Neues Museum in Ústí: Platz für Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens

Foto: ČTK

In der nordböhmischen Stadt Ústí nad Labem / Aussig wurde am Mittwoch ein bedeutendes kulturpolitisches Ereignis gefeiert: Nach mehreren Jahren Renovierung wurde das städtische Museum neu eröffnet, die Arbeiten haben nach Medieninformationen umgerechnet rund 20 Millionen Euro verschlungen. Zur Eröffnungsfeier kamen hohe Staats- und Regierungsvertreter wie Verteidigungsminister Vondra und Kulturminister Besser sowie der ehemalige Oberbürgermeister von Ústí und neue Botschafter in Washington, Gandalovič. Aber auch Vertreter tschechisch-deutscher Institutionen und der deutsche Botschafter Haindl durften in dem Fall nicht fehlen, denn in seinen neuen Räumen bietet das Museum Platz für die Kultur und Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern. Diesen Teil des Museums gestaltet die tschechische Kultur- und Bildungseinrichtung Collegium Bohemicum. Dazu ein Interview mit Thomas Oellermann, Historiker und Mitarbeiter des Museumsteams des Collegium Bohemicum.

Historiker des Collegium Bohemicum Thomas Oellermann  (links) und Direktorin des Collegium Bohemicum Blanka Mouralová  (rechts). Foto: Archiv des Collegium Bohemicum
Herr Oellermann, in dieser Woche wurde das Museum in Ústí nad Labem nach einer längeren Renovierung neu eröffnet. Unter anderem wird eine neue große ständige Ausstellung vorbereitet. Es ist die Sammlung zur Geschichte der deutschsprachigen Bewohner der böhmischen Länder. Warum heißt sie nicht Sammlung zur Geschichte der Sudetendeutschen in den böhmischen Ländern?

„Diese Formulierung, die wir gewählt haben, ist in der Arbeit mehrerer Jahre entstanden und zwar der Arbeit einer Fachgruppe verschiedener Historiker und Wissenschaftler zu diesem Thema - Historiker aus Deutschland, Österreich und natürlich auch aus der Tschechischen Republik. Man hat sich hier ganz bewusst für diese Formulierung entschieden, weil man niemanden ausschließen möchte, beispielsweise die jüdische Bevölkerung. Denn dort spielte die deutsche Sprache ebenfalls eine gewisse Rolle. Und deswegen sollen auch die jüdische Bevölkerung und ihre Geschichte in dieser Ausstellung einen Platz finden. Das gleiche gilt aber beispielsweise auch für Familien, in denen neben dem Tschechischen zudem das Deutsche gesprochen wurde. Auch für solche Fälle, und die gab es nun einmal sehr zahlreich in den böhmischen Ländern, ist diese Ausstellung gedacht. Wir möchten viele Leute und viele Personengruppen integrieren und niemanden ausschließen aus der Ausstellung.“

Aus der Sammlung zur Geschichte der Sudetendeutschen  (Foto: ČTK)
Was wird denn dort zu sehen sein? Vielleicht können Sie auch ein paar besonders interessante Exponate nennen?

„Diese Ausstellung ist eine Reise durch mehrere Jahrhunderte gemeinsame Geschichte. Auf 1500 Quadratmetern wird sie vom Mittelalter, also vom Eintreffen der Deutschen in den böhmischen Ländern, bis in die unmittelbare Nachkriegszeit reichen. Wir behandeln die Geschichte nicht chronologisch, sondern in mehreren Themen. Im Vordergrund soll vor allem das Zusammenleben der verschiedenen Gruppen stehen. Natürlich werden wir keine Konflikte ausblenden oder ihnen aus dem Weg gehen. Es ist ganz klar, dass das 20. Jahrhundert von Konflikten geprägt war. Wir wollen aber auch einen starken Akzent auf das sehr bereichernde Zusammenleben in den vorherigen Jahrhunderten legen. Wir präsentieren viele bedeutende Exponate. Wir zeigen beispielsweise eine Kneipe aus dem 19. Jahrhundert, die wir nach Loket, also Ellbogen, verlegt haben. Diese soll das gesellschaftliche Leben widerspiegeln - das Vereinsleben oder auch das entstehende politische Leben. Wir planen einen Biedermeier-Salon. Und wir stellen industriegeschichtliche Exponate aus, zum Beispiel Maschinen, die zur Knopfherstellung dienten. Das sind unter anderem zentrale Exponate beziehungsweise bedeutende Exponate unserer Ausstellung.“

Aus der Sammlung zur Geschichte der Sudetendeutschen  (Foto: ČTK)
Bis wann soll die Ausstellung fertig installiert sein?

„Geplant ist der Sommer 2012, deswegen laufen die Vorbereitungen auch jetzt schon auf vollen Touren. Wir versuchen diesen Plan natürlich einzuhalten. Heute in einem Jahr soll die Ausstellung eröffnet werden.“

Autor: Till Janzer
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