Bohemia Jazz Fest gewinnt an Format und Popularität

Rudy Linka

Viele Touristen, aber auch Einheimische beklagen, dass in den Straßen der böhmischen und mährischen Städte zu wenig los sei. Besonders in den Sommermonaten, in denen in anderen europäischen Metropolen Straßenmusikanten, Gaukler oder Pantomimen das fröhliche und bunte Bild der Innenstädte prägen. Dieses Defizit in Tschechien hat auch der tschechisch-amerikanische Gitarrist des Modern Jazz, Rudy Linka erkannt. Vor sechs Jahren hat er deshalb das Bohemia Jazz Fest ins Leben gerufen, ein Wanderfestival, das sich seitdem immer größerer Popularität erfreut. Das kann man gerade dieser Tage wieder feststellen, in denen das Jazz Fest 2011 in vollem Gange ist.

Rudy Linka
Eine lebende Legende des Jazz spielte gleich zum Auftakt des diesjährigen Bohemia Jazz Festes am Dienstagabend auf dem Altstädter Ring in Prag auf. Es war kein Geringerer als der 72-jährige amerikanische Jazzpianist McCoy Tyner, der mit seinen Kompositionen, die wiederholt auch reichlich Raum für seine intuitiven musikalischen Improvisationen ließen, die rund 20.000 Besucher begeisterte. Das aber schafft der begnadete Jazzmusiker mit seinem Quartett schon seit Jahrzehnten, weshalb ihm von Festivalleiter Linka an diesem Abend auch der Bohemia Jazz Award für seinen Top-Beitrag zur internationalen Jazzmusik verliehen wurde. Linka spricht nicht nur mit Hochachtung von dem farbigen Pianisten, sondern konnte auch sehr lange nie so recht verstehen, wie McCoy Tyner sein Klavierspiel so zur Perfektion gebracht hat. Auf der Fahrt vom Flughafen in ein Prager Hotel hat es Linka dann von dem sympathischen Jazzopa ganz persönlich erfahren, wie er Radio Prag anvertraute:

McCoy Tyner
„Ich habe ihn gefragt, wie es möglich war, dass er es binnen vier Jahren gelernt hat, so exzellent Piano zu spielen. McCoy Tyner hat mit dem Klavierspiel nämlich erst mit 13 Jahren begonnen, doch schon als 17-Jähriger trat er in Bands zusammen mit den besten Jazzmusikern seiner Zeit auf. Er antwortete mir, seine Mutter habe früher einen Friseursalon besessen, und als man für ihn ein Piano gekauft hatte, gab es in der Wohnung keinen Platz, also sei das Piano in den Salon gestellt worden. Er habe aber dort nicht nur geübt, sondern von Beginn an gleich vor den Kunden gespielt, auch als er noch nicht gut spielen konnte. Deshalb habe er das Klavierspiel sehr schnell erlernen müssen, um vom Publikum des Salons nicht ausgepfiffen zu werden. Mir imponiert das einfach, dass McCoy Tyner immer für die Leute gespielt hat.“

Das war auch in Prag nicht anders, wo die Festivalbesucher sicher gern noch mehr von seiner Musik gehört hätten. Rudy Linka aber verweist zu Recht nicht ohne Stolz darauf, dass sein Jazz Fest nicht nur aus einem einzigen Konzertabend an einem Ort besteht:

„Unser Festival ist ein Wanderfestival und ich wäre sehr erfreut darüber, wenn die Leute das Festival in seiner Gesamtheit sehen würden. Ganz einfach aus dem Grund, weil es nicht nur in Prag und weiteren sechs tschechischen Städten stattfindet, sondern auch weil das Programm an allen Veranstaltungsorten stets anders ist. Der Jazz ändert sich allein schon durch die Plätze, auf denen er gespielt wird. In Prag und Budweis zum Beispiel spielen wir in diesem Jahr auf ziemlich großen Plätzen, und die Musik klingt dort ganz anders, als in Prachatitz, wo wir auch auftreten werden. Dort spielen wir auf einem sehr kleinen Platz, von dem ich immer sage: Er ist wie ein Jazzclub mit offenem Dach.“

John Scofield
Überhaupt spielt die Wahl des Ortes für Rudy Linka eine sehr wichtige Rolle:

„Ich habe mir gesagt: Mehrere Plätze hier in Tschechien sind von ihrer Architektur und ihrer natürlichen Kulisse so toll, dass es noch großartiger wäre, wenn sich dazu noch Musik von einer gleich hohen Qualität gesellen würde. Und so ist vor sechs Jahren das Bohemia Jazz Fest entstanden.“

In diesem Jahr dürfen sich noch die Jazzfans in Domažlice / Taus, Plzeň / Pilsen, Brno / Brünn, Prachtatice / Prachatitz und in České Budějovice / Budweis auf die renommierten Interpreten des Bohemia Jazz Fests freuen, wenn sie hier noch vom 14. bis 23. Juli auftreten. Unter diesen Interpreten sind zum Beispiel Caecilie Norby aus Dänemark, die Gruppe Ploctones aus den Niederlanden oder die amerikanischen Spitzenformationen von John Scofield und Danilo Perez. Letzterer tritt mit seinem Trio am Freitag in Pilsen auf.

Danilo Perez
Weitere Informationen zum Programm des Bohemia Jazz Festes finden Sie unter: www.bohemiajazzfestival.cz

Autor: Lothar Martin
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