Hustende Kinder und der Kampf gegen den Smog in Mährisch Schlesien
Seit vergangener Woche ist es wieder soweit: Im Mährisch-schlesischen Kreis herrscht Smog-Warnung. Am Montagmorgen beispielsweise sind an allen Orten die Grenzwerte für die Feinstaubkonzentration überschritten worden, und das teilweise um das Doppelte. Es ist Herbst und die Menschen in der Gegend erinnern sich nur mit Unbehagen an den vergangenen Winter, als der Smog das Atmen in dieser Gegend wochenlang schwer machte. Bessere Luft für Nordmähren, das versprechen Politker nun schon seit Jahren. Der neue Umweltminister Pavel Drobil hat dies zu einer der Prioritäten seines Programms gemacht.
„Im vergangenen Jahr war er insgesamt sechs Mal hier. Meist hatte Dominik Erkrankungen der Atemwege“, wie Doktor Klos sagt.
Dominiks Mutter ahnt: Das liegt am Wohnort Ostrava / Ostrau, eine der Städte mit der schlechtesten Luft in ganz Tschechien:
„Wir sind fast ein Jahr hier, und Dominik ist häufig krank. Als wir in England gelebt haben, war das anders. Die Luft dort ist hundert Mal besser als hier.“
Kinderarzt Zdeněk Klos kann auf 36 Jahre Praxiserfahrung zurückblicken. Er bestätigt den Eindruck, den Dominiks Mutter hat:
„Vor allem gibt es eine Häufung von Atemwegserkrankungen, besonders verschiedene Formen der Bronchitis. Das Schlimmste ist allerdings, dass die Umwelteinflüsse hier auch zu einer erhöhten Zahl an Asthma-Erkrankungen führen, und das sogar bei Säuglingen.“
Auch wissenschaftlich wird diese Erfahrung mittlerweile belegt. Kindern setzen die Schadstoffe im nordmährischen Kohle- und Stahlrevier am meisten zu - neben alten und kranken Menschen. Aber stinken tut es fast allen hier. Bei einer soziologischen Umfrage gaben 93 Prozent der Menschen im Mährisch-schlesischen Kreis an, dass sie unter der schlechten Luft leiden. Ganz besonders schlimm war es im vergangenen Winter, wie Vendula Krčmářová sagt. Sie leitet das Ostrauer Regionalbüro der Umweltorganisation Arnika:„Der vergangene Winter war wirklich kritisch für die Region hier, Ostrau ist praktisch im Smog versunken. Manche Fachleute haben die Zeit im Januar als die schlimmste in diesem Jahrtausend bezeichnet. Ein konkretes Beispiel: der 25. Januar, als in Ostrau-Zábřeh eine Feinstaubkonzentration von 900 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gemessen wurde. Dabei liegt der gesetzliche Grenzwert bei nur 50 Mikrogramm. Dem Gesetz nach darf zudem der Grenzwert nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Leider ist das hier nicht so. In den Ostrauer Stadtteilen Radvanice und Bartovice, die am meisten unter der Luftverschmutzung leiden, wurde der Grenzwert im vergangenen Jahr an 107 Tagen überschritten. In diesen Tagen wiederholt sich die Situation wie in jedem Jahr. Es wurde bereits vor Smog gewarnt, das heißt die Luft verschlechtert sich nun in Richtung Winter erneut.“
Gestritten wird indes, wer die größte Schuld an der schlechten Luft hat: Die einen sagen, Verkehr, Heizungen und Industrie trügen gleichermaßen zur Misere bei. Vendula Krčmářová ist sich indes sicher:
„Hier im Mährisch-schlesischen Kreis hat die Industrie den Hauptanteil. Zwar dürften in den Gegenden, die von der Industrie weiter entfernt liegen, die Emissionen durch Heizungen überwiegen. Wenn wir aber die ganze Gegend in Betracht ziehen, ist meiner Meinung nach die Industrie die Haupt-Quelle.“Das scheint auch Umweltminister Pavel Drobil von den Bürgerdemokraten (ODS) so zu sehen. Er kommt selbst aus Nordmähren und ist in Bohumín / Oderberg bei Ostrau zur Schule gegangen. Später gehörte er dem dortigen Stadtrat an und war stellvertretender Hauptmann des Mährisch-schlesischen Kreises. Bessere Luft in der Gegend steht ganz oben auf seiner Prioritätenliste.
Der 38-jährige Novize im Ministeramt plant, die Unternehmen der Gegend stärker in die Pflicht zu nehmen. Unternehmen wie das des Stahlgiganten Mittal oder die Stahlwerke in Třinec. Sie sind nicht nur im Mährisch-schlesischen Kreis, sondern im gesamttschechischen Vergleich die größten Verursacher von Feinstaub, Kohlenmonoxid, polyzyklischen aromatischen Wasserstoffen und Dioxin. Ein giftiges Gemisch, das da aus den Schornsteinen allein dieser beiden Unternehmen kommt. Und es gibt noch viele weitere Betriebe der Schwerindustrie in der Gegend, die ebenso Umweltsünder sind. Drobil verlangt von ihnen Milliardeninvestitionen in Umweltprojekte. Und er setzt dabei auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Zugleich will er aber auch Druck ausüben, wie er letztens in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte:
„Ich will wirklich den Weg von Zuckerbrot und Peitsche einschlagen. Das heißt, falls die Unternehmen in der Gegend so handeln, wie es sich für Firmen in einem EU-Mitgliedsland gehört, und nicht wie in einer Bananenrepublik, dann können sie auch auf finanzielle Hilfe des Staates für die Umweltinvestitionen hoffen. Falls nicht, dann werden wir auf die härteste Art vorgehen, die uns die Gesetze ermöglichen.“Das Angebot heißt: 4 Milliarden Kronen (160 Millionen Euro) aus dem Staatssäckel. Weitere etwa 6 Milliarden Kronen (240 Millionen Euro) müssten von den Unternehmen kommen, um all die Projekte zu realisieren, die die großen Städte des Kreises bereits ins Auge gefasst haben. Bis zum Mai kommenden Jahres gilt der Aufruf des Umweltministers an die großen Unternehmen der Region, Investitionsvorschläge zu machen. Vendula Krčmářová hält dies prinzipiell für einen gangbaren Weg. Doch merkt sie an:
„Investitionen in die umweltfreundlichste Technologie am Markt wurden den meisten Unternehmen eigentlich schon beim Genehmigungsverfahren für ihre Anlagen auferlegt. Bei den meisten wird für die Fertigstellung mit Terminen im Jahr 2012 oder 2013 gerechnet. In dem Aufruf, den Minister Drobil herausgegeben hat, geht es um die Finanzierung zusätzlicher Maßnahmen. Das hätte man schon viel früher fordern können und nicht erst jetzt, da die Situation so kritisch geworden ist. Die Unternehmen verweisen auf die Wirtschaftskrise. Sicher gab es die, aber in den Jahren zuvor haben die Unternehmen ausreichend Gewinne eingefahren, um nach und nach in Maßnahmen zur Senkung der Emissionen zu investieren. Aber das wurde kaum gemacht. Jetzt ist es eher eine Art Rettungsring um fünf vor zwölf, dass der Staat seine Hilfe anbietet.“
Als weitere Maßnahme plant Umweltminister Drobil eine Änderung des Luftreinhaltungsgesetzes. Am Mittwoch wird er sein Konzept dem Kabinett vorlegen. Die Novelle soll zum Beispiel Städten und Gemeinden ermöglichen, Umweltzonen auszurufen. Die Umweltorganisation Arnika begrüßt eine Neufassung dieses Gesetzes, doch auch hier kommt der Hinweis: Das hätte schon früher erfolgen können. Zudem steht das Gesetz erst am Anfang des legislativen Prozesses, und wer weiß schon, wie es nach den Lesungen im Parlament dann tatsächlich aussehen wird.
Den Vertretern der Stadt Ostrau war es bereits im Frühjahr nach dem schlimmen Smog-Winter zu viel. Sie haben den Staat wegen seiner Versäumnisse verklagt. Zudem hat auch die Europäische Kommission Klage eingereicht. Doch leider beschleunigt das nicht das Prozedere. Und jene, die am meisten unter der schlechten Luft leiden, werden im kommenden Winter weiter nicht viel Spaß haben: kranke Leute, alte Leute und die hustenden Kinder wie der kleine Dominik.