„Wie man in Prag auf ewige Zeiten regieren kann“
Seit Wochen wird im Prager Rathaus um die Bildung einer Koalition für die Stadtregierung gerungen. Kein Wunder, eröffnet doch das Ergebnis der Kommunalwahlen vom Oktober die verschiedensten Koalitionsvarianten. Im Moment scheint es tatsächlich so, als wollten die Demokratische Bürgerpartei (ODS) und die Sozialdemokraten (ČSSD) die neu angetretene TOP 09, die die Wahlen klar gewonnen hat, ausbooten und eine große Koalition bilden.
Jiří Dienstbier junior, der sozialdemokratische Spitzenkandidat, hat sich gegen eine solche Koalition seiner Partei mit der von den Pragern abgewählten ODS ausgesprochen. Und wurde am Montag unsanft abserviert; von seinen eigenen Genossen wohlgemerkt. Mit den rauen politischen Sitten in der tschechischen Hauptstadt befasst sich Petr Honzejk in seinem Kommentar in der Hospodářské noviny:
„Nach zwei Wochen Koalitionsverhandlungen kann man folgende Hypothese formulieren: ODS und ČSSD haben sich zur Zusammenarbeit entschlossen und wollen mit jenem Regierungsstil weitermachen, der in den vergangenen acht Jahren das Vertrauen in die Prager Politik vernichtet hat. Womit sie zur Vermutung anregen, dass die politischen Inhalte in enger Verbindung mit dem Inhalt der Geldbörsen der politischen Hauptakteure stehen.“
Die sich als politische Alternative profilierenden kleineren Parteien wie die Grünen oder die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten habe sich die ODS durch eine Änderung des Wahlrechtes zu Gunsten der großen Parteien rechtzeitig vom Hals geschafft. Des durch ständigen Korruptionsverdacht verdorbenen Images hätten sich die etablierten Parteien durch neue Spitzenkandidaten entledigt, schreibt Honzejk. ODS-Mann Bohuslav Svoboda habe man bereits kurz nach der Wahl auf Linie gebracht – nicht zuletzt mit der Aussicht auf den Oberbürgermeisterposten – und den widerspenstigen Sozialdemokraten Jiří Dienstbier junior kurzerhand entsorgt. Nun stehe einem Fortbestand des alten Machtgefüges nichts mehr im Weg, konstatiert der Kommentator der Hospodářské noviny. Doch was tun, damit man bei den kommenden Wahlen in vier Jahren nicht komplett abstürzt? Ganz einfach: Man baue einige neue Spielplätze und verschönere einige Parks. Und wenn das zu wenig sein sollte:„Wähler kann man kaufen. Die Beispiele aus den kleineren Städten zeigen, dass diese Methode Zukunft hat. In Prag liegt die Wahlbeteiligung bei rund 50 Prozent. Um den Sieg bei den kommenden Wahlen zu sichern, reicht es, etwa ein Viertel der Nichtwähler zu den Urnen zu bringen. Das ist gar nicht so teuer. In Český Těšín gab es dieses Jahr 300 Kronen pro Stimme. Unter Berücksichtigung des Kaufkraftunterschiedes und der Inflation sollten es in Prag in vier Jahren dann 500 Kronen sein. Macht etwa 62 Millionen. Ungefähr so viel, wie ODS und ČSSD in diesem Jahr für die Wahlkampagne ausgegeben haben“, schreibt Petr Honzejk in der Hospodářské noviny und entschuldigt sich für seinen Zynismus. Aber im Vergleich zum Zynismus der laufenden Koalitionsverhandlungen in Prag sei das ja richtig harmlos, so der Kommentator.