Auf Mojslavs Spuren: Großmährisches Museum in Staré Město bei Uherské Hradiště

Zeremonie der Schur

Das Großmährische Reich war die erste staatsartige Herrschaft der Westslawen. Und damit ein Vorgänger der frühmittelalterlichen Staaten der tschechischen Přemysliden, der polnischen Piasten sowie der ungarischen Arpaden. Den Kern des Reichs bildete das Gebiet in Mähren an den beiden Ufern der March / Morava. Den größten Aufschwung erlebte das Reich Ende des 9. Jahrhunderts unter Fürst Svatopluk. Vor etwa 60 Jahren wurden in der Stadt Staré Město bei Uherské Hradiště die Mauern einer großmährischen Kirche freigelegt. Später entdeckten Archäologen dort zudem an die 2000 Gräber aus der Epoche. Am Ort entstand ein Museum, und das Gebiet wurde 1969 zum nationalen Kulturdenkmal erklärt. In diesem Jahr wurde direkt über den freigelegten Kirchenfundamenten eine neue multimediale Ausstellung über Großmähren eröffnet.

Das Gebiet um Staré Město bei Uherské Hradiště gehörte zu den wichtigsten Regionen Großmährens. 1949 stießen die Archäologen im Ort Na valách auf Fundamente einer großmährischen Kirche. Es sei der erste nachweisbare großmährische steinerne Bau, der nördlich der Donau gefunden wurde, sagt der Archäologe Miroslav Vaškových vom Mährisch-Slowakischen Museum. Er beteiligte sich an der Gestaltung der neuen ständigen Ausstellung, die in der Gedenkstätte „Památník Velké Moravy“ Anfang dieses Jahres eröffnet wurde. Sie wurde über der ausgegrabenen Kirche installiert. Dazu Archäologe Vaškových:

Fundamente einer großmährischen Kirche
„Die Kirche ist sehr einfach. Der Grundriss entspricht den anderen Kirchen aus dem 9.Jahrhundert. An das rechteckige Schiff knüpft die Apsis an. Die Kirche ist etwa zwölf Meter lang und sechs Meter breit. Um die Kirche herum haben wir einige Skelettgräber installiert. In Wirklichkeit gab es hier viel mehr Gräber. Der Sakralbau stammt aus dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts. In der Umgebung wurden die Angehörigen der höchsten Gesellschaftsschicht bestattet. Dies kann man an der Ausstattung des Grabs erkennen. Man fand hier beispielsweise Bruchteile des Sargbeschlags. Vor allem aber sind verschiedene Teile der Grabbeigaben erhalten geblieben: in den Gräbern der Frauen wurden goldene Ohrringe und Perlen gefunden, bei Männern wiederum Schwerte sowie die so genannten ´gombíky´ - also Kugelknöpfe, die wahrscheinlich zum Zusammenhalten des Gewands dienten.“

Großmährische Waffen
Die freigelegten Fundamente stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Besuchers, der sich hier ein Bild über die Arbeit der Archäologen machen kann. Im Gang, der rund um die Kirche und die Grabstätte führt, wird die Geschichte von Mojslav geschildert, der vor etwa 1.200 Jahren in dieser Region gelebt haben soll. Mojslav ist eine fiktive Person, auch der so slawisch klingende Name ist erfunden. Dazu Archäologe Vaškových:

Miroslav Vaškových
„Den Mojslav habe ich mit meinem Kollegen Luděk Galuška ausgedacht. Inspiriert dabei hat uns eines der Gräber, das hier gefunden wurde und das hier zu sehen ist. Im Grab wurde ein Mann bestattet, der einen Dolch mit einer Scheide bei sich hatte, die mit Gold und Edelsteinen verziert war. Es handelte sich wahrscheinlich um einen gesellschaftlich hoch gestellten Kämpfer. Wir wollten die Geschichte Großmährens mit einem konkreten Schicksal illustrieren, und so dachten wir uns die Geschichte über Mojslav aus. Er ist mit den Ereignissen verbunden, die sich in Großmähren abspielten und die wir aus dem Geschichtsunterricht kennen.“

Mojslav wird Augenzeuge wichtiger Ereignisse, wie es die Ankunft von Konstantin und Method nach Großmähren oder die Taufe des Přemyslidenfürsten Bořivoj waren. Die Geschichte von Mojslav wird in einzelnen Szenen dargestellt, in denen zwanzig Figurinen in Lebensgröße auftreten.

Am Anfang erlebt man den ganz jungen Mojslav, der bei der Zeremonie der Schur – postřižiny – von seinem Vater einen wertvollen Dolch bekommt. Diesen trägt er dann das ganze Leben lang bei sich, sagt Miroslav Vaškových.

Zeremonie der Schur
„Die erste Szene spielt im Jahr 936. Mojslav wird im Alter von etwa 10 Jahren in die Reihen der Männer aufgenommen. Die Mutter schneidet sein langes Haar ab, das er als Kind getragen hatte. Wir haben in der Darstellung diese erste Szene aus Mojslavs Leben mit den ersten Erwähnungen über das Großmährische Reich verbunden. Wir wissen, dass um das Jahr 833 Fürst Mojmír Fürst Pribina aus Nitra / Neutra vertrieben hatte. Wir wissen aber nicht, wie lange Großmähren zuvor existierte. Mojmír vereinigte die beiden Fürstentümer in einem Herrschaftsgebiet, in dem die Dynastie der Mojmiriden regierte.“

Töpfer
Auf dem Gebiet der heutigen Stadt Uherské Hradiště befand sich zu Mojslavs Zeiten eine Burgstätte. Dort, wo heutzutage Staré Město liegt, standen Paläste und Werkstätten. Wie die Burgstätte damals hieß, weiß man heute nicht.

„Das so genannte ´Veligrad´ erstreckte sich auf dem Gebiet der beiden heutigen Städte. Der Name Veligrad stammt aber erst aus dem Mittelalter. Das ganze Areal war mit einem Befestigungssystem umgeben. Zur Burgstätte gehörte auch ein Kirchenkomplex, der ein wenig abseits auf einem Hügel stand. In der Gegend, die man heute in Uherské Hradiště ‚V sadech’ nennt.“

Die zweite Szene aus Mojslavs Leben bezieht sich auf kein konkretes historisches Ereignis, sondern soll dem Besucher des Museums nur einen Eindruck über den Alltag in einer großmährischen Durchschnittsfamilie vermitteln.

Schlitten,  mit dem man auf dem Eis wahrscheinlich so etwas wie Schlittschuh laufen konnte
„Den anderen Jungen in dieser Szene nannten wir Zderad. Es ist der Freund von Mojslav, den er besucht. Wir wollten aber vor allem zeigen, was die Leute damals alles herstellen konnten, was die gemacht haben. Die Frauen haben vor allem im Winter Garn gesponnen und Stoffe gewoben. Die Männer stellten Keramikgegenstände her. Gezeigt wird hier die Arbeit mit der Töpferscheibe. Viele Gegenstände haben sie aus Holz geschnitzt. Gegenüber der dargestellten Szene sind in einer Vitrine dann Originalstücke ausgestellt, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden: hölzerne Kochlöffel aus dem 9. Jahrhundert, Keramik, aber auch aus Hörnern geschnitzte Nadeln. Gefunden wurden auch mehrere Stücke von Stoffen, die die hiesigen Bewohner imstande waren, auf einem Webstuhl herzustellen. Ein interessanter Fund ist eine Art Schlitten, mit dem man auf dem Eis wahrscheinlich so etwas wie Schlittschuh laufen konnte.“



Fotos: Autorin