„Folge der rigorosen Sparpolitik“ – Politologe Schuster analysiert die Wahlen
Die Regionalwahlen und die Teilwahlen zum Senat vom vergangenen Wochenende haben einen politischen Linksruck gebracht. Zwar wurde die Führung der Sozialdemokraten in den meisten tschechischen Kreisen bestätigt, aber insgesamt verlor die Partei von Bohuslav Sobotka viele Mandate in den Kreisvertretungen. Stattdessen sind die Kommunisten erstarkt, und die bürgerlichen Regierungsparteien erlebten einen weiteren Einbruch, nachdem sie bereits in den Kreiswahlen 2008 den Kürzeren gegenüber den Sozialdemokraten gezogen hatten. Über die Folgen des Wahlergebnisses nun ein Gespräch mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.
„Ich denke, dass beide Ergebnisse herausstechen. Beim Ergebnis der bürgerlichen Regierungsparteien darf man aber nicht vergessen, dass schon in der Vergangenheit politische Parteien, die auf gesamtstaatlicher Ebene regiert haben, bei den Regionalwahlen bestraft wurden. Das war in den Jahren 2000 und 2004 so, als die Sozialdemokraten regierten und die Bürgerdemokraten in den Regionalwahlen gewonnen haben. 2008 war es umgekehrt: Da haben die Bürgerdemokraten auf nationaler Ebene regiert und die Sozialdemokraten konnten einen großen Triumph einfahren, indem sie in allen Regionen stärkste politische Kraft wurden. Ich würde das Ergebnis der Kommunisten aus mehreren Gründen als das wichtigere dieser Wahlen hervorheben. Zum einen sind die Kommunisten damit endgültig im politischen System der Tschechischen Republik angekommen. Bislang haben sie den Senat als etwas angesehen, das unnötig ist und das man abschaffen könnte. Dementsprechend haben die kommunistischen Kandidaten in den vergangen Jahren im Senat, mit einigen Ausnahmen, nie punkten können. Jetzt haben die Kommunisten auf Anhieb zwölf Kandidaten in die Stichwahl gebracht. Das zeugt davon, dass die Unterstützer der Kommunisten jetzt bewusst zur Wahl gegangen sind, um die kommunistischen Kandidaten zu unterstützen. Das ist etwas Neues. Zum anderen sind die Kommunisten in zwei Regionen Tschechiens zur stärksten Partei geworden. Das gab es vorher auch noch nicht.“
Welche Ursachen gibt es für den politischen Linksruck?„Wahrscheinlich gibt es verschiedene Ursachen. Sicherlich ist es auch eine Folge der rigorosen Sparpolitik der jetzigen Regierung von Premierminister Petr Nečas. Unter ihr wurde im Sozialbereich viel gestrichen wurde, die Mehrwertsteuer sollte angehoben werden, und auch eine viel kritisierte Reform des Rentensystems war geplant. Das waren alles Vorhaben, die von links stets abgelehnt wurden. Dadurch bekamen die Sozialdemokraten und Kommunisten die Gelegenheit, den Protest der Wähler für sich zu nutzen. Außerdem ist es bemerkenswert, dass im Kreis Ústí die Kommunisten so stark gewonnen haben und die bisher dort führende sozialdemokratische Partei mit einem riesengroßen Abstand lediglich an zweiter Stelle rangiert. In der Region ging es in den vergangenen Monaten sehr viel um Korruption und um Subventionen der Europäischen Union, die dort veruntreut wurden. Dort haben die Sozialdemokraten sehr viel Schuld auf sich geladen. Nun wurden sie rigoros bestraft.“
Wird das schlechte Abschneiden der Regierungsparteien direkte Folgen für die Regierungspolitik haben - dass zum Beispiel die am meisten kritisierten Vorhaben, wie die Rentenreform, fallengelassen werden?„Da muss man abwarten. Die mitregierende Partei Top 09 von Außenminister Schwarzenberg, die zuständig für den Bereich Arbeit und Soziales ist und darum die Rentenreform am meisten verteidigt hat, hat eingestanden, dass das schlechte Abschneiden ihrer Kandidaten damit zusammenhängt, dass die Partei den sozialen Aspekt der Reformpolitik unterschätzt hat. Das ist schon ein erster Schritt der Reflexion. Ob aber jetzt die Rentenreform auf Eis gelegt wird, hängt vom Ergebnis der zweiten Runde der Senatswahlen und vor allem vom Parteitag der Demokratischen Bürgerpartei von Petr Nečas ab. Dieser Parteitag findet in zwei Wochen statt.“
Was ist von den Kommunisten in Zukunft zu erwarten? Sind sie nun endgültig auf dem Durchmarsch?„Die Kommunisten sind in einer anderen, für sie besseren Lage als vor zehn Jahren. Damals hatten sie schon einmal bei nationalen Parlamentswahlen sehr gut abgeschnitten. Dieses Mal konnten sie in zwei Kreisen stärkste Partei werden. Sie könnten diese Position künftig ausbauen und in den Kreisen Karlsbad und Ústí ein Machtzentrum errichten. Das ist sicher möglich. Aber: Wenn die Kommunisten mitgestalten und etwas von ihrem Programm umsetzen wollen, geht das nur, wenn sie sich an der gesamtstaatlichen Regierung beteiligen. Hier scheint sich auch einiges zu ändern. Die Sozialdemokraten, die auf nationaler Ebene bisher ein Zusammengehen mit den Kommunisten abgelehnt haben, wackeln seit dem Wochenende. Es bleibt abzuwarten, ob der Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 1995, der eine Zusammenarbeit mit dem Kommunisten auf nationaler Ebene verbietet, aufgehoben wird. Es ist auch möglich, dass sich die Kommunisten auf gesamtstaatlicher Ebene nach einem möglichen Wahlerfolg mit einer etwas schwächeren Rolle begnügen würden, indem sie zum Beispiel eine sozialdemokratische Minderheitsregierung tolerieren.“