Studiengebühren – Rentenreform – Geert Wilders
Im Medienspiegel geht es – ganz im Zeichen der Koalitionsverhandlungen - vor allem um die ersten Überlegungen zu einer Rentenreform und den Beschluss, Studiengebühren einzuführen. Außerdem kommentieren die Journalisten den Wahlerfolg des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders.
Moderator: Christian, fangen wir mal bei der Mitte-Rechts-Koalition an, die sich gerade zu formieren und zu positionieren versucht. Die Bürgerdemokraten, Top 09 und die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten haben sich auf die Einführung von Studiengebühren geeinigt. Das ist ja allein schon deshalb interessant, weil das Studentenmilieu einen großen Anteil am Wahlerfolg dieser Parteien hatte.
Christian Rühmkorf: Stimmt, darauf geht eine Kommentatorin auch ein. Zuvor muss man allerdings sagen: Die Studiengebühr soll erst nach dem Studium fällig werden, wenn die Absolventen im Beruf stehen.
Martina Riebauerová, die stellvertretende Chefredakteurin der Mladá fronta Dnes, schreibt dazu:
„Diesem Prinzip kann ich grundsätzlich applaudieren. Und weil die Studenten mit großer Mehrheit genau diese Mitte-Rechts-Parteien gewählt haben, hoffe ich, dass auch sie applaudieren. Für eine Studiengebühr gibt es mehrere vernünftige Argumente: 1. Die Hochschulen brauchen Geld. 2. Was umsonst ist, wird nicht wertgeschätzt. 3. Warum sollten jene vollständig für die Bildung aufkommen, die sie selber nie erhalten werden? 4. Warum soll der Staat in der globalisierten Welt vollständig für das Studium eines Menschen aufkommen, der später sagt: Adé, ich gehe ins Ausland?“
So Kommentatorin Riebauerová. Aber sie warnt zugleich davor, mit der Studiengebühr eine Qualitätssteigerung in der Lehre zu verbinden. Die Gebühren seien einfach eine finanzielle Beteiligung an den Unkosten. Nicht mehr. Und außerdem sollten endlich die Hochschullehrer besser bezahlt werden, schreibt sie.Moderator: Gleichzeitig bastelt für die künftige Regierung eine Experten-Kommission an einer längst überfälligen Rentenreform. Danach soll der Versicherungsbeitrag gesenkt, zugleich aber die Eigenverantwortung erhöht werden durch eine private Zusatzversicherung. Wie werden die Pläne aufgenommen?
Pavel Páral von der Mladá fronta Dnes findet es zwar grundsätzlich richtig, dass die Eigenverantwortung in der Vorsorge erhöht wird. Aber:
„Diese Methode sorgt nur dafür, dass die Unterschiede im vorherigen Gehalt sich stärker in der Höhe der späteren Rente auswirken. Das Problem der Überalterung der Gesellschaft geht das Konzept aber überhaupt nicht an. Der durchschnittliche Rentenbeitrag wird im Wesentlichen genauso hoch sein, wie der Beitrag zur heutigen Zusatzversicherung, nämlich ein paar Hundert Kronen.“Zu wenig also, meint Kommentator Páral.
Julie Hrstková von der Hospodářské noviny ist vor allem skeptisch, was die Beiträge in private Rentenfonds betrifft. Denn die sollen laut Konzept wiederum in Staatsanleihen investieren. Hrstková fragt:
„Bis zu welchem Grad kann denn ein verschuldeter Staat eine Garantie für künftige Rentner sein? Und wie gut können eigentlich die Rentenfonds investieren, so dass sie jederzeit ausreichend Geld haben? Die Finanzkrise hat gezeigt, dass private Rentensysteme Probleme hatten, als die Kurse auf den Finanzmärkten fielen, und abermals musste der Staat zur Hilfe eilen.“Moderator: Christian, Rentenreform hin, Studiengebühr her - gibt es denn in den Kommentaren auch Urteile über allgemeine Chancen dieser potenziellen Koalition? Es ist ja immerhin auffällig, wie zügig und offenbar unproblematisch sich die drei Mitte-Rechts-Parteien einigen.
C. R.: Ja, zum Beispiel Martin Weiss von der Lidové noviny hält eine mögliche Koalition aus Bürgerdemokraten, Top 09 und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten für absolut instabil:„Die programmatischen Ziele von Bürgerdemokraten und Top 09 sind vielleicht vereinbar miteinander. Aber ihre parteistrategischen Ziele nicht. Und diese sind nicht gerade bescheiden – die eine muss die andere zerstören.“ Schreibt Weiss.
Der andere Unsicherheitsfaktor sei die Newcomer-Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, deren demokratische Marketing-Fassade und innere Mechanismen aller Wahrscheinlichkeit nach eine riesige Kluft aufwiesen. Und so kommt Weiss zum Schluss:
„Auf uns wartet also ein Regieren mit dem großen Unsicherheitsfaktor der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten und einer großen Sicherheit, dass die Bürgerdemokraten und Top 09 um ihre gegenseitige Vernichtung kämpfen werden.“Moderator: Kommen wir noch zu einem letzten Thema. Die niederländische Freiheitspartei des Rechtspopulisten Geert Wilders hat bei den jüngsten Wahlen ihre Mandate mehr als verdoppeln können. Wilders war vor einigen Monaten auch in Tschechien ein Thema. Er war eingeladen worden, im Senat einen Vortrag zu halten, wurde dann aber wieder ausgeladen.
C. R.: Richtig. Die tschechischen Kommentatoren sehen den heftigen Islamkritiker Geert Wilders unterschiedlich. Daniel Kaiser von der Lidové noviny nimmt den niederländischen Politiker in Schutz:
„Es ist wahr, dass er einen fünfjährigen Einwanderungsstopp für Menschen aus der ´nichtwestlichen´ Welt fordert. Es ist wahr, dass er die Muslime in Europa verdächtigt, sie wollten dem Rest der Gesellschaft ihr Mittelalter aufzwingen. Daran ist aber nichts Faschistisches. Die Niederlande sind objektiv überfüllt, in Rotterdam besteht die Hälfte der Bevölkerung aus Migranten oder Kindern von Migranten. Und mittelalterlich Verirrte gibt es leider unter den holländischen und überhaupt unter den europäischen Muslimen genug, dass jemand das Thema im Wahlkampf aufgreifen kann.“
Adam Černý schreibt in der Hospodářské noviny:„Europa würde eine direkte oder indirekte Regierungsbeteiligung von Wilders schon irgendwie hinnehmen. Ein wesentlich größeres Risiko könnten die Auswirkungen auf die Beziehungen mit den muslimischen und arabischen Staaten sein.“
Und Martin Hekrdla von der Právo macht es kurz und sarkastisch:
„Die Niederländer meinen, sie hätten ´die Toleranz in den Genen´. Aber diese trostreiche Behauptung hat doch schon ein bisschen was Rassistisches.“Moderator: Der Medienspiegel war das, heute mit Christian Rühmkorf, vielen Dank!