Ein Löwe aus Tschechien: HC Lev Prag will in KHL erfolgreich mitmischen

Eishockey ist eigentlich ein Wintersport. Die lange Punktspielserie und die danach folgenden Play-offs aber zwingen die Top-Ligen in Europa, den jeweiligen Saisonstart stets noch knapp vor den kalendarischen Herbstanfang zu legen. In Prag aber beginnt die neue Eishockeysaison schon an diesem Donnerstag. Der Grund dafür liegt in der fortschreitenden Globalisierung dieses Sports. In der Kontinental Hockey League (KHL), die von Russland aus organisiert und betrieben wird, nimmt nämlich zum ersten Male auch eine tschechische Mannschaft teil: der HC Lev Prag.

Die KHL wurde vor vier Jahren gegründet und ersetzte die Russische Super-Liga (RSL). Die steinreichen Oligarchen und Wirtschaftsmagnaten aus Russland, die in die KHL viel Geld reinpumpen, machten von Anfang an keinen Hehl daraus, dass ihre euro-asiatische Liga ein attraktiver Gegenpol zur nordamerikanischen NHL sein soll. In der Saison 2008/09 startete die Liga mit 24 Mannschaften aus vier verschiedenen Ländern in ihre Premierensaison. Zur Saison 2011/12 trat mit dem slowakischen Verein HC Lev Poprad erstmals ein Team der Liga bei, das nicht auf dem Gebiet eines Nachfolgestaates der Sowjetunion beheimatet ist. Der Club Lev Poprad wurde inzwischen aufgelöst, nun will der tschechische Verein Lev Prag ein neues Kapitel aufschlagen. Josef Jandač, der Cheftrainer des Teams, preist die Vorzüge dieser Entwicklung:

Normunds Sejejs  (Foto: Jan Beneš,  Archiv HC Lev Prag)
„Für das tschechische Eishockey ergibt sich die tolle Möglichkeit, hierzulande Spieler zu präsentieren, die ansonsten nicht in Tschechien spielen würden. Das sind Top-Spieler, die einer ausländischen Liga den Vorzug geben.“

Das Gros dieser Mannschaft setzt sich aus tschechischen und slowakischen Nationalspielern zusammen, von denen fünf sogar einen WM-Titel vorweisen können. Neben den 14 Tschechen und 8 Slowaken, die das Korsett des Teams bilden, stehen außerdem 5 Kanadier sowie je ein Russe und ein Schwede im Aufgebot. Der Generalmanager des Vereins, der Lette Normunds Sejejs, ist von diesem Kader überzeugt:

„Ich denke, dass wir einen ganz guten Kader beisammen haben, sowohl was die Trainer als auch was die Spieler betrifft. Wir haben uns bemüht, einen Kader mit Perspektive zusammenzustellen. Das heißt, wir haben vor allem Spieler im Alter von 20 bis 30 Jahren geholt, damit wir aus ihnen das Gerüst der Mannschaft für zwei bis vier Jahre formen können.“

Jiří Novotný  (Foto: Jan Beneš,  Archiv HC Lev Prag)
Jiří Novotný, der Kapitän der Mannschaft, ist nicht minder überzeugt, dass er eine starke Truppe auf das Eis führen wird:

„Das Team ist zwar neu, doch die meisten Spieler kennen sich aus den Nationalmannschaften von Tschechien und der Slowakei. Dazu haben wir fünf starke Kanadier und einen Schweden im Kader. Das Team ist wirklich gut.“

In der Tatsache, dass der HC Lev Prag in relativ kurzer Zeit quasi aus dem Boden gestampft wurde, liegt aber auch ein Problem: Der Verein hat noch keine Tradition. Und damit auch noch keine Stammkundschaft, sprich: Fans, die die völlig neue Mannschaft immer wieder anfeuern werden. Trainer Jandač glaubt jedoch, dass man die Anhänger ziemlich schnell aufgrund einer alten Rivalität gewinnen werde:

„Ich glaube daran, dass wir schon einige Fans zusammenkriegen werden, die das Team peu a peu unterstützen werden. Allein schon deshalb, weil sie die Mannschaft als das Team wahrnehmen werden, das das tschechische Eishockey in der KHL vertritt und das die Russen schlagen will, so wie es in der Vergangenheit auch der Fall war.“

Jan Rachota  (Foto: Jan Beneš,  Archiv HC Lev Prag)
Auf die nationale Karte setzt auch der Pressesprecher des Vereins, Jan Rachota:

„Der HC Lev ist nicht nur ein Prager Club, sondern ein Club, der für das ganze Land kämpfen wird. Aus mehreren Sympathiebekundungen, die wir bereits erhalten haben, geht auch hervor, dass unsere Fans aus ganz Tschechien kommen werden.“

Auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit dem HC Sparta Prag wird der HC Lev seine Heimspiele in der Tipsport Arena, dem Domizil Spartas, austragen. Um möglichst rasch sehr viele Zuschauer in diese Arena zu bekommen, planen die Lev-Verantwortlichen mehrere Zuschaueraktionen, bei denen vor allem das junge Publikum für eine Unterstützung des Vereins gewonnen werden soll. Zudem verspricht Manager Sejejs:

Tipsport Arena  (Foto: Vít Malinovský,  Creative Commons 3.0)
„Wir schielen in unserer ersten Saison nicht darauf, möglichst viel Gewinn zu machen. Wir bieten die Eintrittskarten daher zu relativ moderaten Preisen an. Uns hilft es schließlich nicht, wenn die Preise hoch sind, die Zuschauer aber nicht kommen.“

Die Eintrittspreise für ein KHL-Punktspiel des HC Lev sind in der Tat erschwinglich – sie liegen umgerechnet zwischen 7 bis 11 Euro für einen Erwachsenen-Sitzplatz. Zum Vergleich: Der in der gleichen Halle spielende Traditionsverein Sparta Prag verlangt für denselben Platz bei einem Punktspiel der tschechischen Extraliga zwischen 4,60 und 8 Euro. Etwas teurer allerdings werden die vier attraktiven Begegnungen, die die Löwen (Lev heißt zu Deutsch Löwe) in der modernen O2 Arena austragen werden. Es sind die Spiele gegen SKA St. Petersburg, KHL-Champion OHK Dynamo Moskau und Russlands Rekordmeister CSKA Moskau im Oktober sowie das tschechisch-slowakische Derby mit Slovan Bratislava am 15. Januar nächsten Jahres. Am sichersten und schnellsten aber gewinnt der HC Lev seine eigenen Fans durch gute Leistungen, glaubt Trainer Jandač. Ein erster Fingerzeig auf die Spielstärke der Löwen waren dabei die Testspiele in der Saisonvorbereitung. Von den zehn Vorbereitungsspielen hat Lev die ersten sieben mehr oder weniger deutlich gewonnen, die letzten drei aber – bei einem Turnier in Donezk – knapp verloren. Für Kapitän Novotný aber ist das kein Beinbruch:

Turnier in Donezk  (Foto: Ondřej Kalát,  Archiv HC Lev Prag)
„Wir sahen das Turnier als Generalprobe für den Punktspielstart an und nicht nur als bloße Testspiele. Von daher wollten wir auch dort gewinnen. Das ist uns nur im ersten Spiel gelungen, danach gab es in unseren Leistungen sowohl Licht wie Schatten. Die Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, haben die Trainer per Video analysiert. Wir werden das Video mit unseren Fehlern sicher noch öfter sehen, denn unser Team steht noch am Anfang. Es ist schließlich nicht einfach, innerhalb von zwei Monaten ein völlig neues Team aufzubauen.“

Josef Jandač  (Foto: Jan Beneš,  Archiv HC Lev Prag)
Insgesamt aber hat die Vorbereitung eindrucksvoll gezeigt, dass der HC Lev durchaus konkurrenzfähig ist. Generalmanager Sejejs ist sogar überzeugt, dass die neu formierte Mannschaft nicht nur die Play-offs erreichen, sondern auch in die zweite Runde einziehen kann. Trainer Jandač aber weiß, dass dafür ein guter Saisonstart von großem Nutzen ist:

„Wir müssen jetzt erst einmal gut in den Wettbewerb starten oder anders formuliert: Für uns beginnen die Play-offs schon am Donnerstag. An diesem Tag ziehen wir in den Punktekampf und müssen Spiel für Spiel die Punkte sammeln, die zum Erreichen der Play-offs nötig sind.“

Foto: Ondřej Kalát,  Archiv HC Lev Prag
Sein Auftaktspiel bestreitet der HC Lev gegen den lettischen Verein Dinamo Riga. Am Samstag haben die Prager dann Spartak Moskau zu Gast, und wieder nur zwei Tage später empfangen sie den dritten KHL-Neuling dieser Saison, den ukrainischen Club Donbass Donezk. Die Ukrainer sind auch der Gegner von Novotný & Co. im letzten Punktspiel der Saison, das am 17. Februar kommenden Jahres ausgetragen wird. Sollten sich die Löwen bis dahin tatsächlich durchgebissen haben und nach Ablauf der Punktspiele in den Play-offs stehen, dann will zumindest Trainer Jandač noch hoch hinaus:

„Wenn wir in die Play-offs kommen und ich noch der Trainer von Lev sein werde, ist alles möglich. Sicher, wir haben das Ziel, die zweite Runde zu erreichen. Aber wenn wir dann in der zweiten Runde ausscheiden sollten und alle sagen, wir haben unser Ziel erfüllt, werde ich trotzdem sauer sein. Ich möchte ganz einfach soweit wie möglich kommen.“

Der tschechische Eishockeyfan darf sich also auf einen ambitionierten HC Lev Prag und einen noch mehr ambitionierten Trainer Josef Jandač freuen. Den vielen Worten vor der Presse müssen nun allerdings Taten auf dem Eis folgen.

Autor: Lothar Martin
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