Antrittsbesuch in Wien: Strahlend wird Premier Nečas nicht empfangen
Der tschechische Premier Nečas ist schon ein dreiviertel Jahr im Amt, und erst jetzt macht er seinen Antrittsbesuch im Nachbarnland Österreich. Bereits seit Jahren ist die Atomkraft wegen des Ausbaus des tschechischen AKW Temelín ein bilaterales Dauerthema. Jetzt, während der Fukushima-Katastrophe steht es in Österreich, wo es schon in den 1970er Jahren einen Volksentscheid gegen Atomkraft gab, ganz oben auf der Tagesordnung. Christian Rühmkorf befragte den Korrespondenten des Tschechischen Rundfunks in Wien, Vojtěch Berger, zum Antrittsbesuch von Premier Nečas in unruhigen Zeiten.
„Nun ja, es kann vielleicht von außen so aussehen, als ob Atomkraft das wichtigste Thema in Österreich wäre. Zumindest meiner Meinung nach stimmt das nicht so ganz. Zum Beispiel die Eröffnung des Arbeitsmarktes ist viel wichtiger. Denn das ist das Thema, das die österreichische Wirtschaft bewegt, und das sie ankurbeln kann. Und es ist eine Tatsache, dass die gesetzlichen Vorbereitungen für die Öffnung des Arbeitsmarktes schon seit Monaten laufen, was ja bei der Atomkraft nicht der Fall ist. Denn das ist ein ausschließlich politisches Thema, bei dem man nur politische Punkte gewinnen kann. Nach den Ereignissen in Japan sind die Befürchtungen der Österreicher vor der Atomkraft um ein Vielfaches gestiegen. Dem ist sich Bundeskanzler Faymann ganz klar bewusst. Er wird jetzt in dem Sinne handeln, dass er die österreichische Öffentlichkeit zufrieden stellt. Und nun zu deiner Frage zurück, was das alles mit den tschechisch-österreichischen Beziehungen macht. Das werden wir natürlich erst nach dem Ende der heutigen Verhandlungen in Wien sehen. Ich glaube, es ist keine sichtbare Revolution zu erwarten, aber sicher einige sehr unharmonische Töne hinter verschlossenen Türen.“
Du hast die Arbeitnehmerfreizügigkeit angesprochen, die für Tschechen mit dem 1. Mai in Kraft tritt. Sind bei diesem Thema noch Probleme zwischen beiden Gesprächspartnern zu erwarten?„Die österreichische Regierung rechnet damit, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes 20.000 bis 25.000 neue Arbeitskräfte nach Österreich lockt. Premier Nečas hat jedoch dem österreichischen Bundespräsidenten versichert, dass es keinen großen Ansturm aus Tschechien gibt, denn diejenigen, die nach Österreich zum Arbeiten kommen wollten, hätten das schon längst gemacht. Der 1. Mai bringe in diesem Sinne keine Änderung. Das ist die tschechische Position. Österreich bereitet sich trotzdem stark auf die neuen Verhältnisse ab Mai vor - in diesem Zusammenhang wird ein so genanntes Antidumpinglohn-Gesetz im österreichischen Parlament diskutiert, das sichern soll, dass kein Ausländer zu einem niedrigeren Lohn arbeiten wird als ein Österreicher in der gleichen Position. Dadurch würden die einheimischen Angestellten nicht benachteiligt. Es ist zu erwarten, dass Premier Nečas auch zu diesem Thema einige Fragen von Bundeskanzler Faymann gestellt bekommt.“