Tschechien spekuliert: Warum musste der Justizminister gehen?
Nach der Abberufung von Justizminister Jiří Pospíšil wird heftig spekuliert und diskutiert. Premier Nečas selbst hat die Abberufung mit den finanziellen Forderungen des Justizressorts begründet. Doch Kommentatoren, Politologen und Oppositionspolitiker sehen einen anderen Grund. So stünde hinter der Abberufung die vom Minister geplante Neubesetzung der Prager Oberstaatsanwaltschaft, glauben sie. Im Laufe des Mittwoch meldete sich dann auch Jiří Pospíšil selbst zu Wort.
„Wir stehen hinter Pospíšil, Bradáčová und allen ehrlichen Polizisten und Staatsanwälten.“
Justizminister Jiří Pospíšil galt als beliebtes Regierungsmitglied. Für viele tschechische Bürger verkörperte er die Hoffnung im Kampf gegen die Korruption. Er hatte einen international renommierten tschechischen Juristen zum Obersten Staatsanwalt gemacht. Und er hatte sich gegen den Prager Oberstaatsanwalt Rampula gestellt. Rampula hatte Ermittlungen gegen Politiker gezielt verschleppt. Kommende Woche wollte Pospíšil den mittlerweile vakant gewordenen Posten in Prag neu besetzen. Und zwar mit Lenka Bradáčová, die auch vor Anklagen gegen Politiker nicht zurückschreckt.
Nun wird spekuliert, dass genau dieses Vorhaben dem Minister den Hals gekostet haben könnte – und nicht seine Forderungen nach mehr Geld für sein Ressort. Pospíšil selbst nährte am Mittwoch die Spekulationen. Bei der Regierungssitzung am Dienstag habe Premier Nečas ihm gegenüber keinesfalls laut werden müssen, so Pospíšil im Tschechischen Fernsehen:„Der Forderung nach der Erhöhung des Budgets hatte zuvor bereits Finanzminister Kalousek zugestimmt. Die Forderung war also nicht kontrovers und wurde bei der Kabinettssitzung dann in Ruhe zur Kenntnis genommen.“
Premier Nečas wiederholte am Mittwoch jedoch mehrmals, die finanziellen Forderungen des Justizministers seien für ihn entscheidend gewesen. Die Abberufung von Pospíšil kam indes so überraschend, dass sich selbst Regierungsmitglieder in die Spekulationen über die Gründe verwickeln ließen. So zum Beispiel Vizepremierministerin Karolína Peake: Auf der einen Seite stützte sie die Aussagen von Nečas. So sagte sie in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks, der Premier habe zwar nicht am Dienstag, aber bei anderen Kabinettssitzungen den Justizminister für seine Geldforderungen gerügt. Auf der anderen Seite relativierte sie dies auch wieder:„Natürlich kämpft jeder Minister für sein Ressort und versucht möglichst viel für sein Budget herauszuschlagen. Das halte ich für richtig und legitim.“Weiter im Raum steht daher die Frage, ob Nečas dem Druck von Parteikollegen nachgeben musste. Denn die Prager Oberstaatsanwaltschaft beschäftigt sich mit mehreren Korruptionsfällen, die bis in die höchsten Etagen der Politik reichen. Nun sind alle Augen auf die Wahl des Nachfolgers von Pospíšil gerichtet und auf seine Entscheidung zur Prager Oberstaatsanwaltschaft. Ernennt er Bradáčová oder nicht? Die oppositionellen Sozialdemokraten befürchten, dass er das nicht tun wird. Minister Pospíšil wollte am Mittwoch diese Befürchtungen nicht direkt teilen:
„Es wird sich zeigen, wie sich der zukünftige Justizminister zur Ernennung stellt. Falls er die tschechische Strafpolitik umkehrt und im Gegensatz zu mir aufhört, Reformen in der Staatsanwaltschaft zu unterstützen und auch ohne klare Gründe die Ernennung von Bradáčová ablehnt, dann werden die Spekulationen wohl durchaus berechtigt sein.“
Das sei dann aber Arbeit für investigative Journalisten, ergänzte Pospíšil.