Umfrage des Arbeitgeberverbands: Firmen und Unternehmer nur gedämpft optimistisch

Dem tschechischen Verband für Industrie und Verkehr (SP ČR) gehören zirka 1600 Arbeitgeber und Unternehmer an, die insgesamt fast 800.000 Beschäftigte haben. Er ist damit der größte Arbeitgeberverband in Tschechien und spricht so auch ein entscheidendes Wort bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mit. Vor kurzem hat der Verband unter seinen Mitgliedern eine statistische Erhebung durchgeführt, die unter anderem ein Stimmungsbild zur aktuellen wirtschaftlichen Lage vermittelt.

Jaroslav Hanák
Die Erhebung, die der Verband für Industrie und Verkehr Anfang August vorgenommen hat, ist außergewöhnlich in Europa. So haben sich nicht nur über 200 Mitglieder aus den Reihen des Verbandes an der Umfrage beteiligt, sondern von Seiten der Tschechischen Nationalbank (ČNB) sind auch wichtige makroökonomische Daten in die Ergebnisse der Erhebung eingeflossen. Das betonte Verbandspräsident Jaroslav Hanák bei der Präsentation der Umfrage. Vor Medienvertretern erklärte Hanák zunächst, zu welchem Zweck die Umfrage geführt wurde:

„Die Umfrage war insbesondere ausgerichtet auf die Entwicklung der Auftragslage, auf die Investitionstätigkeit der Firmen, auf den Beschäftigungsgrad sowie auf all jene Fragen, die das unternehmerische Umfeld beeinflussen.“

Und welches Stimmungsbild hat die Umfrage nun zu Tage gefördert? Jaroslav Hanák:

„Die Ergebnisse der Umfrage geben den Unternehmern wenig Anlass zu Optimismus, sie sind vielmehr etwas pessimistisch. Nach den Erfahrungen der Krise in Europa und den Vereinigen Staaten sind sie sehr vorsichtig geworden und hüten sich vor allzu gewagten Prognosen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben sich zudem einige Befürchtungen bestätigt: Den Ergebnissen der Umfrage zufolge kam es insgesamt zu einem Rückgang an Aufträgen, zu einer Verschlechterung der Investitionstätigkeit, was es de facto unmöglich macht, den Beschäftigungsgrad zu erhöhen, und natürlich ebenso zu einem nur sehr geringfügigen Lohnanstieg.“

Um die Löhne kräftiger erhöhen zu können, müsse die wirtschaftliche Effizienz in einer Firma außergewöhnlich gut sein, erläutert Hanák. Das sei aber gegenwärtig kaum der Fall, auch weil sich die Arbeitgeber und Unternehmer immer höheren Kosten bei der Materialbeschaffung und beim Energieverbrauch gegenüber sehen. Und was die weitere Kostenentwicklung anbelangt, so schwant den Firmen auch in näherer Zukunft nur wenig Gutes:

Foto: Europäische Kommission
„Die Erwartungen der Firmen sind ziemlich gedämpft aufgrund der Befürchtungen, dass die Preise für Strom, Gas und Erdöl weiter steigen werden. Aber auch die Maßnahmen, die von der Regierung vorbereitet werden, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und vermutlich weitere Steuerbelastungen für die Firmen, sind keine gute Nachricht. All diese Dinge führen dazu, dass unter den Arbeitgebern und Unternehmern große Nervosität herrscht“, erklärte Hanák.

Die Material- und Energiepreise, die in der Wirtschaft als so genannte Produktionseinstiegspreise bezeichnet werden, stellen in der Tat ein großes Problem dar. Im zweiten Quartal haben die Analytiker ihre Prognosen für den Anstieg dieser Preise im kommenden Jahr auf mehr als 5 Prozent nach oben korrigiert. Ursprünglich hatte die Industrie lediglich mit einem Preiszuwachs von zirka 3,5 Prozent gerechnet. Nach Einschätzung des Verbands für Industrie und Verkehr sind die Strompreise schon jetzt um 70 Prozent höher als noch im Jahr 2004, und die Preise für Erdgas sind im gleichen Zeitraum sogar um 80 Prozent gestiegen. Der Verband werde deshalb schon bald mit der Regierung über die weitere Entwicklung der Strompreise verhandeln, um deren Auswirkungen für das Wirtschaften der Firmen möglichst zu neutralisieren, versicherte Hanák. Gegenwärtig müssen die Unternehmen mit einer Strompreiserhöhung von sechs bis acht Prozent rechnen.

Foto: Europäische Kommission
Neben den Energiepreissteigerungen ist es vor allem der Verlust von Aufträgen, der den Unternehmern großes Kopfzerbrechen bereitet. Ein rapider Rückgang der Auftragslage sei noch schlimmer als eine Scheidung in der Familie, zog Hanák zu diesem sensiblen Thema einen schmerzhaften Vergleich. Im gleichen Atemzug nannte der Verbandspräsident dann ein für die Wirtschaft nach wie vor grundlegendes Problem beim Namen:

„Die Korruption. Ich kann da nur mit Nachdruck das wiederholen, was wir Geschäftsleute erst unlängst beim zehnten Forum ´Zlaté koruny´ gesagt haben: Die Befürchtungen vor einer weiteren Zunahme der Korruption sind groß! Es hat sich bestätigt, dass die Korruption das schwerwiegendste Problem für die Unternehmer ist. Die Korruption verdrängt nicht selten auch die internen Probleme, die viele Firmen aufgrund ihrer eigenen wirtschaftlichen Parameter haben.“

Neben dem Dauerthema Korruption, deren wirksame Bekämpfung sich das Kabinett Nečas eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, will der Verband für Industrie und Verkehr in den kommenden Verhandlungen mit der Regierung noch in zwei weiteren Punkten in die Offensive gehen. Das erste Problemfeld, das man dabei bestellen müsse, ist die bereits erwähnte ungünstige Entwicklung der Energiepreise. Und das zweite Feld?

Foto: Europäische Kommission
„Die zweite Offensive, die wir starten wollen, wird von uns gegenwärtig sehr intensiv vorbereitet. In Zusammenarbeit mit dem Verband für Bauwesen und weiteren Experten wollen wir sowohl die Regierung als auch die Abgeordneten der Koalition und Opposition dazu aufrufen, dass sie den auf tschechischem Territorium tätigen Firmen die große Chance einräumen, sich am Ausbau des Atomkraftwerks Temelín zu beteiligen“, sagte Hanák und ergänzte:

„Es gibt dazu drei Schlüsselprojekte und die Regierung muss sorgfältig abwägen, welches sie davon auswählt und welches unseren Firmen die größten Chancen an einer Projektbeteiligung gibt. Die Entscheidung liegt in den Händen der Regierung, doch wir erhoffen uns eine verantwortungsvolle Entscheidung in unserem Sinne.“

Am Ausbau des Atomkraftwerks Temelín sollten nach Vorstellung des Verbandes für Industrie und Verkehr also vorrangig tschechische Baufirmen beteiligt werden. Aus gutem Grund, denn es ist vor allem die Baubranche, die seit geraumer Zeit eine rückläufige Auftragslage beklagt.

Ihr Gegenstück ist die Automobilindustrie, die gerade in diesem Jahr auf dem Weg zu neuen Rekordzahlen bei Produktion und Absatz ihrer Fahrzeuge ist. Das bestätigte mit Einschränkungen auch der Direktor der Vereinigung für Automobilindustrie (Auto SAP), Antonín Šípek, gegenüber Radio Prag:

„Was die Ergebnisse der Automobilindustrie anbelangt, so können wir nach dem ersten Halbjahr 2011 durchaus sagen: Die Krise liegt hinter uns. Allerdings muss ich einschränkend hinzufügen, dass diese erfreuliche Tendenz in erster Linie die Produktion von Pkw und Bussen betrifft. Die tschechischen Hersteller anderer Fahrzeuge haben dagegen noch nicht wieder ihre Produktionszahlen erreicht, die sie vor der Krise in den Jahren 2005 und 2006 hatten.“

Trotz der positiven Entwicklung bestehe aber auch in der Automobilbranche noch kein Anlass zu Euphorie. Vor allem die Arbeitnehmer sollten ihre Erwartungen nicht allzu hochschrauben, sagt Šípek:

„Was den Beschäftigungsgrad betrifft, so erwarte ich eine Stagnation. Die Firmen werden im kommenden Jahr gewiss neue Arbeitnehmer einstellen, doch es wird sich dabei lediglich um die Größenordnung von einigen hundert Beschäftigten handeln. Und was die Löhne anbelangt, so ist der letzten Erhebung zufolge im kommenden Jahr ein Lohnanstieg von rund drei Prozent zu erwarten.“