Musikpublizistik bei Radio Prag
Der Wunsch eines Hörers von Radio Prag war es, dass wir den Schriftsteller Eduard Bass vorstellen. Unter anderem dies werden wir im Hörerforum gern tun.
Wie letztes Mal versprochen, wollen wir heute mit einem Ihrer Kommentare zum neuen Inhalt unserer Sendungen anfangen. Lutz Winkler aus Schmitten hat sich über die Sonntagssendereihe MusikCzech kritisch geäußert und in seinem Brief bemerkt, die Programmstruktur habe sich von einem Informationsprogramm zu einem Unterhaltungsprogramm gewandelt. Und was meint der Chefredakteur von Radio Prag, Gerald Schubert, zu diesem Einwand?
„Die Unterhaltung ist an sich noch nichts Negatives. Unterhaltung ist auch etwas Schönes und gehört auch zum Radio. Natürlich, der Hauptgrund, warum wir senden, ist, über Tschechien zu informieren, und deswegen sind wir in erster Linie natürlich tatsächlich ein Informationsprogramm. Wirklich ein reines Unterhaltungsprogramm wollen wir nicht sein. Ich glaube, was der Hörer im Sinn hatte – und das geht aus seinem Brief auch hervor – das ist vor allem die Sendung am Sonntag, die wir aus Kapazitätsgründen völlig umbauen mussten. Unsere halbstündige Sonntagssendung ist jetzt wirklich eine Musiksendung. Der Grund dafür sind eindeutig die Einsparungen von Seiten des tschechischen Außenministeriums, das unser Budget bekanntlich gekürzt hat. Und wir mussten darauf irgendwie reagieren, wir haben auch leider Personal abbauen müssen und deswegen ist die Sonntagssendung nun so wie sie ist. Allerdings, natürlich auch die Musiksendung soll Musikpublizistik sein. Was wir nicht wollen, und möglicherweise ist das mal passiert, da hat der Hörer wahrscheinlich die Sendung gemeint, wo am Anfang ein paar Worte über die Musik gesprochen wurde, die dann gespielt wird, und dann ist hauptsächlich eine CD abgespielt worden. Das ist nicht das, was wir wollen. Das sind Kinderkrankheiten der Umstrukturierung des Programms, aber eigentlich ist geplant – und das ist jetzt eigentlich auch so – dass wir über die Musik, die wir da spielen, auch berichten, erzählen über die Gruppe, über den Sänger, die Sängerin, über die Stilrichtung, die wir da hören, über die Einordnung in der tschechischen Musikgeschichte usw. Also das ist etwas, was wir als Musikpublizistik bezeichnen, und ich glaube, dafür muss man sich nicht schämen, das gehört im Radio einfach dazu.“Soweit der Chefredakteur von Radio Prag, Gerald Schubert. Hoffentlich haben Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, an unseren Musiksendungen inzwischen bereits Gefallen gefunden. Und hoffentlich auch Herr Winkler, bei dem wir uns für dessen Anmerkungen bedanken. Nun wenden wir uns einem weiteren Brief zu. Klaus Köhler aus Probstzelle schreibt:
„Am Wochenende war ich wieder mal auf der Suche nach einem interessanten und spannenden Buch aus meinem mittlerweile recht großen Buchbestand. Meine Wahl fiel dabei auf ein leicht abgegriffenes Buch, welches im Jahr 1959 im Sportverlag der DDR in der zweiten Auflage erschienen war. Es trägt den wundersamen Titel „Klapperzahns Wunderelf“. Der Autor ist Eduard Bass. Zu meiner Verwunderung las ich, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Tschechischen handelt. Ich möchte Sie nun recht herzlich bitten, mir diesen Schriftsteller Eduard Bass näher vorzustellen.“
Das werden wir gerne machen. An zwei Dinge denkt ein Leser, wenn man den Namen Eduard Bass nennt. Und zwar Fußball und Zirkus. Der Fußball dank des humoristischen Romans für Kinder und Erwachsene „Klapzubova jedenáctka“, den Bass im Jahr 1922 schrieb. Dabei handelt es sich eben um das von Herrn Köhler genannte Buch „Klapperzahns Wunderelf“, das über Vater Klapperzahn und seine elf Söhne erzählt, aus denen er eine Wunderfußballmannschaft formt. Den Zirkus findet man wiederum in Bass´ Erzählungen aus dem Zirkusmilieu „Der Komödiantenwagen“ und in seinem Roman „Zirkus Humberto“. In den 80er Jahren wurde der Roman als Fernsehserie verfilmt, die sehr populär war. Auch in Deutschland wurde die Serie gesendet, sodass sie wohl auch Ihnen bekannt ist.
Eduard Bass war in der Zwischenkriegszeit ein bekannter Prager Schriftsteller, Kabarettist, Feuilletonist, Reporter, Gerichtsberichterstatter, Theaterkritiker und ein Repräsentant der demokratischen Bewegung in der tschechoslowakischen Gesellschaft. In den Jahren 1921 bis 1933 war er Redakteur und nach 1933 Chefredakteur der Tageszeitung Lidové noviny. Eben aus dieser Zeit, genau aus dem Jahr 1936, stammt auch die folgende Ansprache, die im Archiv des Tschechoslowakischen Rundfunks aufbewahrt wird. Eduard Bass spricht darin über seine Lektüre und die Arbeit eines Journalisten:„Soll man den Leuten richtig erklären, was in der Welt geschieht, muss man sich zuerst selbst damit bekannt machen. Für einen Fachjournalisten bedeutet dies allerdings ein systematisches Studium. Aber auch derjenige, den nur sein Interesse leitet, hört nicht auf, bis er sich mit den wichtigsten Sachen bekannt gemacht hat. Glücklicherweise entwickelt es sich jeweils in Zyklen. Es gab eine Zeit, in der wir die Bücher über Russland aufmerksam studiert haben, danach verlagerte sich das Interesse auf Italien und den Faschismus, danach wiederum auf die Wirtschaftskrise und die Verhältnisse in den USA. In den letzten Jahren stellt Deutschland den Schwerpunkt des Interesses dar. Das bedeutet nicht, dass man in der jeweiligen Zeit nichts anderes liest. In der Zeit, als der Nationalsozialismus auf die Machtergreifung zustrebte, musste ich nach Büchern greifen, die ihn erklärten. Ich musste lesen, was einst Gaubineau schrieb, ich musste die dicke Bibel von Chamberlains `Grundlagen des 19. Jahrhunderts` aus meiner Bibliothek nehmen. Ebenso haben mich Fichte und Lagardes `Schriften für Deutschland` wieder angezogen. Und dann natürlich eine Reihe neuer Bücher, vor allem die komplizierte Ideologie Rosenbergs und dagegen eine ganze Serie von Emigrantenbüchern, Reportagen aus Deutschland, militärischen Studien und Studien zur Rassenproblematik. Es war ein schöner Stapel, aber Gott sei dank war alles interessant und voll von interessanten Entdeckungen.“ Soweit die Stimme von Eduard Bass. Bis 1942 leitete er die Zeitung, danach widmete sich der Schriftsteller ausschließlich der literarischen Arbeit. Eben in dieser Zeit fand seine langjährige Liebe zum Zirkus in der Romanchronik „Zirkus Humberto“ ihren Ausdruck. Eduard Bass starb kurz nach Kriegsende, im Oktober 1945.Und damit sind wir am Ende des heutigen Hörerforums angelangt. Wir freuen uns auf ein Wiederhören in zwei Wochen. Bis dahin schreiben Sie Ihre Briefe, Fragen und Kommentare an uns, und zwar per Post an: Radio Prag – Deutschsprachige Redaktion, Vinohradská 12, 120 99 Praha, Tschechische Republik, oder per E-Mail an [email protected].