„Kleine und große Themen behandeln“ – Mitglieder der deutsch-tschechischen Parlamentariergruppe in Prag
Im deutschen Bundestag bestehen derzeit 54 internationale Parlamentariergruppen. Sie sollen einen Dialog mit den nationalen Parlamenten eines oder mehrerer Partnerländer pflegen. Natürlich gibt es auch eine Gruppe von Parlamentariern, die sich um die Kontakte zum Parlament der Tschechischen Republik kümmern. Zwei von ihnen, der Vorsitzende Heinz-Peter Haustein (FDP) und Richard Pitterle (Die Linke), haben bei ihrem Besuch in Tschechien gegenüber Radio Prag ihre Tätigkeit erläutert.
„Die Deutsch-Tschechische Parlamentariegruppe ist ein Freundschaftsverein von deutschen Parlamentariern, denen Tschechien am Herzen liegt. Unsere Aufgabe ist es, auf der parlamentarischen Ebene mit unseren tschechischen Kollegen Probleme anzusprechen, Lösungen zu suchen, sich auszutauschen und Freundschaften weiterzuentwickeln.“
Herr Pitterle, haben Sie in Tschechien feste Ansprechpartner? Hat das ganze einen organisatorischen Rahmen, oder findet es eher auf einer informellen Ebene statt?„Die Deutsch-Tschechische Parlamentariergruppe hat als Ansprechpartner in erster Linie in Berlin den tschechischen Botschafter. Zum Anderen gibt es im tschechischen Parlament die Tschechisch-Deutsche Parlamentariergruppe mit der Vorsitzenden Dana Váhalová. Wir versuchen die Kontakte dorthin zu halten.“
Herr Pitterle, was sind gängige Themen, was wird dort angesprochen?
„Wir haben während des Aufenthaltes die Fragen der Energiepolitik diskutiert, wobei es dazu naturgemäß sehr differenzierte Meinungen gibt. Außerdem haben wir über die EU-Politik gesprochen und über mögliche Veränderungen nach der Wahl des tschechischen Staatspräsidenten. Auch über die Aufnahme weiterer Länder in die EU haben wir gesprochen, da hat uns die tschechische Position interessiert. Gerade die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ist ja in der Bundesrepublik strittig, uns hat daher die tschechische Position interessiert. Gestern haben wir beim Gespräch mit dem stellvertretenden tschechischen Außenminister auf die Schlüsselrolle Tschechiens bei der Integration neuer Mitgliedsländer hingewiesen, da Tschechien aufgrund seiner sowohl geologischen als auch politischen Lage ein Mittler sein kann zwischen den alten und neuen Mitgliedsländern.“
Herr Haustein, möchten Sie etwas hinzufügen?„Die Themen sind geteilt. Einmal gibt es die große Politik: EU-Erweiterung, möglicher Beitritt des Landes zum Euro und die Grenzkriminalität wie zum Beispiel Crystal. Aber auch kleine Dinge, die im Grenzbereich passieren, werden behandelt: zum Beispiel wenn Windkraftanlagen zu nah an der deutschen Grenze gebaut werden, ohne dass dies mit den Deutschen besprochen worden ist.“
Herr Haustein, Sie sind Abgeordneter des Wahlkreises Erzgebirge, der direkt an der Grenze liegt. Was sind dort die dringendsten Probleme? Sie haben angesprochen, dass in Bayern die Crystalproblematik ein großes Thema ist. Was ist im Erzgebirge, bei Ihnen im Wahlkreis, ein Problem?
„Die Rauschgiftproblematik ist auch im Erzgebirge vorhanden und ein großes Problem. Ich habe bereits mit dem Innenminister Hans-Peter Friedrich gesprochen, dass etwas getan werden muss. So sollte man zum Beispiel mehr Bundespolizeibeamte an der Grenze einsetzen, die in Zusammenarbeit mit Tschechien das Gebiet absichern, sonst funktioniert es nicht. Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Windparks auf tschechischem Gebiet, direkt am Erzgebirgskamm, entstehen. Diese haben Auswirkungen auf die deutsche Seite. Die Deutschen werden nicht oder nur sehr wenig an solchen Vorhaben beteiligt. Dieses Thema haben wir auch angesprochen. Außerdem gibt es noch ein kleines Problem im Industriegebiet Most-Litvínov-Záluží. Die Luftbelastung ist dort sehr hoch, und bei bestimmten Wetterlagen schwappt die Luft nach Deutschland. Diese Problematik muss man auch einmal ansprechen. Ein weiterer Punkt ist die Zusammenarbeit mit den Feuerwehren. Sie wird durch ein fehlendes Rettungsabkommen zwischen den Feuerwehren behindert.“Das sind sehr konkrete Probleme. Herr Pitterle, Sie sind aus dem Wahlkreis Sindelfingen in Baden-Württemberg. Das ist von Tschechien weit entfernt, andererseits haben Sie Ihre Wurzeln in der Tschechischen Republik, in der Stadt Most. Wie ist es bei Ihnen, wie vermitteln Sie Ihre Zusammenarbeit mit Tschechien dort?„Es ist schon so, dass die Leute wissen, dass ich in Tschechien geboren und aufgewachsen bin. Sie sind auch darüber informiert, dass ich bereits vor meiner Wahl im deutsch-tschechischen Bereich als Rechtsanwalt tätig und Vizepräsident der Deutsch-Tschechischen Juristenvereinigung war. Deswegen wird dies in meinem Wahlkreis nicht problematisiert. Man findet es dort nur konsequent, wenn ich mich auch in diesem Bereich für bessere nachbarschaftliche Beziehungen engagiere.“
Welche konkreten Probleme oder Projekte sehen Sie beide jetzt, die zwischen Tschechien und Deutschland angegangen werden müssten? Herr Haustein…
„Das große Problem ist einfach die Weiterentwicklung von Europa und dadurch auch der Währung, des Euro. Er muss stabil gehalten werden, und dadurch wird auch Tschechien irgendwann zum Euro kommen. Die Vorbehalte und dass sich Tschechien jetzt Zeit lässt, dem Euroraum beizutreten, kann ich nachvollziehen. Weitere große Themen sind die Verkehrsinfrastruktur. Die Nord-Süd Verbindung zwischen Berlin und Prag, das Stück zwischen Dresden und Prag, muss fertig gestellt werden. Die A17 (D8 in Tschechien, Anm. d. Red.) wird immer noch gebaut. Dann haben wir noch das große Problem des Energietransports. Im Moment ist es so, dass der Überschuss an Energie aus dem Norden Deutschlands durch Tschechien geleitet wird, dann über Bayern nach Baden-Württemberg. Es besteht die Gefahr, dass wir die tschechischen Netze überfordern. Das kann zu einem Blackout führen. Es sind manchmal nur wenige Sekunden, dann bricht ein Netz zusammen. Dies ist ein Thema, das wir besprechen müssen. Wir sind den Tschechen sehr dankbar, dass sie den Transport zulassen.“Herr Pitterle, was denken Sie?„Für die tschechische Seite scheint mir immer noch sehr wichtig zu sein, dass die Durchlässigkeit der Elbe, also die Möglichkeit Waren auf dem Fluss zu transportieren, gelöst wird. Da stehen wir natürlich vor ziemlichen Problemen. Es gibt nun mal eine Neuqualifizierung der Wasserstraßen nach dem Wasserplan. Diese Neuqualifizierung hat dazu geführt, dass die Elbe in der Qualifikation an dritter Stelle steht. Das bedeutet, dass kaum Investitionen getätigt werden. Der stellvertretende tschechische Außenminister hat uns gesagt, dass Tschechien sehr große Bindungen an Hamburg hat. Wir überlegen nun, wie wir dieses Problem lösen können, da wir als Deutsch-Tschechische Parlamentariergruppe nicht die Macht haben, solche Pläne zu ändern. Wir können nur unsere Kollegen in den jeweiligen Fraktionen, die im Verkehrsausschuss arbeiten, beeinflussen, darauf Rücksicht zu nehmen. Ob wir da etwas bewegen können, ist fraglich. So etwas muss auf höchster Ebene entschieden werden.“
Herr Haustein, möchten Sie etwas ergänzen?„Natürlich sind wir als Parlamentariergruppe nicht dazu befugt, irgendwelche Sachen zu unterschreiben oder durchzudrücken. Aber wenn ich nach Hause komme, werde ich mit Außenminister Guido Westerwelle reden und ihm Bericht erstatten, was hier an Problemen vorhanden ist. Auf dieser Ebene kann man schon einiges bewirken. Ich werde auch mit Innenminister Friedrich über diese Thema reden. Die Parlamentariergruppe ist schon eine Sache, die absoluten Sinn hat. Zum Beispiel wird Anfang April das deutsch-tschechische Rettungsabkommen im Bereich Gesundheit unterschrieben, vom Minister Daniel Bahr und dem tschechischen Gesundheitsminister. Das sind konkrete Dinge, die wir als Parlamentariergruppe mit anschieben können. Es ist absolut wichtig, daran weiter festzuhalten und dies weiterzuentwickeln. Wir müssen mit den Kollegen sprechen - und ich bin da sehr zuversichtlich.“