Zwischen Lausche und Jeschken wird deutsch-tschechische Begegnung groß geschrieben
Mit der Schengen-Erweiterung vor fast fünf Jahren ist es noch einfacher geworden, dass sich die Bewohner benachbarter Länder kennenlernen. Deutsche und Tschechen aber, vor allem wenn sie tiefer im Inland wohnen, machen davon nur wenig Gebrauch. Ganz anders sieht es diesseits und jenseits der Grenze beim Zittauer Gebirge aus: Hier gehen Nordböhmen und Sachsen seit anderthalb Jahren verstärkt aufeinander zu. Ermöglicht und gefördert wird dies durch ein europäisches Ziel-3-Projekt. „Aktiv und gesund – Grenzüberschreitendes Bildungswerk für Freizeit und Sport“ heißt das Projekt und wurde im Juli 2011 gestartet.
„Natürlich bin ich darüber froh. In den vergangenen fünf Jahren hat sich das gesamte Areal derart verändert, dass wir seine Nutzung heute nicht nur Spitzensportlern anbieten können, sondern auch Kindern und Jugendlichen. Sie sind eine weitere Zielgruppe von uns geworden. Und wenn man auf unsere Sportanlagen schaut, kann man sehen, dass sich hier relativ oft eine Schar von Kindern bewegt. Ein Grund dafür ist auch das Projekt, das wir gemeinsam mit unserem Partner in Seifhennersdorf betreiben.“
„Es ist sehr schön hier und macht Spaß, mit den tschechischen Kindern Fußball oder Tennis zu spielen“, schildert der neunjährige Chris Kern aus Seifhennersdorf seine Eindrücke. Er gehört zu einer Klasse der dortigen Grundschule, die gerade zu einem mehrtägigen Begegnungsaufenthalt im befreundeten Český Dub / Böhmisch Aicha weilt. Aus seiner Heimatstadt kommt auch der so genannte Leadpartner des Projekts, das Kindererholungszentrum Querxenland Seifhennersdorf (kurz: KiEZ). KiEZ-Chef Rüdiger Schaper stellt sein Reich vor:„Das Querxenland kann man als eine Jugendherberge mit sehr großem Ausmaß bezeichnen. Wir haben insgesamt 540 Plätze und 80.000 Quadratmeter Fläche. Es gibt bei uns nicht nur die Herbergen, sondern auch eine gut funktionierende Infrastruktur. Wir haben sehr viele Indoor- und Outdoor-Freizeiteinrichtungen, die von den Gruppen genutzt werden. Die Gruppen können hier Programme gestalten, ohne dass sie das Gelände jemals verlassen müssen und dabei überhaupt keine Langeweile haben.“
Das Zentrum verfügt über eine ganze Reihe von Freizeitattraktionen wie das Wald- und Erlebnisbad „Silberteich“, ein Spielecenter oder einen Teamparcours. Da steht es außer Frage, dass solche Angebote möglichst oft und nachhaltig genutzt werden sollen. Rüdiger Schaper arbeitet schon 33 Jahre für das Querxenland und hatte deshalb auch schon länger eine grenzüberschreitende Idee in seinem Kopf:„Die Idee zu diesem deutsch-tschechischen Projekt gibt es schon zehn Jahre. Es war immer geplant, dass wir aus unserer Einrichtung auch eine deutsch-tschechische Begegnungsstätte machen wollen. Das bedingt sich einfach schon dadurch, dass unser Standort an der tschechischen Grenze dafür ideal ist.“
Also packen wir es an, dachten sich Schaper und seine Getreuen und wandten sich an das deutsche Kontaktbüro der Euroregion Neiße in Zittau. Hier aber blieb die Suche nach einem tschechischen Partner zunächst erfolglos, bis unverhoffte Hilfe von ganz anderer Stelle kam:„Der sächsische Landtagsabgeordnete Stephan Meyer hat zu den tschechischen Kollegen der Euroregion in Liberec Kontakt aufgenommen und ihnen unsere Idee vorgestellt. Die Kollegen haben dann im Raum Liberec gesucht, ob sie einen Partner finden, der zu unserer Projektidee passt und Ähnliches für die seine eigene Arbeit vorhat. So hat man uns mit dem PFC Český Dub zusammengebracht. Wir haben unsere jeweiligen Projektideen vorgestellt und schnell gemerkt, dass die Projekte gut zusammenpassen.“
Das war im April 2010. Um das grenzüberschreitende EU-Projekt aber nun auch so richtig ins Rollen zu bringen, mussten noch viele Gespräche geführt, Vorkehrungen getroffen und vor allem Papiere bearbeitet werden. An die nicht ganz einfache Vorbereitungszeit hat dann auch Projektkoordinatorin Lenka Pulpánová nicht unbedingt die schönsten Erinnerungen:„Wir waren wie Anfänger. Es war sehr schwierig, wegen der EU-Bürokratie. Wir mussten ganz viele Papiere ausfüllen – und das auch noch zweisprachig.“
Heute aber kann die junge Tschechin schon mit einem Lächeln über die schwierige Anfangszeit hinwegsehen:
„Wenn man die Ergebnisse der Begegnungen hautnah miterlebt, wenn man die Kinder sieht, wie sie lachen und Spaß haben, aber auch weinen, wenn sie wieder wegfahren müssen – dann weiß man wirklich, dass sich die ganze Bürokratie gelohnt hat.“Am 1. Juli 2011 fiel der offizielle Startschuss zu dem Projekt, das bis zum 15. Dezember kommenden Jahres laufen wird. In diesem Zeitraum werden insgesamt 40 Begegnungs- und Bildungserlebnisse mit jeweils bis zu 50 Teilnehmern aus Deutschland und Tschechien stattfinden – je 20 im KiEZ Querxenland Seifhennersdorf und beim PFC Český Dub. Dank der Zuschüsse aus Brüssel, die auf beiden Seiten je 85 Prozent des Gesamtetats betragen, konnten beide Veranstalter auch ihre Einrichtungen modernisieren und ausbauen. Die Kinder und Jugendlichen, die sich an diesen Stätten schon begegnen konnten oder noch werden, kommen aus vielen Bereichen: Es sind Schulklassen, Jugendgruppen, Kulturgruppen, Sportgruppen und -vereine oder auch Jugendfeuerwehren. Erst kürzlich war eine Tanz- und Theatergruppe der Grundschule aus Český Dub im Querxenland zu Gast. Unter ihnen war auch die elfjährige Aneta Šichtová. Mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung spricht sie ins Mikrofon:
„Mir gefällt alles hier, das ganze Areal ist einfach toll und schön, und auch die Leute hier sind sehr angenehm“, so Aneta.Nach Meinung von Rüdiger Schaper dürfte dieses Projekt auch dazu beitragen, dass die gesamte Region rund um das Zittauer Gebirge, die polnische Seite eingeschlossen, immer mehr ein regionales Zusammengehörigkeitsgefühl, ja sogar eine gemeinsame Mentalität entwickelt. Für Lenka Pulpánová, die böhmischen Chrastava / Kratzau zu Hause ist, gibt es dabei keinen Zweifel, dass hier vor allem die Kinder die Brücken bauen werden:
„Ich denke, es ist gut, dass wir mit den Kindern anfangen. Mit Kindern ist es einfacher, denn sie haben keine Angst auf fremde Kinder zuzugehen. Für einige von ihnen, vor allem für die aus Tschechien, ist es der erste Aufenthalt im Ausland. Sie lernen etwas Fremdes kennen, das ist wichtig. Ich glaube, mit dem Projekt können wir wirklich Vorurteile abbauen.“Rüdiger Schaper wiederum weiß, dass die tschechisch-deutschen Begegnungen in der Region auch über das offizielle Ende des Projekts hinaus weitergeführt werden:
„Für uns ist es wichtig, dass wir auch weiterhin mit tschechischen Gruppen, nicht nur aus der Region Liberec, sondern generell, zusammenarbeiten wollen. Egal, ob von der EU gefördert oder nicht. Wir wollen die inhaltlichen Angebote des Querxenlandes auch auf tschechischer Seite anbieten, so dass interessierte Gruppen diese Angebote wahrnehmen können. Dann lernen sie während ihres Aufenthaltes hier auf jeden Fall deutsche Kinder kennenlernen, weil wir immer belegt sind. Es ergeben sich dann nicht nur organisierte Begegnungen, sondern auch solche, die aus dem gemeinsamen Aufenthalt automatisch entstehen.“Fotos: Sylvi Uhlig für Radio Prag