden. Wie wir Sie in unseren Sendungen bereits informiert haben, wurde am Mittwoch der Leiter des Instituts Daniel Herman von seinem Posten abberufen. Der Verwaltungsrat, deren Mitglieder vom Senat des tschechischen Parlaments ernannt werden, ersetzte ihn gleich durch Pavla Foglová, die mit einer kommissarischen Leitung des Instituts beauftragt wurde. Radio Prag hat am Donnerstag mit dem abberufenen Institutsleiter Daniel Herman gesprochen:
„Ja, schon. Es war für mich keine Überraschung. Derartige Signale habe ich seit dem Herbst letzten Jahres verzeichnet. Die ganze Causa ist sehr stark politisiert worden. Zu meiner Abberufung kam es unter dem Druck von Seiten einiger konkreter Politiker der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei. Leider soll in der Zukunft die Arbeit des Instituts für die Aufarbeitung der Vergangenheit und für das Studium totalitärer Regime von solchen Leuten kontrolliert werden, die der kommunistischen Ideologie nahestehen.“
Der Verwaltungsrat des Instituts warf Ihnen eine mangelhafte Digitalisierung der Dokumente vor. Wie sehen Sie in diesem Punkt die Bilanz am Institut?„Insgesamt werden am Institut etwa 20 Kilometer Archivmaterialien aufbewahrt. 30 Millionen Seiten davon wurden schon digitalisiert. Das sind rund 20 Prozent des gesamten Materials. Pro Tag wurden 20.000 Seiten digitalisiert. Das ist eine hervorragende Leistung. Ich möchte dafür meinen Kolleginnen und Kollegen, die so fleißig arbeiten, sehr danken. Denn dies ist wunderbar – auch im Vergleich mit anderen Institutionen, die Dokumente digitalisieren.“
Wenn Sie neue Mitarbeiter beschäftigen wollten, hatten Sie Probleme mit der Suche nach Experten für das Institut?„Ganz im Gegenteil. Mein erster Stellvertreter ist beispielsweise der renommierte Militärhistoriker Eduard Stehlík geworden. Er ist als großer Experte für die Zeit des Zweiten Weltkriegs und des NS-Regimes bekannt geworden. Wir haben am Institut viele hoch gebildete Mitarbeiter, die auch an verschiedenen Hochschulen und Universitäten lehren.“
Die Entscheidung des Rates über Ihre Abberufung ist verhältnismäßig frisch. Haben Sie inzwischen schon Reaktionen aus dem Ausland bekommen?
„Ja. Ich habe viele Telefonanrufe bekommen: aus Washington, aus Berlin von der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, von unserer Partnerinstitution in Warschau, von Yad Vashem in Jerusalem. Auch im Ausland stellt man sich Fragen, worum es hier geht. Ich habe darüber mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausland gesprochen. Tatsächlich haben auch einige Partnerorganisationen in anderen postkommunistischen Länder ähnliche Probleme: beispielsweise in Polen oder in den Balkan-Ländern. Ich finde diese internationale Solidarität sehr wichtig. Denn die Zusammenarbeit wird auf europäischer Ebene koordiniert, und es ist logisch, dass die Partnerinstitute sich für die Lage interessieren.“