Eine alte Reportage: Obwohl sie vernichtet wurde, lebt sie im Hörergedächtnis weiter
Es wird nach einem Musik-Titel gesucht, es wird an eine alte Reportage erinnert, es wird das aktuelle Geschehen in der tschechischen Politik kommentiert.
Willkommen bei der Hörerpostsendung auf den Wellen von Radio Prag, willkommen beim Hörerforum. Am Anfang möchten wir uns für Ihre Empfangsberichte, Ihre Briefe und E-Mails bedanken. Unter anderem folgende Hörer haben uns diesmal geschrieben: Osamu Aikawa aus Tokio, Michael Brawanski aus dem wesentlich näher liegenden Annaberg-Buchholz, Stefan Gaupmann aus Purgstall an der Erlauf und Dietmar Wolf aus Hammelburg. Also noch einmal vielen Dank, und nun schon zu Ihren Briefen:
Anfangen möchten wir mit einer Frage an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer. Vielleicht können Sie uns in einer Sache helfen, bei der wir keinen Rat wissen. Herr Manfred Hölzel fragt uns nämlich nach einem Musiktitel, der in den 60er Jahren als Jingle von Radio Prag gespielt wurde. Leider hat man damals die Töne noch nicht archiviert und in unserem Sender arbeitet heute keiner mehr, der in den 60er Jahren mit dabei war. Hier in Prag habe ich also die Antwort nicht gefunden. Vielleicht findet sich aber unter unseren langjährigen Stammhörern jemand, der die Musik, die Manfred Hölzel beschreibt, kennt. Hier also die E-Mail von ihm:
„Ich bin auf der Suche nach einem Musiktitel, welchen Sie etwa 1965 bis 1967 immer am Samstag oder Sonntag von Radio Prag, wenige Sekunden vor 13 Uhr kurz einspielten. Es war ein Instrumentaltitel, hauptsächlich Gitarrenmusik. Der Kommentator unterbrach den Titel immer mit den Worten " We are Radio Praha Czechoslovakia". Können Sie mir bitte den Titelsong und die Musikgruppe mitteilen?“Wir können es leider nicht tun, wenn aber jemand von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, uns auf die Spur bringen könnte, wären wir sehr dankbar. Herr Hölzel hat sicherlich nicht die Fanfare aus dem kommunistischen Lied Kupředu levá gemeint – das bedeutet „Vorwärts nach links, und keinen Schritt zurück“, die Jahrzehnte lang als Stationssignal von Radio Prag diente. Diese Fanfare kommt manchen von Ihnen sicher noch bekannt vor, doch es wird ein anderer Titel gesucht. In die Geschichte schauen wir auch anhand eines schönen und ausführlichen Briefs von Frank Paulusch aus Hoyerswerda.
„Lange ist es her, dass ich Euch regelmäßig geschrieben habe, aber ich bin Euch seit Jahrzehnten treu geblieben. Mit Radio Prag hat mein Kurzwellenhobby begonnen – und es war und bleibt meine Lieblingsstation! Schon zu DDR-Zeiten habe ich Euch intensiv gehört. Sehr gerne erinnere ich mich an Sendungen wie ´Spaziergang durch Prag´, ´Touristensprechstunde´, ´Prager Funkuniversität´, ´Hörerforum´ und samstags immer die Sendungen vom ´Interprogram´. Martina Schneibergová ist geblieben – mit ihr begann alles – ihre erste Frage zur Beantwortung wurde damals von mir gestellt. Sehr gerne erinnere ich mich an Martinas Reportagen über Praha-Prčice, an deren Wanderungen ich mehrere Jahre teilnahm. Die Dias-QSL-Karten waren eine Klasse für sich; weitere Sonder-QSL´s folgten u. a. mit den Vorstellungen der Redakteure oder den Städte-Motiven. Mehrere Besuche vor der Wende und danach haben den Kontakt nie abreißen lassen, und mich sogar veranlasst, 3 Jahre im Abendstudium die tschechische Sprache zu erlernen. Zudem ich durch meine Freundschaft mit einer Prager Familie seit Jahrzehnten ebenfalls verbunden war und bin. Prag ist mindestens einmal im Jahr meine Zielstation. Und etwas Tschechisch zu sprechen, hat mir in den Jahren sehr gut weiter geholfen – speziell vor 1990. Nun bin ich 50 Jahre geworden und hoffe auf weitere tolle Sendungen von Euch.“ Frank Paulusch hat mit seiner Erinnerung tief in die Geschichte von Radio Prag geschaut. Martina Schneibergová zeigte sich erfreut und überrascht, dass er ihre Beiträge über die Wanderung Prag-Prčice noch im Gedächtnis hat, handelt es sich doch um eine der ersten Reportagen überhaupt, die sie Mitte der 1980er Jahre für Radio Prag gemacht hat.„Es ist wirklich lange her, ich weiß nicht mehr wie viele Jahre seitdem vergangen sind. Aber ich kann mich daran aus zweierlei Gründen auch ganz gut erinnern. Einerseits war das eine der überhaupt ersten Reportagen, die ich für Radio Prag aufgenommen habe. Und das, obwohl ich eigentlich nicht wusste, wie man das machen soll, weil alle während der Wanderung tschechisch gesprochen haben. Ich habe alles, was die Leute mir während der Wanderung und am Schluss gesagt haben gleich, praktisch Simultan ins Deutsche übersetzt. Diese Reportage hatte angeblich damals Erfolg bei den Hörern von Radio Prag, aber nicht nur das: Sie wurde damals sogar auf einer Besprechung der Chefs gelobt, dass das eine neue Möglichkeit ist, wie man das machen soll. Denn es war damals wahrscheinlich verhältnismäßig ungewöhnlich, dass jemand mit dem Mikrophon draußen etwas aufgenommen hat. Das war nicht so üblich. Und der zweite Grund ist heutzutage ein bisschen absurd und lächerlich. Das war natürlich noch während des Kommunismus, vor der Wende, und damals haben die großen Chefs beschlossen, dass ich diese Reportage zu einem Wettbewerb für junge Reporter einreichen soll. Ich wollte das machen und habe mich erkundigt, wo diese Reportage aufbewahrt wird. Es war längst vor der Zeit der Digitalisierung, damals gab es große Tonbänder, die irgendwo im Archiv gelagert wurden. Ich wollte die Reportage abholen und es stellte sich heraus, die Reportage existiert nicht mehr. Dann wurde geforscht, wer sie als letzter in der Hand hatte, und es stellte sich heraus, dass es eine meiner damaligen Kolleginnen war. Sie war etwas älter als ich damals und wahrscheinlich war sie neidisch, sie hat die Reportage aus dem Archiv sozusagen geklaut und vernichtet. Na ja, diese Kollegin, ich will sie nicht nennen, aber es hat sich nach der Wende herausgestellt, dass sie eine Mitarbeiterin des kommunistischen Geheimdienstes STB war. Also wahrscheinlich wurde sie sogar damit beauftragt, so etwas zu machen.“
Martina Schneibergová hat sich an ihre Anfänge bei Radio Prag erinnert. Die Reportage ist zwar aus dem Archiv verschwunden, nicht aber – und das ist besonders erfreulich – aus dem Gedächtnis unserer Hörer. Seit 10 Jahren ist Clemens Schulz aus Bochum unser Hörer. Wie auch viele weitere Hörer, vermisst er den Empfang auf Kurzwelle und hat sogar einen Tipp für uns. In seinem Brief schreibt er:
„Ich bedanke mich ganz herzlich für das tolle Programm. Das Programm hat auch in den letzten Jahren nie an Niveau nachgelassen. Ich höre Sie nun schon seit ca. 10 Jahren und war nun nach einer längeren Pause jedoch umso bestürzter zu sehen, dass man Ihr Programm nur noch über das Internet oder per Satellit empfangen kann. Für mich als ambitionierten Wellenjäger und DXer ist dies natürlich ein herber Rückschlag, aber vielleicht ergibt sich in Zukunft noch einmal die Chance, das Programm von Radio Prag über einen Fremdsender auf die kurze Welle zu bekommen. So ist dies ja auch in Amerika geschehen. Es wäre schön, wenn Radio Prag in Zukunft zu besonderen Anlässen den Wellenjägern in zeitlichen Abständen von ½ bis 1 Jahr die Gelegenheit geben würde, noch einmal das Programm auf Kurzwelle zu empfangen, um so die eigene QSL-Kartensammlung mit Frequenz-Empfängen aufzuwerten. Für mich ist dies immer noch die eindeutig schönere Art des Empfangs!“
Soweit Clemes Schulz aus Bochum. Sein Kollege Ralf Urbanczyk aus Eisleben kommentiert in seinem Beitrag ein brennendes Problem in der tschechischen Politik und Gesellschaft:„Interessant war das Wirtschaftsmagazin mit den Ergebnissen der Umfrage des Arbeitgeberverbandes für Industrie und Verkehr. Wieder einmal wurde auch hier die grassierende Korruption im Land als wichtigstes Problem benannt. Im Index von Transparency International steht Tschechien noch hinter Dritteweltländern wie Botswana, Kapverden oder Puerto Rico. Ich finde es so ganz von außen gesehen wirklich erschreckend, wie Parteien und ihre Vertreter, die einmal als Saubermänner angetreten waren, schon kurze Zeit später mitten drin im Sumpf der Korruption stecken. Welcher Partei können die Tschechen denn überhaupt noch vertrauen? Hoffentlich steigt die Politikverdrossenheit im Lande nicht weiter, denn das wäre ja geradezu kontraproduktiv für die Lösung dieses Problems.“
Und damit verabschieden wir uns. Wir bitten Sie aber, auch weiterhin Briefe, Empfangsberichte, Kommentare und Fragen an uns zu schicken, und zwar per Post an: Radio Prag – Deutschsprachige Redaktion, Vinohradská 12, 120 99 Prag 2, Tschechische Republik, oder per E-Mail an [email protected].