Vom Teuro zum Ladenhüter – viele Tschechen wollen den Euro nicht

Während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr wurde im Land noch viel über den Euro diskutiert. Zumal der Bruderstaat Slowakei bereits den Euro eingeführt hat. Die Wirtschaftskrise und der Beinahe-Bankrott von Griechenland haben aber den Ruf der europäischen Gemeinschaftswährung in Prag stark beschädigt. Wie denken die Tschechen über den Euro? Wollen sie ihn oder wollen sie ihn nicht?

Ein Café im Prager Stadtteil Vršovice. Aus den Boxen träufelt eine sanfte Jazz-Version von Pink Floyds Hit „Money“. Café-Besitzerin Katka bedient hinter der Theke die Espressomaschine.

„Ich hatte gedacht, dass der Euro gut für uns sein könnte. Ich hatte gehofft, dass die Verschuldungspolitik in Tschechien dann besser unter Kontrolle wäre. Aber das Beispiel Griechenland zeigt, dass das alles nicht funktioniert. Die EU kann es sich einfach nicht erlauben, jemanden Bankrott gehen zu lassen. Also wird Geld hineingepumpt.“

Das junge Paar an einem der Tische ist – zumindest was die Euro-Einführung betrifft – geteilter Meinung.

Foto: Europäische Kommission
„Der Euro hat seine Vor- und Nachteile, das ist schwer zu entscheiden. In der jetzigen Krise hat uns die tschechische Krone sicher etwas gerettet. Aber irgendwann in Zukunft wäre der Euro wünschenswert. Die Frage ist, ob es gelingt, das ganze System in Europa besser zu gestalten, ein einheitliches Modell, das für alle gilt. Denn eine einheitliche Währung ist in Zukunft wohl die einzige Chance, wie Europa mit den USA oder China konkurrieren kann.“

Sagt der circa 30-jährige Martin etwas zögerlich. Für seine Freundin hingegen ist der „Fall Euro“ eine klare Sache:

„Den Euro einführen? Auf keinen Fall. Ich mag den Euro nicht und ich mag auch die Europäische Union nicht. Das ist Blödsinn.“

Sie sei konservativ und liberal, also gegen jegliche Regulierung von außen, erklärt die junge Frau. So wie sie denken immer mehr Menschen in Tschechien. Koruna česká – die tschechische Krone, sie hat in Krisenzeiten ordentlich an Kredit gewonnen - bei Bürgern und Politikern. Und die Krone zieht an: Anfang letzten Jahres mussten die Tschechen in der Wechselstube gut 28 Kronen für einen Euro hinlegen. Jetzt kostet ein Euro nur noch etwas über 25 Kronen. Die Tschechen sind froh, noch ihre eigene Währung zu haben, seit Griechenland Pleite gegangen ist.

Froh, eher sogar schadenfroh, ist auch Präsident Václav Klaus. Der notorische Europakritiker sieht sich bestätigt. Im April belehrte er die Zuhörer nach seiner Europarede an der Berliner Humboldt-Universität:

Im April belehrte Václav Klaus die Zuhörer nach seiner Europarede an der Berliner Humboldt-Universität
„Wenn Sie eine Währungsunion machen wollen, dann zahlen Sie etwas dafür. Und Griechenland ist ein Opfer dieser Entwicklung. Ich sehe keine andere Möglichkeit für Griechenland, als die Abwertung der nicht existierenden Drachme“, sagt der studierte Ökonom Klaus ironisch.

Da Griechenland aber keine eigene Währung und damit auch keine eigene Währungspolitik mehr habe, bleibe nur eine Möglichkeit:

„Man muss Griechenland von außen finanzieren. Es bleibt nichts anderes übrig und das ist sehr klar und das verstehen die Deutschen ausgezeichnet.“

Die menschliche Solidarität, die die Westdeutschen bei der 1:1-Währungsunion in der DDR gezeigt hätten, gebe es eben auf europäischer Ebene nicht, so Klaus.


Peter Gabaľ
Dennoch: Der Euro hat seine emotionalen Seiten. Die Slowakei, das frühere Bruderland Tschechiens, hat den Euro zu Jahresbeginn 2009 eingeführt. Die Regierung Dzurinda hatte zuvor wichtige Reformen durchgezogen und das Land auf den Euro vorbereitet. Auch nach der Euroeinführung hielt die positive Stimmung an, meint der aus der Slowakei stammende Journalist Peter Gabaľ:

„Die Slowakei hat den Euro zur passenden Zeit eingeführt, in einer frisch reformierten Wirtschaft mit einem viel versprechenden Aufschwung. Zu Beginn der Krise überwogen daher die positiven Seiten der Gemeinschaftswährung in Form von Währungsstabilität und Einsparungen bei Transaktionen. Die positive Haltung der Bürger gegenüber dem Euro stieg innerhalb des ersten Jahres von 60 auf 80 Prozent an. Denn es kam nicht zu der befürchteten Verteuerung.“

Slowakischer Euro
Der Euro, fügt Peter Gabaľ an, sei für die Slowaken aber noch mehr als nur die Krönung einer guten Wirtschaftsbilanz:

„Die Slowaken nehmen den Euro vielleicht auch mehr ideell als wirtschaftlich wahr. Für sie ist der Euro eine Bestätigung ihrer europäischen Identität. Das fällt am Ostrand der EU sicher mehr ins Gewicht als in Tschechien, das von allen Seiten von stabilen Verbündeten umgeben ist.“


Zurück nach Tschechien. Der Mann, der ein entscheidendes Wort mitzureden hat bei der Frage, wann der Euro eingeführt wird, ist der Gouverneur der Tschechischen Nationalbank. Miroslav Singer wurde erst Anfang Juli von Präsident Klaus in sein Amt gehoben. Genau wie Klaus steht auch Singer einer Euro-Einführung reserviert gegenüber. Dem tschechischen Export gehe es so gut wie schon lange nicht mehr – auch ohne Euro, erklärte Singer jüngst im Tschechischen Fernsehen. Das Land habe noch einige wichtige Reformen zu erledigen und die Eurozone werde noch lange an ihrem Problem zu beißen haben.

Miroslav Singer
„Die Probleme wird man eher über einen Zeitraum von zwei Jahren als von einem Jahr lösen. Das bedeutet: Reell gesehen ist die Einführung des Euro in den nächsten zwei, drei Jahren kein Thema für Diskussionen. Diskutieren wird man natürlich. Aber in der Praxis gibt es so viele Unsicherheiten, dass eine Diskussion jetzt keinen Sinn macht.“

Gegenüber dem Wall Street Journal brachte Nationalbank-Gouverneur Singer Anfang Juli die Skepsis der Tschechen auf den Punkt: Bei den derzeitigen Problemen der Eurozone sei es schwierig ein Euro-Enthusiast zu sein.