Diebstahl am helllichten Tag: aus dem Kunstgewerbe-Museum verschwand wertvolle Fotografie
Zu einem Diebstahl am helllichten Tag, fast vor den Augen der Besucher und trotzdem ohne Zeugen, ist es am Sonntagnachmittag im Prager Kunstgewerbe-Museum gekommen. Eine wertvolle Fotografie von František Drtikol aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist verschwunden.
Entdeckt wurde der Diebstahl erst bei der Museumsreinigung am Montagmorgen. Wo zuvor das Akt-Foto mit dem Namen „Vlna“ („Die Welle“) zu sehen war, hing nur noch ein leerer Rahmen. Die teure Aufnahme stammt vom wohl berühmtesten tschechischen Fotografen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, František Drtikol. Der Kurator der ständigen Ausstellung über Drtikol im Kunstgewerbe-Museum, Jan Mlčoch, erläutert die Bedeutung der gestohlenen Fotografie:
„Sie ist darin einzigartig, dass sich dort der zeitgenössische dekorative Stil, das damalige Interesse für avantgardistische Ideen und eine sehr ausgeprägte Körperlichkeit verbunden haben.“
Die Fotografie wurde aus dem Rahmen und dem Passepartout herausgeschnitten, wozu der Täter nur ein paar Minuten brauchte. Die Wächter wurden nicht gewarnt, da das Museum keine Alarmanlage hat und die Kameras nicht den ganzen Raum im Fokus haben. Die Direktorin des Museums, Helena Koenigsmarková, räumt menschliches Versagen ein. Die gestohlene Fotografie war eine der wahrscheinlich fünf Arbeitsversionen des Frauenakts „Vlna“, dessen endgültige und signierte Version im Museumsdepositar weiterhin aufbewahrt wird.„Die Fotografie, die im Saal gestohlen wurde, ist eine der Variationen, die besonders aus Studiengründen von großer Bedeutung ist. Für das Studium der Entwicklung des Werkes von Drtikol und der einzelnen Schritte, mit denen er seiner endgültigen und berühmten Version zustrebte“, sagt Jan Mlčoch.Der künstlerische Wert des Werkes lässt sich kaum beziffern, der Versicherungswert liegt bei 50.000 Euro. Laut Museumsdirektorin Koenigsmarková wurde der Diebstahl wahrscheinlich im Auftrag begangen:
„Alle professionellen Verkaufsstellen wurden sofort benachrichtigt. Sollte bei ihnen dieses Foto auftauchen, werden sie es melden. Derjenige, der die Fotografie entwendet hat, hat deswegen nur die Chance, das Foto zu eigenen Zwecken zu nutzen. Hoffentlich wird er es nicht zerstören.“
Trotzdem droht, dass der Akt verkauft wird: auf dem Schwarzmarkt oder im Ausland.
Drtikol gehört heute zu den bekanntesten Fotografen seiner Generation weltweit. In den Jahren 1910 bis 1935 betrieb er ein berühmtes Atelier in Prag, in dem er unter anderem die Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk und Edvard Beneš fotografierte. Zu Ruhm gelangte Drtikol aber vor allem durch seine Frauenakte in geometrischen Dekorationen.