Reaktionen auf Tod Kaczyńskis, erstes TV-Duell zwischen Paroubek und Nečas, Havels Name fehlte auf Start-Gästeliste

Václav Klaus am Pietätakt vor der polnischen Botschaft in Prag (Foto: ČTK)

Die Flugzeugkatastrophe vor Katyn, das erste Fernsehduell der Spitzenkandidaten Paroubek und Nečas vor den bevorstehenden Parlamentswahlen und ein Nachtrag zur Unterzeichnung des Start-Nachfolgeabkommens: Ex-Präsident Havel stand nicht auf der Gästeliste. Das sind die Themen dieser Woche.

Moderator: Fast einhundert Menschen sind am Samstag ums Leben gekommen, als das Flugzeug des polnischen Präsidenten Kaczyński im russischen Smolensk verunglückte. Eine Tragödie, die das Land regelrecht paralysierte. Auch hier in Tschechien sorgte die Nachricht für Bestürzung. Hunderte von Menschen haben seit dem Wochenende Blumen an der polnischen Botschaft niedergelegt, für das Wochenende wurde Staatstrauer verhängt. Und auch die hiesigen Kommentatoren hat das Unglück beschäftigt. Worum geht es in den Kommentaren, Katrin?

Transport der sterblichen Überreste nach Polen  (Foto: ČTK)
KM: Zum einem natürlich um die Symbolik des Ortes Katyn: Vor 70 Jahren das Massaker, bei dem Tausende polnische Offiziere ermordet wurden. Jetzt das Flugzeugunglück, bei dem der polnische Präsident, die versammelte Führungsrige der polnischen Streitkräfte und Hinterbliebene der Opfer des Massakers von damals umgekommen sind.

Moderator: Alle auf dem Weg zu den Gedenkfeiern für die Opfer von damals.

Václav Klaus am Pietätakt vor der polnischen Botschaft in Prag  (Foto: ČTK)
KM: In den Kommentaren kommen aber auch andere Aspekte zum Tragen Zbyněk Petráček hat beispielsweise einen Text für die Zeitung Lidové noviny verfasst, der mit dem Wort "Verbündeter" überschrieben ist. Einleitend heißt es da:

"Es ist ein neues Gefühl, zu sagen, dass die Tschechen mit dem Tod des polnischen konservativen Politikers Lech Kaczyński einen bedeutenden Verbündeten verloren hat. Nicht einmal Edvard Beneš ist es gelungen, Polen als Verbündeten zu gewinnen. Nein, das ist eine Devise, die erst in den letzten Jahren aufgekommen ist."

Das tschechische Pendant zu Lech Kaczyński sieht Petráček im ehemaligen Premier Tschechiens Mirek Topolánek.

Lech Kaczyński  (Foto: ČTK)
"Jeder der beiden war aus einem anderen Holz geschnitzt, im Grunde ging es ihnen aber um dasselbe: Russlands Ambitionen in Schach zu halten, sich nicht damit abzufinden, dass es einen Teil Georgiens besetzt hat, ohne dass sich das übrige Europa groß darum scherte, und sich dafür einzusetzen, dass die Amerikaner in Mitteleuropa militärisch in Erscheinung treten.[...].

Wenn die Geschichtsschreiber das Kapitel über das tschechisch-polnische Bündnis schreiben, werden darin die Namen Kaczyński, Tusk und Topolánek vorkommen", schreibt er.

Moderator: Gibt es auch Überlegungen zum polnisch-russischen Verhältnis?

Beamtin Marie Švecová am Trauerschild am Gebäude des polnischen Konsulats in Ostrava  (Foto: ČTK)
KM: Ja, durchaus. Milan Vodička stellt in der Tageszeitung Mladá Fronta Dnes fest, dass das Flugzeugunglück Polen und Russen erstaunlicherweise enger zusammenschweißt. „Niemanden hätte es gewundert, wenn sich bei den Polen nach dem Unglück am Samstag das Gefühl zementiert hätte, dass alles, was mit Russland zu tun hat, für Polen schlecht und gefährlich ist.“ Das Gegenteil ist jedoch der Fall, meint Vodička, und zieht folgende Parallele:

„Als der Russe Vladimir Putin vergangene Woche beim Gedenken an die Opfer des Massakers von Katyn direkt am Ort des Geschehens für einen Augenblick niederkniete, erinnerte das an den Kniefall Willy Brandts im Warschauer Ghetto Anfang der 70-er Jahre. Als Putin wenige Tage später ganz in der Nähe der brennenden Flugzeugteile den weinenden polnischen Premier Tusk in den Arm nahm, erinnerte das an das Bild, als Mitterand und Kohl in Verdun einander an die Hand nahmen. Diese Versöhnung war die Grundlage für das heutige Europa.“ Es sei verfrüht und naiv zu glauben, dass Polen und Russland auch so weit seien, meint Vodička: „Aber ein gewisser Durchbruch in den Beziehungen ist hier offensichtlich.“


Moderator: Die Tschechen hatten ja am Wochenende Gelegenheit, die Spitzenkandidaten der beiden stärksten Parteien im Land in direkter Konfrontation zu erleben. Wie ist das erste Fernsehduell zwischen dem Sozialdemokraten Jiří Paroubek und dem neuen Chef der Bürgerdemokraten Petr Nečas ausgegangen?

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
KM: Das kommt offenbar ganz auf Blickwinkel des Betrachters an. Die Kandidaten haben jeweils sich selbst als Sieger deklariert, viele Experten halten das Duell für sehr ausgeglichen, wie die Nachrichtenagentur ČTK meldet. Es waren aber auch Stimmen zu vernehmen, denen zufolge keiner der beiden gepunktet hat.

Der Grund: Sie haben den Wählern vorgeführt, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf wesentliche Dinge zu einigen, so die ČTK. Während sich die beiden Widersacher eingangs bemühten, sachlich zu bleiben, wurde der Ton beim Stichwort Staatshaushalt plötzlich deutlich rauer. Das ist dann auch der Hauptkritikpunkt der Kommentatoren. Paroubek und Nečas fielen einander ins Wort und versuchten einander lächerlich zu machen.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Karel Hvížďala kommt in seinem Kommentar für den Tschechischen Rundfunk zu folgendem Schluss:

„Wenn wir nicht in der Lage sind, kultiviertere Debatten zu führen, in denen man einander nicht ins Wort fällt und sachlich argumentiert, wäre vielleicht eine Lösung, demjenigen, der nicht dran ist, einfach das Mikrofon auszuschalten. Das könnte für mehr Ruhe sorgen und der Debatte zu mehr Tiefe verhelfen.“


Moderator: Ein interessanter Ansatz… Aber kommen wir zu der eingangs angekündigten Geschichte um den ehemaligen Präsidenten Havel. Nach der Unterzeichnung des Start-Nachfolgeabkommens zwischen Russland und den USA vergangenen Donnerstag in Prag ist bekannt geworden, dass etliche Politiker Tschechiens nicht eingeladen waren, der Unterzeichnungszeremonie beizuwohnen. Darunter die Ikone der Samtenen Revolution, Václav Havel. Wie sind die Reaktionen darauf ausgefallen?

KM: Havels ehemaliger Sprecher Ladislav Spaček, der tschechische Benimmpapst, findet, dass es ein Unding sei, Havel nicht einzuladen. Der Pressechef der Prager Burg hatte folgende Begründung parat: „Zum Zeitpunkt, als nach der Ankündigung des Gipfels in Prag auf die Schnelle 30 Gäste festgelegt wurden, die zu dem Festessen anlässlich der Unterzeichnung des Start-Abkommens eingeladen werden sollten, war Ex-Präsident Havel krank. Deshalb haben wir ihn nicht auf die Gästeliste gesetzt.“

Der Nachrichtenserver Novinky.cz weist aber darauf hin, dass dies nicht erklärt, warum Havel nicht mal zur Unterzeichnung des Dokuments an sich eingeladen war.

Jan Macháček von der Wochenzeitung Respekt sieht einen tieferen Grund dafür, dass Havel, aber beispielsweise auch der ehemalige Außenminister Karel Schwarzenberg nicht eingeladen wurden:

Václav Havel
„Amerika hat sich in den 60-er Jahren von den rassenbedingten Vorurteilen befreit. Im Jahre 2010 haben wir hier ein Beispiel dafür, dass unsere Eliten erst im Begriff sind zu lernen, dass die Tatsache, dass jemand andere Standpunkte vertritt, kein Grund ist, ihn von wichtigen Ereignissen auszuschließen. Statt einer Apartheid der Rassen […] haben wir es hier mit einer Apartheid der Meinungen zu tun.“

Moderator: Und damit schließen wir den Medienspiegel. Bis zum nächsten Mal.